Wikimedia in der Gender-Falle? Warum Diversität nicht nur Frauenförderung bedeutet

Es war die erste Konferenz, die sich explizit mit dem Thema Vielfalt in Wikipedia beschäftigte. Doch die „Diversity Conference 2013„, die im November von Wikimedia Deutschland in Berlin veranstaltet wurde, hatte vor allem einen Schwerpunkt: der niedrige Anteil an Frauen in Wikipedia.

Der Gender Gap in Wikipedia, also das Ungleichgewicht bei der Geschlechterverteilung, ist kein neues Phänomen. Bereits 2009 brachte Benutzer:Mo4jolo die Geschlechterkluft  in seinem Beitrag „Enzyklopädie ist anders“ mit radikalen Worten auf den Punkt:

„Wikipedia ist die kollektivierte selektive Wahrnehmung einer peer group der unter 30-jährigen gebildeten onlinophilen Männer (fortan U30goM). Ihr Weltbild, ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit konstruiert eine selektive Weltsicht. Sie erheben den Anspruch, das Wissen der Welt darzustellen, eine universale, freie Enzyklopädie zu schaffen. Sie dominieren das Projekt.“

Ganz so einseitig ist die Community nicht. Wahr ist aber: Die Gemeinschaft der Wikipedia-Autoren ist nicht repräsentativ für die Bevölkerung. Auch 2013 ist Wikipedia die Enzyklopädie einer Minderheit.

Der Wikipedia-Kosmos muss bunter werden

Die Förderung von Diversität in Wikipedia hat allerhöchste Priorität. Ziel muss es sein, Menschen jeden Alters, jeder Ethnie und jeder sozialen Schicht für das Mitmach-Lexikon zu begeistern.

Ein Blick auf das Programm der „Wikimedia Diversity Conference“ zeigt aber, dass Diversität in erster Linie auf Geschlechterdiversität abzielt. Nicht allen gefällt der starke Fokus auf die Förderung von Frauen in Wikipedia.

Josh Lim alias Benutzer:Sky Harbor, Vizepräsident von Wikimedia Philippines, kritisierte via Facebook, dass die Themen geografische Diversität und die Partizipation in Ländern des globalen Südens eine viel größere Rolle spielen müssten. Hier gebe es große Wachstumspotentiale, die mit Blick auf den Autorenmangel nicht verspielt werden dürften.

„I can’t help but feel that maybe we’re focusing too much on the gender gap in a conference which ostensibly wants to promote diversity in general. (…) There are only three sessions on geographic/ethnic diversity, and the rest are on gender and Wikipedia? Is the fight for greater diversity on Wikipedia solely (or mostly) about bringing more women (…) people onboard?

Worum es eigentlich gehen müsste

Auch die gesteckten Ziele im „Jahresplan 2014 – Vernetzen und Ermöglichen“ (über den endgültigen Jahresplan 2014 wird die Mitgliederversammlung am 30. November 2013 entscheiden) zeigen, dass sich Wikimedia Deutschland einseitig auf Gender-Fragen konzentriert.

So sollen laut Entwurf Einzelworkshops im Bildungsbereich abgeschafft werden, weil sie nicht dazu beitragen, neue Autoren zu gewinnen.

„Um die Reichweite unserer Aktiviäten zu erhöhen, konzentrieren wir uns fortan insbesondere auf Institutionen anstatt Einzelworkshops im Bildungsbereich. Die Auswertung unserer Aktivitäten legt diesen Schritt nahe, da auf die direkte Schulung von Interessierten kaum nachhaltige Effekte für die Beteiligung an den Wikimedia-Projekten folgten. Es ist sinnvoller, die Institutionen zu informieren, auf diesem Wege für Freies Wissen zu sensibilisieren und so Inhalte zu befreien.“

Workshops wie „Women edit“ sollen hingegen weitergeführt werden, obwohl sie kaum zur Autorengewinnung beitragen:

„Auch im Bereich Diversity gilt es 2014, die 2013 erfolgte Analyse in Projekte zu überführen, die dazu führen, dass die Wikimedia-Projekte gesellschaftliche Realitäten besser abbilden. Erfolgreiche Projekte wie „Women edit“ müssen in vielen Regionen etabliert werden.“

Bei der Lektüre des Jahresplans fällt auf, dass Wikimedia zum Thema Diversität leider nicht viel mehr einfällt, als die Förderung von Frauen. Was ist mit der aktiven Förderung von Schülern, der Zielgruppe 50+, sexuellen Minderheiten, Menschen mit Behinderungen, Migranten?

Ein ähnlich einseitiges Bild zeigt sich im Bereich „Bildung und Wissen„. 2013 wurden zur Stärkung der Diversität – eines der vier Jahresziele von Wikimedia – fünf Projekte ins Leben gerufen, die allgemein darauf abzielen, „viele verschiedene Menschen zum Mitmachen zu motivieren„. Mit einer Ausnahme:

Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Wikipedia-Gender-Diversity-Konzept“ befasst sich bis Ende des Jahres speziell mit der Förderung von Frauen in Wikipedia. Im Rahmen dieser Kooperation mit dem Gender- und Technikzentrum der Beuth-Hochschule sollen „neue Möglichkeiten, die die Teilnahme an Wikipedia fördern sollen“ erarbeitet werden.

Wie man Geld zum Fenster rausschmeißt

Und was ist bei dem 80.000 Euro schweren Projekt bisher herausgekommen? Nicht viel mehr als schwammiges Arbeitspapier von Prof. Dr. Ilona Buchem und Julia Kloppenburg, das allenfalls das zusammenfasst, was auch bisher schon bekannt war, aber kaum praktische Lösungen anbietet.

„Diversität – das neue Wort für Frauenförderung. Oder welch andere unterrepräsentierte Benutzergruppe wurde angesprochen?“ (Kommentar von „Sicherlich“ im Wikimedia-Bog)

Einem der Gründungsmitglieder von Wikimedia Deutschland, Ulrich Fuchs, ging das zu weit. Er zog Konsequenzen – und erklärte seinen Austritt aus dem Verein.

„(…) Wikipedia und Wikimedia waren der Aufklärung verschrieben. Das scheint Geschichte zu sein. Vortragstitel wie “Towards the Democracy of Knowledge: Bringing Gender Diversity to Wikipedia”, mit denen etwa eine Frau Buchem vorgibt, Forschung zu betreiben, zeugen von gegenteiliger Geisteshaltung. Hier geht es nicht mehr um freie Inhalte, Aufklärung, Wissenschaft oder auch nur Lehre, hier geht es ausschließlich ums leistungslose Abgreifen von Förder- und wie in diesem Fall Drittmitteln mittels inhaltsleerer Phrasen (…).“

Der „Stadtfuchs“ Ulrich Fuchs ist dafür bekannt, beharrlich gegen den „Gender-Mainstreaming-Wahn“ anzuschreiben. Seine Kritik an dem Projekt ist deshalb nicht sehr überraschend. Aber auch von einem neutralen Standpunkt aus betrachtet, erschließt sich der Sinn des hoch dotierten Berliner Hochschulprojekts nur schwer.

Diversität kann man nicht überstülpen

Überhaupt entsteht der Eindruck, dass das Thema Gender-Diversität massiv von außen in die Community hineingetragen wird, ohne dass es von den Nutzern tatsächlich eingefordert wird.

Die lesenswerte Diskussion zum Diversity-Schwerpunkt auf der diesjährigen Wikimania in Hong Kong zeigt: Namhafte aktive Wikipedianer sind genervt vom „Frauen-agenda-setting“. Benutzer:Poupou schreibt:

„Man kann Diversität nicht überstülpen. Die Zugangshürden – für alle Gruppen – liegen IMHO inzwischen viel eher bei der überkomplexen Syntax und den qualitativen Anforderungen ab dem ersten Edit. Die meisten Newbies, egal ob Mann, Frau oder Schlumpf, kommen heutzutage gar nicht mehr so weit, dass sie an der Kommunikationskultur o.ä. scheitern können. Ich persönlich schaffe es z.B. schon länger nicht mehr, interessierten Nicht-Wikipedianern, die mich auf Fehler aufmerksam machen, zu sagen ‚das kannst du selbst ändern, es ist ganz einfach.'“

Eine Mini-Umfrage von Benutzerin:Siesta stützt diese Einschätzung. Mit Ausnahme von „nicht gendergerechte Sprache“ sprechen die Teilnehmer der Umfrage Probleme an, die für alle Neulinge gleichermaßen gelten: „Insidersprache und Abkürzungsfimmel“, „zu viele Regeln“, „Status-Probleme“, „Tonfall in Diskussionen“.

Fazit: ran an die Menschen!

Der Autorenschwund in Wikipedia ist die größte Bedrohung für die Zukunft des Projekts. Es ist deshalb enorm wichtig, neue Autoren für das Mitmach-Lexikon zu begeistern. Wikipedia hat die Mission, das Wissen der Welt darzustellen. Um diesem Ziel näher zu kommen, muss die bestehende Monokultur in Wikipedia aufgebrochen werden.

Viel zu viele Menschen scheuen sich davor, bei Wikipedia mitzumachen: Frauen genauso wie Rentner, behinderte Menschen und Migranten. Wikimedia Deutschland hat sich einseitig auf die Steigerung des Frauenanteils fokussiert. Das ist kurzsichtig.

Der Bereich „Bildung und Wissen“ bei Wikimedia sollte sich auf klassische Schul-, Hochschul-, VHS- und andere Programme konzentrieren, „in denen kleinteilig Leute von der Idee angefixt werden, wie man am Freien Wissen teilnehmen kann.“ Das Motto aller Aktivitäten muss sein: ran an die Menschen!

In diesem Zusammenhang war es ein schwerer Fehler von Wikimedia Deutschland, das Referentennetzwerk einzustellen. Wichtige Wikipedia-Projekte wie das Schulprojekt, das Hochschulprogramm und das Seniorenprogramm Silberwissen werden nicht mehr wie früher unterstützt. Sie müssen seitdem von den Referenten in eigener Regie weitergeführt werden.

Diversität bedeutet auch, dass bestehende Barrieren für Menschen mit Behinderungen abgebaut werden müssen. Wikipedia muss für jeden leicht zugänglich und intuitiv nutzbar sein. Den Themen Benutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit muss mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden.

Viel hängt von der Community selbst ab, glaubt auch Benutzer:Elop:

„Für entscheidender hielte ich, dass wir intern – das können die Vereine nicht – an unseren Umgangsformen feilten. Wenn jemand gutwillig zu uns stößt und ziemlich bald angepöbelt wird, ist es nämlich schon so, dass der Mann genetisch und per Sozialisation sagt ‚Da muss ich durch‘, während die Frau stärker zu ‚Ich bin doch nicht blöd‘ tendiert. Schließlich werden auch statistisch mehr Männer als Frauen auf den Vorschlag, einen Konflikt mal vor der Tür auszutragen oder ein privates Autorennen zu fahren, eingehen.“

Wikipedia und letztlich wir als Nutzer können nur davon profitieren, wenn sich möglichst viele unterschiedliche Menschen beteiligen. Nur durch die Vielfalt bei den Autoren entsteht die Vielfalt bei den Inhalten. Und das ist was zählt.

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Verschwendung von Wikipedia-Spenden: Sue Gardner warnt vor Korruption bei der Wikimedia-Stiftung

Die scheidende Geschäftsführerin der Wikimedia Foundation hat nichts mehr zu verlieren. Mitten in der Spendenkampagne 2013 kritisierte Sue Gardner mit ungewohnt drastischen Worten dasjenige Gremium, das in der Wikimedia-Bewegung maßgeblich über die Verteilung der Spendengelder entscheidet.

Wer ist dieses Gremium und was kritisiert Sue Gardner?

Seit 2012 prüft und bewertet das sog. Funds Dissemination Committee (FDC) zwei Mal jährlich die Anträge der Wikimdia-Vereine auf Bereitstellung von Geldmitteln aus den Spendeneinnahmen über die Wikimedia-Projekte.

Am Ende des Bewertungsprozesses gibt das FDC eine Empfehlung an das Board of Trustees der Wikimedia Foundation ab, das dann endgültig darüber entscheidet, ob und in welcher Höhe die beantragten Gelder zur Verfügung gestellt werden (Details hier).

Laut Kurier geht es um 11 Wikimedia-Organisationen (10 nationale Wikimedia-Vereine und eine thematische Organisation), die Anträge in Höhe von gut 5,8 Mio. US-Dollar eingereicht haben.

Wikimedia-Vereine verschwenden Geld

Das ist kein Pappenstiel. So viel Geld gehört in vertrauensvolle Hände. „Verschwendung überlassen wir anderen“, heißt es in der Bitte um Spenden von Wikipedia-Gründer Jimmy Wales.

Liest man Sue Gardners brisanten Bericht über das erste Jahr des FDC-Prozesses, kommen ernsthafte Zweifel daran auf, ob die FDC-Gelder wirkliche effektiv eingesetzt werden.

„I believe that currently, too large a proportion of the movement’s money is being spent by the chapters. (…) I am not sure that the additional value created by movement entities such as chapters justifies the financial cost, and I wonder whether it might make more sense for the movement to focus a larger amount of spending on direct financial support for individuals working in the projects.“

Gardner kritisiert, dass viel zu viel Geld an die nationalen Wikimedia-Vereinen (sog. Chapter) fließt. So gingen 2012 etwa 83 Prozent der Zuwendungen (4,71 Mio. US-Dollar) an die Wikimedia-Organisationen, hauptsächlich an die Chapter. Wäre es nicht viel sinnvoller, mehr Geld einzelnen Community-Mitgliedern zu geben, die damit vernünftige Projekte finanzieren?

Kuhhandel und andere korrupte Praktiken

Das meiste Spendengeld kommt nicht der Community zugute. Der überwiegende Teil der Einnahmen geht direkt an die Organisationen. Denn deren Mitglieder dominieren das Spendenverteilungs-Komitee. Nur sehr wenige unabhängige Community-Mitglieder beteiligen sich an dem FDC-Prozess.

“I believe the FDC process (…) does not (…) offer sufficient protection against log-rolling, self-dealing, and other corrupt practices.”

Es leuchtet ein, dass ein so einseitig besetztes Komitee anfällig ist für Kuhhandel (log-rolling), Insichgeschäfte (self-dealing) und andere korrupte Praktiken.

Wachsende Institutionalisierung: Hohe Kosten – wenig Nutzen

Gardners Kritik richtet sich auch gegen die wachsende Institutionalisierung der Wikimedia-Bewegung. Tatsächlich wird die Wikimedia Foundation, die neben Wikipedia auch zahlreiche Schwester-Projekte betreibt, von Jahr zu Jahr größer und damit zwangsläufig professioneller. Deutlich sichtbar ist das an der kontinuierlich wachsenden Zahl festangestellter Mitarbeiter.

2010 hatte Wikimedia noch überschaubare 35 Angestellte. Im Mai 2011 waren es schon 65 Mitarbeiter. Bis November 2012 verdoppelte sich die Zahl der Angestellten fast noch einmal. Offenbar waren 147 Festangestellte noch immer nicht genug: Im Oktober 2013 stieg die Zahl der Mitarbeitern auf 186. Das personelle Wachstum der Stiftung geht einher mit jährlich steigenden Ausgaben.

Die hohen Kosten stünden in keinem Verhältnis zum Nutzen für Wikipedia und die anderen Wikimedia-Projekte. Es werde deutlich mehr Geld als nötig ausgegeben, analysiert Sue Gardner:

„(…) There is currently not much evidence suggesting this spending is significantly helping us to achieve the Wikimedia mission. I believe we’re spending a lot of money, more than is warranted by the results we’ve been seeing. (…) I believe that in order to justify the size of grants that have been sought, the entities involved should need to be able to say clearly how their plan will make an important contribution to helping the Wikimedia movement achieve its mission.“

Anasuya Sengupta, als „Senior Director of Grantmaking“ zuständig für die Spendengelder bei Wikimedia, bekräftigte bei einem Experten-Treffen am 3. Oktober 2013 (zu sehen auf YouTube, ab Minute 37) Gardners Kritik an der Verteilungspraxis. Es müsse in Zukunft viel stärker danach gefragt werden, wo die Gelder hingehen, wofür sie ausgegeben werden und welchen Nutzen das für die Community hat.

Die großen Profiteure bei der Mittelvergabe sind Deutschland, Frankreich und Großbritannien, die im letzten Jahr etwa drei Millionen von insgesamt 5,65 Mio. US-Dollar des FDC erhalten haben.

Die jährlichen Wachstumsraten sind enorm und widersprechen selbst den Vorgaben des FDC. Wie Katy Love bei dem erwähnten Meeting (ab Minute 40) berichtet, hat allein Wikimedia Deutschland 36 Prozent mehr Mittel als im Vorjahr beantragt – das entspricht 2,4 Mio. US-Dollar (eine aufschlussreiche Übersicht ist hier als PDF zu finden).

Wikipedia Signpost schreibt dazu:

„Yet most of the 11 applicants are asking for considerably greater increases: Germany, the largest recipient—which already has access to generous levels of funding from German donors—is asking for 36% more ($2.43M). The UK’s claim is up 32% from last year, Argentina’s 34%, Switzerland’s 38%, Austria’s 41%, Serbia’s 111%, Israel’s 204%, and India’s 401%.“

Auch Benutzer:Jayen466 kritisiert auf einer Diskussionsseite das fehlende Kosten-Nutzen-Verhältnis. Es gäbe so viel Geld, dass die nationalen Wikimedia-Vereine oft nicht wüssten, wie sie es sinnvoll einsetzen sollen.

„Wie es um das Kosten-Nutzen-Verhältnis bestellt ist oder ob damit wirklich die objektiv förderungswürdigsten Bereiche (Lesernutzen! Anzahl der erreichten Leser!) in den Wikimedia-Projekten weltweit angesprochen werden, danach wird meines Erachtens wenig gefragt. Den Spendern wird indessen versprochen, dass wir ihr Geld ‚weise‘ investieren werden.“

Spenden sinnvoll einsetzen

Sue Gardners Analyse zeigt vor allem eins: Eine immer stärker wachsende Bürokratie verursacht hohe Kosten. Der Nutzen für Wikipedia ist in Relation zum finanziellen Aufwand kaum messbar. Statt in eine immer mehr Geld verschlingende Verwaltung zu investieren, sollte mehr Geld direkt in Community-Projekte fließen.

Solche Projekte fallen nicht vom Himmel. Ideen und Vorschläge müssen aus der Community selbst kommen. Doch Wikipedia leidet unter einem fundamentalen Problem: Es fehlen aktive und engagierte Autoren. Der Autorenmangel ist inzwischen zu einem der größten Risiken für das Freiwilligen-Lexikon geworden.

Korruption
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Übernimmt Google Wikipedia?

Wenn der Projektleiter der freien Wissensdatenbank WikiData zur „Datenkrake“ Google wechselt, sollte das jedem zu Denken geben.

Am 11. Juli 2013 gab der „project director“ von WikiData, Denny Vrandečić, bekannt, nach nur einem Jahr bei Wikimedia Deutschland zum umstrittenen Internet-Giganten Google zu gehen.

Eine clevere Personalentscheidung des Netzgiganten – denn Google hat ein großes Interesse an den Daten, die auf den Servern von Wikimedia lagern. Was liegt also näher, als jemanden anzuheuern, der sich mit den Wikipedia-Daten bestens auskennt.

„So what“, könnte man meinen, wir profitieren doch jeden Tag von Googles Suchmaschine. Doch es gibt kritische Wikipedianer, die befürchten, dass Wikipedia zu einer als Enzyklopädie getarnten Datenbank wird.

Einer von ihnen ist „Riggr Mortis“. Aus Protest gegen die immer stärkere Annäherung zwischen Google und Wikipedia stellte er seine jahrelange Mitarbeit beim Online-Lexikon Ende 2012 frustriert ein.

Was ist los bei Wikipedia? – ein Erklärungsversuch

Längst wird das Online-Lexikon von sog. Bots beherrscht. Das sind kleine Programme, die weitgehend selbstständig verschiedenste Routineaufgaben abarbeiten. Sie sind aus der Erstellung von Wikipedia-Artikeln heute nicht mehr wegzudenken.

Eine spezielle Art von Bots sind sog. Webcrawler, die vor allem von Suchmaschinen eingesetzt werden. Crawler suchen gezielt nach Daten. Sie werten Inhalte von Webseiten aus und speichern sie, um ein späteres Suchen in den so gesammelten Daten zu ermöglichen.

Um Daten automatisiert einsammeln zu können, benötigen Crawler Daten in strukturierter Form. Hier kommt Wikipedia ins Spiel.

Google und Wikipedia eine gefährliche Liaison

Auf den Seiten des kollaborativen Online-Lexikons gibt es weltweit rund 26,4 Millionen Artikel (Statistat: Stand April 2013). Google kann mit dieser schier gigantischen Datenmenge nur dann sinnvoll etwas anfangen, wenn die Daten strukturiert sind und in einem geeigneten Format vorliegen.

Wie schafft es Google, Wikipedias Daten zu strukturieren? Ganz einfach: Das Unternehmen finanziert ein Projekt, das genau das tut – WikiData.

Die Kosten des Datenbank-Projekts von 1,3 Millionen Euro stammen nämlich zu einem Viertel von Google. Zu den Spendern gehören auch die Gordon and Betty Moore Foundation, das Allen Institute for Artificial Intelligence sowie (seit  Juni 2013) der russische Suchmaschinenbetreiber Yandex.

Die Sache hat nur leider einen Haken: Google ist keine gemeinnützige Körperschaft. Das kalifornische Unternehmen verfolgt handfeste wirtschaftliche Interessen. Wenn das datenhungrige Unternehmen genügend Daten hat, um daraus ein eigenes Produkt bauen zu können, wird die Suchmaschine zum Konkurrenten.

„Google’s Knowledge Graph Boxes: killing Wikipedia?“ (Gregory Kohs, Wikipediocracy)

Ein Beispiel hierfür ist die Open-Content-Datenbank „Freebase“ von Metaweb Technologies, Inc. 2010 erwarb Google das Unternehmen gegen Zahlung einer öffentlich nicht bekannten Summe. Auch die im Dezember 2012 neu eingeführte semantische Suchfunktion „Knowledge Graph“ zeigt, was Google mit strukturierten Daten anstellen kann. Ein neu eingeführtes Feature, das Zusatzinformationen zur Google-Suche als Snippet anzeigt, greift ebenfalls auf Daten von Wikipedia zurück.

Wie viel Potential in WikiData steckt, ist auch den Verantwortlichen bei Yandex bewusst. In der Pressemitteilungen zur Spende (150.000 Euro) an das Projekt heißt es:

„WikiData wird die Tür zu völlig neuen Produkten und Angeboten öffnen. Man kann so eine Arbeit nicht überschätzen.“

Arbeit ist ein gutes Stichwort. Denn die eigentliche Arbeit – das Strukturieren der Daten – übernehmen Tausende freiwillige Autoren der Wikipedia. Doch wieso sollten sich ehrenamtliche Autoren ausgerechnet in den Dienst von Google & Co. stellen?

Kritischer Blick auf WikiData? Fehlanzeige.

Im Wikipedia-Artikel zu WikiData heißt es knapp, die Datenbank habe „unter anderem das Ziel, (…) Wikipedia zu unterstützen.“ Die Projektseite des Bereichs „Forschung und Entwicklung“ kommt der Wahrheit etwas näher: „WikiData hat zum Ziel, (…) Dritte zu unterstützen, die eine umfangreiche Quelle gepflegter Daten nutzen wollen.

WikiData nutzt vor allem Google und Apple, ist „Riggr Mortis“ überzeugt:

„The structured data, as with anything on Wikipedia, can be used by anyone, but it is most useful to — and more importantly, most obviously valuable to — technology companies like Google and Apple.“

Kritik an dem Projekt gibt es dennoch kaum:

Stattdessen die naive Freude über eine große, dank Bots rasant anwachsende Datenhalde. (…) Freuen kann sich eigentlich nur Google, denn die haben für ihr Geld bekommen, was sie brauchen: Daten! Inhalt und Qualität? Egal.,

kommentiert ein Leser einen Beitrag auf dem Wikimedia Blog.

Gekaufte „Schwarmintelligenz“

Die Finanzierung von WikiData ist ein cleverer Schachzug von Google. Für gerade einmal 325.000 Euro bekommt der Konzern eine üppige Gegenleistung. Das US-Unternehmen erhält nicht nur schön strukturierte Daten zum Dumping-Preis. Schon bald wird die Wiki-Datenbank um Mikroformate aus Infoboxen ergänzt.

Denn in der zweiten Phase des Projekts werden Daten wie z.B. die Einwohnerzahl eines Landes, die Länge eines Flusses oder das Geburtsdatum einer berühmten Person aus den Infoboxen aller Wikipedien an einen zentralen Speicherort überführt.

Watson, SIRI, and Google all use the infobox data.

Auf dies Weise sind Wikipedien verschiedener Sprachversionen in der Lage, Daten gemeinsam zu sammeln, zu pflegen und zu nutzen. So können beispielsweise die ID zu einem Film in der „Internet Movie Database“ oder die ISBN für ein Buch künftig zentral abgefragt und in einem Artikel genutzt werden, sobald sie jemand in WikiData hinterlegt hat.

Trotz der Vorteile nutzen zentral gespeicherte Mikroformate aus Infoboxen vor allem Watson, SIRI und Google. Watson wurde von IBM entwickelt, um Antworten auf Fragen zu geben, die digital in natürlicher Sprache eingegeben werden. Auch SIRI von Apple liefert auf Fragen des Nutzers passende Antworten.

Wer auf Google „Wie alt ist Angela Merkel?“ eingibt, erhält in Sekunden die richtige Antwort – auch das dank gespeicherter Mikroformat-Annotationen. Solche Metadaten machen es Suchmaschinen überhaupt erst möglich, die Bedeutung der Daten zu verstehen („semantisches Web„).

Alles nur noch komplizierter

WikiData geht weit über das hinaus, was eine freie Online-Enzyklopädie leisten muss – auf Kosten der Community. Denn das Mammut-Projekt schafft neue Hürden für die so dringend gebrauchten Neueinsteiger. „Marcus Cyron“ schreibt genervt:

„Wer soll denn so was nutzen können ohne Informatikstudium? Schon die Eingabe der Daten bei WikiData ist so unglaublich mühselig, dass ich in der aktuellen Form Zweifel am praktischen Wert in der Form habe. Das bleibt ein Spielzeug für eine kleine Gruppe von Eingeweihten.“

Lydia Pintscher, zuständig für die Community-Kommunikation für technische Projekte  von Wikimedia, antwortet knapp:

„Ja das ist aktuell noch recht kompliziert. Aber es sind die ersten Schritte, um es am Ende einfacher zu machen für die meisten.“

Am Ende bleibt ein äußerst fahler Beigeschmack. Natürlich bietet ein semantisches System wie WikiData den Anwendern Vorteile. Die Datenpflege wird erleichtert und das über Sprachgrenzen hinweg. Gerade kleineren Wikipedien stehen so sehr viel mehr Informationen als vorher zur Verfügung.

Am meisten jedoch profitieren Suchmaschinen wie Google und Yantex. Die Bigplayer des Internets kassieren fast umsonst den großen Fundus der ehrenamtlichen „Schwarmintelligenz„.

Wikimedia Deutschland

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Die Einführung des Visual Editors ist ein Desaster

Die kollaborative Plattform Wikipedia steht vor einer großen Herausforderung. Fast jeder nutzt die Sammlung freien Wissens. Doch die wenigsten beteiligen sich aktiv an dem Mitmach-Lexikon. Die Zahl der weltweit aktiven Autoren schrumpft auf hohem Niveau.

Mit der Einführung von zwei neuen Funktionen will die Wikimedia Foundation (WMF) den Autorenschwund stoppen. Zum einen können Artikel jetzt auch am Smartphone oder Tablet-Computer bearbeitet werden. Zum anderen wird der sog. Visual Editor eingeführt.

Ziel der neuen Bearbeitungsoberfläche ist es, Änderungen an Artikeltexten vorzunehmen, ohne die gerade für Anfänger schwierige Auszeichnungssprache Wiki-Syntax in MediaWiki verwenden zu müssen. In Zukunft soll das Schreiben von Texten in der Wikipedia ähnlich leicht sein wie beispielsweise mit Microsoft Word.

Doch das Prestigeprojekt kommt nicht in die Gänge: Wegen erheblicher Mängel wurde die Aktivierung des Editors als Standard für unangemeldete Benutzer in der deutschen Sprachversion schon zum zweiten Mal verschoben – auf unbestimmte Zeit.

„Wikipedians say no to Jimmy’s ‚buggy‘ WYSIWYG editor“ (The Register, 1. August 2013)

Auch Nutzer der englischen Wikipedia rebellieren gegen die neue Software: über 470 Benutzer sprechen sich dafür aus, die Nutzung des Visual Editors wieder als Option (“Opt-in” statt “Opt-out”) zu gestalten.

Über 700 noch offene Fehler

Wie konnte die Foundation ein so wichtiges Millionen-Projekt derart gegen die Wand fahren?

Es begann am 15. Juli 2013: Nach jahrelanger Planung wurde der Visual Editor auf der englischsprachigen Wikipedia für alle Benutzer verfügbar gemacht. Am 24. Juli wurde die neue Benutzeroberfläche in den größten Wikipedias (de, es, fr, he, it, nl, pl, ru, sv) zunächst für angemeldete Benutzer freigeschaltet. Ende Juli wurde der WYSIWYG-Editor auch für unangemeldete Benutzer freigegeben.

Doch die Kritik am neuen Tool nahm kein Ende. Nach dem niederschmetternden Ergebnis einer Blitzumfrage entschied sich die deutschsprachige (und später auch die niederländische) Wikipedia, die Einführung des Tools bis auf weiteres zu verschieben.

Ein Mitglied des Visual-Editor-Teams der WMF gab auf Bugzilla bekannt, dass die Einführung des Editors in der deutschen Wikipedia vorerst ausgesetzt und für angemeldete Benutzer wieder als „Opt-in“ zur Verfügung gestellt werde. Mehr als 450 angemeldete Benutzer hatten sich für diese Vorgehensweise in der Umfrage ausgesprochen.

Konsequent die Community ignoriert

Die Probleme sind hausgemacht. Wieder einmal hat die Foundation über die Köpfe der Community hinweg entschieden. Herausgekommen ist ein „unvollständiges, nicht performantes und fehlerbehaftetes Produkt„, das nicht einmal den Namen „Beta-Version“ verdient hat, so die weitverbreitete Meinung in der Community.

Ein Überblick über die bisher bekannten Fehler zeigt, dass die Softwareentwickler ein völlig unbrauchbare System zur Verfügung gestellt haben, das angemeldete wie unangemeldete Benutzer vergrault.

Benutzer:Gleiberg kritisiert hier völlig zu Recht:

„Wir arbeiten hier ehrenamtlich. Wenn man anhaltend mit oberflächlichen, nicht durchdachten Software-Projekten gegängelt wird und als Versuchskaninchen die Folgen ausbaden darf, ist die Motivation schnell dahin. Wenn man diese „Super-Projekte“ dann auch noch technisch aufgezwungen bekommt, kann man eigentlich nur noch die Mitarbeit einstellen. Abwahl aller gewählten Community-Vertreter, die so konsequent die Community ignorieren.“

Das Entwicklerteam hat offenbar nicht erkannt, worauf es ankommt. So ist die Benutzerführung unausgereift. Entgegen seiner Zielsetzung ist der Editor nicht sehr benutzerfreundlich. Neben der mangelhaften Usability wird der Editor immer wieder als zu langsam kritisiert. Der Wikipedia-Gemeinschaft wurde also ein Tool zur Verfügung gestellt, das noch mitten in der Entwicklung steckt.

Wer ist Schuld an diesem Desaster? Den Entwicklern des Editors wird man die Verantwortung nur schwer in die Schuhe schieben können. Projekte wie dieses sind hochkomplex. Bugs sind bis zu einem bestimmten Grad unvermeidbar.

Benutzer:W. Edlmeier sieht die Verantwortung bei der Wikimedia Foundation, die den Editor erst hätte an erfahrenen Benutzer testen sollen, bevor er auf die Community losgelassen wird.

„Für interessierte Neulinge einen technisch möglichst niedrigschwelligen Einstieg anbieten – die Idee ist an sich super. In der derzeitigen Form ist das Ding aber keine Hilfe, sondern eher eine Zumutung. Das soll kein Vorwurf an die Programmierer sein; ich weiß, wie viel Arbeit da schon drin steckt und ich bin überzeugt, dass der VE großes Potential hat – nur ist er eben noch lange nicht fertig, und das wissen die Programmierer auch. Der Vorwurf richtet sich vielmehr an die Verantwortlichen in der Foundation, die uns auf Biegen und Brechen ein unausgereiftes Tool aufs Auge drücken wollen. Insgesamt hinterlässt der VE derzeit noch einen schrecklich unprofessionellen Eindruck – und das wird potentielle Neulinge eher abschrecken.“

Doch offenbar wollte Wikimedia ein unfertiges Produkt auf „Biegen und Brechen“ durchdrücken. Wie die vielen Diskussionen zur Einführung des neuen Editors zeigen, wurde dadurch die Akzeptanz der Software in der Community stark beschädigt.

Das Deployment des Visual Editors wird als „arrogant und rücksichtslos“  wahrgenommen. Viele fragen sich, warum das die Foundation nicht vorhergesehen hat. Ist ihnen die Community egal?

Visual Editor schreckt neue Benutzer ab

Viele Benutzer befürchten, dass der „Buggy“-Editor vor allem Neulinge abschreckt.

„Gestern bei einem 10-Minuten-Edit kein Speichern möglich. Musste die Arbeit komplett verwerfen, 10-12 Minuten für die Katz! Neue Schreiber und IPs werden vielleicht keinen zweiten Versuch machen.“, schreibt Benutzer:H7 resigniert.“

Das ist keineswegs eine reine Vermutung. Das zeigt eine erste Untersuchung zu den Auswirkungen des Visual Editors auf neu registrierte Benutzer:

„Newcomers with VE enabled performed less wiki-work and spent less time editing overall. They were also marginally less likely than users with the wikitext editor to eventually save an edit.“

Die neue Software hat ihre Zielsetzung gründlich verfehlt. Es wurden keine Hürden für Neulinge beseitigt, sondern im Gegenteil neue Hürden aufgestellt – und das nach jahrelanger Entwicklungszeit.

Wikimedia muss jetzt alles tun, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Zu spät hat die Stiftung Meinungen und Sorgen der aktiven Autoren bei der Umsetzung des Visual Editors berücksichtigt.

Chefentwickler Erik Möller aka User Eloquence äußerte sich via  The Signpost zum Visual Editor. Er macht keinen Hehl daraus, die Community als Versuchskaninchen zu benutzen. Das sei an­ge­sichts der Komplexität des Projekts alternativlos. Man könne bei derart vielen Browsern, Betriebssystemen und Gerätekonfigurationen nicht alles vorher testen. Umso mehr sei man auf die Hilfe der Community angewiesen.

„We are listening, and are continuing to iterate, in partnership with you. Thanks to you for embracing change while helping us to get it right.“

Es gibt kein Zurück

Es führt kein Weg am neuen Visual Editor vorbei. Auch wenn viele etablierte Wikipedianer am liebsten ihre gewohnte Wiki-Syntax behalten wollen (Stichwort: „Die Banalisierung der Wikipedia„), irgendwann wird der Visual Editor funktionieren.

Wird er die in ihn gesteckten Hoffnungen erfüllen können? Wird der Visual Editor Heerscharen von Freiwilligen motivieren, bei Wikipedia mitzumachen? Benutzer:Aschmidt und andere sind skeptisch:

„Meine Prognose wäre, dass wir auch mit VE weiterhin unter uns bleiben werden. Das enzyklopädische Schreiben ist bei weitem nicht jedermanns Sache. Keine Essays, alles nur mit Fußnoten, und gleich kommt einer hinterher und korrigiert die Bindestriche zu Gedankenstrichen. Die Zahl der Autoren wird sich dadurch nicht erhöhen.“

Was bleibt? Die vielen Bugs waren Wikimedia bekannt. Die Foundation hätte den Start wegen der absehbaren Probleme schon viel früher verschieben sollen und das auch kommunizieren müssen.

Der Visual Editor wird es schwer haben – die Vorgehensweise der WMF hat viel Kredit verspielt. Das hätte nicht sein müssen. Geben wir dem Visual Editor trotz des holprigen Starts eine Chance.

Hi!

Der VE hat unbestreitbar Features die dem puren Quelltext-Bearbeiten bei weitem überlegen sind. Z.B. dass man beim Verlinken aus existierenden Seiten wählen kann, dass beim Einbinden von Vorlagen verfügbare Parameternamen vorgeschlagen werden (zumindest in der Theorie), dass man nicht mehr die „Vorschau“ benutzen muss, usw.

Leider haben die zuständigen Leutchen beim WMF die Einführung des VE so unprofessionell wie möglich durchgeführt. Durch das aggresive Durchdrücken eines unfertigen Produkts wurde die Akzeptanz des VEs in der Community sehr stark beschädigt. Die Community wird jetzt viel stärker auf das Können und Nicht-Können des VEs achten. Die Messlatte die der VE überspringen muss bevor er von der Mehrheit der Community re-akzeptiert wird, wurde massiv nach oben katapultiert.

Die Reaktion der Community bei solch‘ einem arroganten und rücksichtslosem Deployment des VEs ist völlig erwartbar (zumindest für mich). Ich frage mich, warum das dem WMF nicht klar war/ist. Oder ist ihnen die Community egal? Will die WMF gerade dass wir rebellieren? Vllt wollen sie uns aus unserem Alltragstrott wachschütteln 😉 ?

Das schlimmste ist, dass es nicht 3 Leutchen sind die beim WMF am VE arbeiten und in das Projekt + Deployment involviert sind. Dort gibt es einen riesen Haufen an festangestellten Programmierern und auch einen riesen Haufen an festangestellten Produktmanagern. Das erstere Gruppe sich nur ums Programmieren kümmern, somit nur den technischen Aspekt, nicht den sozialen Aspekt der Einführung des VEs betrachten, -> geschenkt. Aber der letztere Haufen „Produktmanager“ ist gigantisch groß und deren Job ist es eine reibungsfreie Einführung zu gewärleisten und zu organisieren. Dort gibt es „Director of Product Development“, „Community Liaison, Product Development and Strategic Change Management“, „Product Manager, Editor Engagement“ und noch viele viel mehr. Insgesamt 12!!! Produktmanager. Dazu gibt es noch andere Bereiche wie „Engineering Community“ (mit 4 Mitarbeitern), Qualitätssicherung mit 2 Mitarbeitern, „Analytics“ mit 7 Mitarbeitern, und „User Experience“ mit 5 Mitarbeitern. (Siehe unter „Engineering and Product Development“ -> Team. M.E. haben die alle einen grandios schlechten Job gemacht! —Svebert (Diskussion) 14:16, 27. Jul. 2013 (CEST)

Tja, das 100-Mann-Team (!) braucht halt seine Daseinsberechtigung und wird uns wahrscheinlich auch weiterhin noch mit vielen „nützlichen“ Features überhäufen. Ob die neuen Funktionen wirklich gebraucht werden, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.–Sinuhe20 (Diskussion) 14:50, 27. Jul. 2013 (CEST)
Und meiner Meinung nach würde es der Qualität deiner Beiträge gut tun, wenn du nicht, offensichtlich ohne nähere Kenntnis der genauen Abläufe, über „alle“ Mitglieder eines Teams herziehen würdest. — Pajz (Kontakt) 16:04, 27. Jul. 2013 (CEST)
  • Dass man beim Verlinken aus existierenden Seiten wählen kann: Das geht doch bereits im Quelltexteditor mit Hilfe des Linkassistenten.
  • Dass beim Einbinden von Vorlagen verfügbare Parameternamen vorgeschlagen werden (zumindest in der Theorie): Ein solcher Vorlagenassistent würde dem Quelltexteditor auch guttuen, warum gibt es soetwas bislang nur für den VE?
  • Dass man nicht mehr die „Vorschau“ benutzen muss: Es gibt doch bereits seit Langem eine Livevorschau als Opt-in, damit muss man nicht mehr auf Vorschau klicken. —Morten Haan · Wikipedia ist für Leser da 17:02, 27. Jul. 2013 (CEST)
?Watt??? Ui da habe ich ja was verpennt :D. Die Knöpfe im Quelltexteditor verwende ich gar nicht. Habe das gerade mal ausprobiert… nun weiß ich auch, warum ich beide Sachen nicht nutze: Die Live-Vorschau funktioniert nichtmal beim Einfügen eines Rotlinks und man muss vom Quelltext hochscrollen. Daher nicht vergleichbar mit der Bequemlichkeit im VE. Der Linkassistent ist ja noch nerviger als der VE: Popup geht auf und restlicher Bildschirm wird „geschwärzt“. Neee, da ist die VE Lösung 100mal besser.–Svebert (Diskussion) 17:23, 27. Jul. 2013 (CEST)

@Pajz: Du darfst auch gerne über mich herziehen… Null Problemo. Ich ziehe daher über alle her wie ich will :P–Svebert (Diskussion) 17:25, 27. Jul. 2013 (CEST)
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Wikipedia Gender Gap Revisited

Dass die Wikipedia an einer „Überdosis Testosteron“ leidet, gilt als allgemein bekannt. Studien und Umfragen scheinen dies immer wieder zu belegen. So gaben bei einer Umfrage unter Wikipedianern in 2012 nur 9 Prozent der Befragten an weiblich zu sein.

Der Hauptgrund für das Gender-Problem bei Wikipedia ist schnell zur Hand: In einer „männlich dominierten Adminschaft in der männerdominierten Wikipedia“ fühlen sich Frauen systematisch ausgegrenzt und verlieren das Interesse mitzumachen.

Wikipedia leide unter einem geschlechtsbezogenen Verzerrungseffekt („Gender Bias„). Einfach gesagt: Die Enzyklopädie wird von einer männlichen Sichtweise dominiert. Männer sind der Standard. Frauen sind fast unsichtbar.

Wie verhärtet die Fronten sind, förderte die Sexismus-Debatte im Mai 2013 zutage. Teils aggressive Maskulisten und männliche Provokateure sagten “Frauenrechtlern” den Kampf an und befeuerten die Diskussion immer wieder von Neuem. Extrempositionen prallten mit voller Wucht aufeinander und erzeugten ein Zerrbild.

„Quatsch mit den 9 Prozent“

Marcus Cyron“ zweifelte als einer der Ersten die offiziellen Zahlen zum Frauenanteil in Wikipedia an. Mit dem Satz „Ich bin es leid, den Quatsch mit den 9% zu lesen. Veraltete Zahlen, noch dazu aus einer alles andere als repräsentativen Umfrage.“ kommentierte der langjährige Wikipedianer einen Beitrag auf dem Wikimedia Blog zur Sexismus-Debatte.

Die aktuelle Studie „The Wikipedia Gender Gap Revisited“ scheint diesen Zweifel zu bestätigen. Im Kern zeigt die Studie, dass die zugrunde liegenden „Opt-In“-Umfragen ungeeignet sind, den Frauenanteil in Wikipedia zu bestimmen.

„Opt-In“-Umfragen sind solche, an den die Befragten aus eigenem Antrieb teilnehmen. Dieses Verfahren ist weit verbreitet, erzeugt aber verzerrte Ergebnisse.

Die Umfrage von 2008

Die Wissenschaftler um Benjamin Mako Hill vom MIT und Aaron Shaw vom Department of Communication Studies der Northwestern University schauten sich eine von Wikimedia in Auftrag gegebene Umfrage zur Frauenquote in Wikipedia noch einmal genauer an.

Bei dieser Umfrage von 2008 befragten Forscher der Universität der Vereinten Nationen in Maastricht („UNU-MERIT„) etwa 170.000 Nutzer und Autoren verschiedener Sprachversionen der Wikipedia via Sitenotice.

Die Umfrage ergab, dass weniger als 13 Prozent der aktiv Schreibenden weiblich sind. Ähnliche Ergebnisse lieferte eine Studie von 2011. Danach sind gerade mal 8,5 Prozent der Autoren weiblich.

Zwei Studien zur deutschsprachigen Wikipedia bestätigen das krasse Missverhältnis. Nach einer Umfrage der TU Ilmenau von 2009 sind nur sechs Prozent der Autoren Frauen. Forscher der Universität Würzburg ermittelten unter 106 aktiven Wikipedianern einen Frauenanteil von 10 Prozent.

Was dran ist an den Zahlen

Diese Zahlen sind in den Medien weit verbreitet worden. Doch wie repräsentativ sind sie? Die Autoren der Studie kritisieren im Wesentlichen zwei Dinge an der Umfrage von 2008: die sehr geringe Rücklaufquote und die Überrepräsentation von bestimmten Gruppen.

Um die Rücklaufquote beurteilen zu können, beauftragten Hill und Shaw die US-amerikanische Internet-Marktforschungsfirma Comscore. Nach deren Schätzungen stellen die Befragten nur etwa 0,4 Prozent der 45 Millionen unique visitors von Wikipedia dar.

Auch das Auswahlverfahren steht in der Kritik. Es gäbe gut belegte Zweifel in der Umfrageforschung, dass das sog. self-selected sample, die „sich selbst wählende Stichprobe„, zu nicht repräsentativen Ergebnissen führt, weil bestimmte Untergruppen der Befragten wahrscheinlicher teilnehmen als andere.

Beispielsweise waren 24,3 Prozent der Teilnehmer russische Muttersprachler, obwohl die russischsprachige Wikipedia nur 2,5 Prozent aller Leser repräsentiert. Die Studie zeigt zudem, dass der Anteil der Autoren, die weiblich, verheiratet oder Eltern sind, unterbewertet wurde, während der Anteil der Studenten überbewertet wurde.

Forscher revidieren Schätzungen zum Frauenanteil

Kritik gut und schön. Doch wie hoch ist der Frauenanteil der Autoren in Wikipedia nach den revidierten Schätzungen der Forscher?

Um das herauszufinden, griffen die Wissenschaftler auf demografische Daten aus einer repräsentativen Telefonumfrage des Pew Research Center Internet & American Life Project zurück. Das Meinungsforschungsinstitut mit Sitz in Washington schätzt, dass sich die Leserschaft von Wikipedia in den USA gleichmäßig zwischen Männern und Frauen verteilt. Im Gegensatz dazu waren nach der von Wikimedia in Auftrag gegebenen Umfrage von 2008 nur 39,9 Prozent der Leser weiblich.

Hill und Shaw kombinierten die „statistischen Zwillinge“ vom Pew Research Center mit denen der UNU-MERIT und entwickelten anhand der „propensity scores„-Methode ein Modell, um die Verzerrungseffekt der Umfrage zu minimieren.

16 Prozent der Autoren sind weiblich

Mit diesem Modell kommen die Forscher zu korrigierten Schätzungen. Danach ist der Anteil der erwachsenen weiblichen Autoren 27,5 Prozent höher als in der ursprünglichen Studie berichtet (22,7 Prozent gegenüber 17,8 Prozent). Der Anteil der weiblichen Autoren insgesamt ist 26,8 Prozent höher (16,1 Prozent gegenüber 12,7 Prozent).

Sich jetzt entspannt zurückzulehnen – nach dem Motto: ist doch alles halb so schlimm – wäre verfehlt. Denn auch die Studie „Wikipedia Gender Gap Revisited“ bestätigt das männliche Übergewicht bei den aktiven Autoren in Wikipedia.

Fazit

Die Studie zeigt exemplarisch, wie schlecht die Datenqualität im Hinblick auf bestimmte Details der Wikipedia ist. Umfragenersteller im Bereich Web-Communities sollten die Ergebnisse der Studie analysieren und bei künftigen Erhebungen berücksichtigen, um einigermaßen akzeptable Ergebnisse zu produzieren.

Für Sue Gardner, Noch-Geschäftsführerin der Wikimedia Foundation, steht das Thema Gender Gap auf der Agenda ganz oben. Der Frauenanteil soll bis 2015 auf 25 Prozent erhöht werden. Nimmt man die hier vorgestellte Studie ernst, muss sich Wikimedia ein weit höheres Ziel zur Anhebung der Frauenquote setzen.

Anmerkung: Seit Kurzem wird zu Forschungszwecken neuen Benutzern beim Neuanlegen eines Benutzeraccounts eine Frage nach dem Geschlecht gestellt. Diese kann auch unbeantwortet bleiben.

 

Im Fall von Wikipedia und dem WMF / UNU-MERIT Umfrage, finden wir Hinweise darauf, dass die Anteile der Redakteure, weiblich, verheiratet, oder die Eltern sind, wurden unterschätzt, während die Anteile von Immigranten und Studenten haben überschätzt worden. Wir finden Unterstützung bei der inhaltlichen Erkenntnis, dass weibliche Redakteure unterrepräsentiert sind – aber weniger als bei früheren Erhebungen vorgeschlagen haben. Obwohl die grundlegenden Imbissbuden in Bezug auf die Unterrepräsentation von Frauen in der WMF / UNU-MERIT Umfrage intakt bleiben, bestimmte politische Entscheidungen, wie strategisches Ziel der Wikimedia Foundation, weibliche Redaktion auf 25% zu erhöhen, können Sie im Lichte dieser bereinigten angehoben werden Schätzungen. Darüber hinaus sollten künftige Erhebungen von Wikipedia Leser und Redakteure versuchen, die zugrunde liegenden Quellen der Voreingenommenheit in dieser Studie ermittelt wurden.

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Impressumspflicht für verifizierte Benutzer in der Wikipedia?

Die sozialen Netzwerke Twitter, Facebook und Google+ sind längst ein Instrument von Marketing und PR geworden. Einer Umfrage des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft e.V. von 2012 zufolge nutzen bereits 78 Prozent der deutschen Unternehmen Social Media für strategische Zwecke.

Auch in der Wikipedia sind zahlreichen Unternehmen aktiv. Die Online-Enzyklopädie ist Gold wert für die Strategen in den Marketing-Abteilungen der großen Firmen. Die Erstellung und Optimierung von Wikipedia-Seiten wird daher zunehmend von spezialisierten Agenturen wie FleishmanHillard oder der Aufgesang Agenturgruppe übernommen.

Subtile Einflussnahme zu PR-Zwecken

In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass Wikipedia als Werbeplattform missbraucht wird. Doch Unternehmen, die dabei erwischt werden, haben schnell einen schlechten Ruf und riskieren rechtliche Konsequenzen.

Weit problematischer ist die subtile Einflussnahme auf Wikipedia zu PR-Zwecken. Immer wieder versuchen Unternehmen, Einträge über sich oder ihre Produkte zu schönen. Microsoft, Chevron-Texaco, Siemens und der Ölkonzern BP sind nur einige von vielen Unternehmen, die versucht haben, ihr Image aufzupolieren, indem sie Wikipedia manipulierten.

Wissen, wer dahinter steckt

Verhindern lässt sich das durch Transparenz. Wichtig ist, dass diese Praxis von jedem durchschaut werden kann. Leser der Wikipedia müssen in der Lage sein einzuschätzen, wie seriös der Beitrag zu einem Unternehmen ist. Sind die Informationen neutral? Oder hat es der Leser mit versteckter Promotion zu tun?

Um Transparenz herzustellen, arbeiten viele Unternehmen mit verifizierten Benutzern. Die Benutzerverifizierung gibt jedem Autoren die Möglichkeit, seine Identität gegenüber der Community zu beweisen.

Derzeit werden 1.330 Seiten in der Kategorie für verifizierte Benutzer angezeigt. Nicht alle Konten sind Unternehmen zugeordnet. Auch Einzelpersonen können sich verifizieren lassen.

Impressumspflicht für verifizierte Benutzer?

Doch reicht ein verifiziertes Konto wirklich aus, um Transparenz und damit Vertrauen zu schaffen? Sollten Unternehmen, die verifizierte Konten in Wikipedia nutzen, auf ihren Benutzerseiten zusätzliche Angaben hinterlassen? Besteht möglicherweise sogar die Pflicht, auf verifizierten Unternehmenskonten ein Impressum anzugeben?

Wie das Landgericht Aschaffenburg in seinem Urteil vom 19. August 2011 betont, besteht für Unternehmen auf ihren Seiten bei sozialen Plattformen wie Facebook und Twitter eine Impressumspflicht, wenn diese Seiten zu Marketingzwecken genutzt werden und nicht nur eine rein private Nutzung vorliegt.

Lassen sich diese Grundsätze auf verifizierte Benutzerkonten übertragen?

Die sog. Anbieterkennzeichnungspflicht ist in § 5 Telemediengesetz (TMG) geregelt. Diensteanbieter haben nach dieser Vorschrift für geschäftsmäßige, in der Regel gegen Entgelt angebotene Telemedien bestimmte Informationen über sich – z.B. Name und Adresse – leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar zu halten.

§ 5 TMG bezieht sich allein auf geschäftsmäßige Telemedien von Dienstanbietern. Im Mittepunkt stehen daher zwei Fragen: Sind die Benutzerseiten von verifizierten Unternehmens-Accounts Dienstanbieter? Was bedeutet Geschäftsmäßigkeit?

Der Begriff Diensteanbieter ist in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 TMG legaldefiniert. Dienstanbieter sind danach natürliche und juristische Personen, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithalten oder den Zugang zur Nutzung vermitteln.

Die Definition ist sehr weit gefasst. Auch derjenige, der selbst nicht über einen eigenen Server verfügt, sondern fremde Speicherkapazitäten nutzt, bietet Teledienste an, sofern er über den Inhalt und das Bereithalten des Dienstes bestimmen kann.

Diensteanbieter ist somit nicht nur der Portalbetreiber selbst. Auch Anbieter, die auf von Dritten betriebenen Plattformen gewerblich tätig sind (Beispiel: Verkäufer auf eBay), können Diensteanbieter sein. Entscheidend ist die kommunikationsbezogene Eigenständigkeit der Unterseiten innerhalb des Gesamtauftritts.

Nehmen wir das Beispiel Facebook. Inhaber von Facebook-Profilen sind entweder natürliche oder juristische Personen. Sie halten ein eigenes Telemedium bereit, auf dem sie ein eigenständiges Informationsangebot anbieten – das Profil. Sie sind daher klar als Diensteanbieter zu qualifizieren.

Ist die Benutzerseite bei Wikipedia mit einem Facebook-Profil vergleichbar?

Jeder Benutzer, der sich mit einem Benutzernamen in der Wikipedia anmeldet, erhält eine Benutzerseite, die im Wesentlichen frei gestaltet werden kann. Die Benutzerseite dient vor allem der Kommunikation mit anderen Usern.

Jede Benutzerseite hat eine Diskussionsseite, auf der Nachrichten hinterlassen und Kommentare ausgetauscht werden können. Auf den Benutzerseiten hat traditionell der jeweilige Benutzer die Gestaltungshoheit.

Auch Benutzer von Facebook verfügen über Profilseiten, auf denen sie sich vorstellen können. Auf der Pinnwand des Profils können Besucher Nachrichten hinterlassen („posten“) oder Anmerkungen veröffentlichen.

Doch anders als Facebook ist Wikipedia kein Provider für Homepages oder Webspace. Die Benutzerseiten stehen im Dienst der Enzyklopädieerstellung und -lektüre. Ob die sie eine hinreichende kommunikationsbezogene Eigenständigkeit aufweisen, ist daher eher zweifelhaft.

Gehen wir für den Moment dennoch davon aus, dass es sich bei den Benutzerseiten innerhalb der Wikipedia um eigenständige Telemedien handelt. Fraglich bliebe, ob das  Telemedium geschäftsmäßig ist und „in der Regel gegen Entgelt“ angeboten wird.

Das Merkmal der Geschäftsmäßigkeit wird im TMG nicht definiert. Nach der überwiegenden Meinung handelt ein Dienstanbieter geschäftsmäßig, wenn er Telemedien aufgrund einer nachhaltigen Tätigkeit mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht erbringt. Als nachhaltig wird eine Tätigkeit angesehen, wenn sie auf einen längeren Zeitraum ausgerichtet ist und sich nicht auf einen Einzelfall beschränkt.

So gesehen werden auch Angebote ohne Gewinnerzielungsabsicht von der Impressumspflicht erfasst. Voraussetzung ist jedoch, dass diese Angebote als eine nachhaltige Tätigkeit anzusehen sind.

Unternehmen mit einem verifizierten Benutzerkonto kann unterstellt werden, dass sie ihre Mitarbeit in der Wikipedia nicht auf einen Einzelfall beschränken wollen. Denn für eine einmalige Bearbeitung müssten sie sich nicht anmelden.

Allerdings wird das Erfordernis der Geschäftsmäßigkeit in § 5 Abs. 1 TMG durch die Formulierung „in der Regel gegen Entgelt“ konkretisiert. Sinn und Zweck der Regelung ist es, all diejenigen Anbieter zu erfassen, die ihre Website als Einstiegsmedium begreifen, mittels dessen sie dem Kunden im Ergebnis eine entgeltliche Leistung anbieten. Das ist jedenfalls bei Unternehmen der Fall, die über ihre Internetseite Produkte oder Leistungen des Unternehmens anpreisen.

Facebook bietet nicht nur Profile für Privatpersonen an, sondern auch „Fanseiten“ für Unternehmen und Marken. Diese Seiten werden zu Marketing- und PR-Zwecken genutzt, in dem sie den Bekanntheitsgrad des Unternehmens oder der Marke steigern. Es fällt schwer, Seiten wie etwa die von Microsoft nicht als geschäftsmäßig zu bezeichnen.

§ 5 TMG passt nicht auf Wikipedia

Im Falle von Wikipedia lässt sich eine Geschäftsmäßigkeit nicht so leicht begründen. Fakt ist, dass Unternehmens-Accounts in der Wikipedia für Social-Media-Marketing bzw. Public-Relations-Aktivitäten – und damit quasi-geschäftlich – genutzt werden.

Der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass die Marketingmaßnahmen innerhalb der Wikipedia nicht auf den Benutzerseiten der Unternehmen selbst stattfinden. Die Struktur der Wikipedia unterscheidet sich ganz erheblich von der Struktur sozialer Netzwerke.

Auf Facebook und Twitter treten Unternehmen und potentielle Kunden in direkten Kontakt – und zwar über ihre offizielle Seite. Die Firmen sammeln so Anregungen und Feedback, betreiben Marktforschung und machen Werbung für ihre Produkte und Dienstleistungen.

Ganz anders ist die Situation auf den Benutzerseiten verifizierter Unternehmen in der Wikipedia. Zwar ist auch hier ein direkter Kontakt zwischen den Benutzern möglich. Doch während Facebook und Twitter darauf aus sind, Menschen miteinander zu vernetzen, steht bei Wikipedia die enzyklopädische Arbeit im Vordergrund.

Anders als bei einer „Fanseite“ auf Facebook ist die Benutzerseite eines Unternehmens in Wikipedia gerade kein Einstiegsmedium, um dem Kunden mittels Werbung im Ergebnis eine entgeltliche Leistung anzubieten.

§ 5 TMG lässt sich daher nicht auf Wikipedia anwenden. Die Norm passt einfach nicht zur Struktur des Crowdsourcing-Projekts. Doch die Nutzer von Wikipedia verdienen mindestens den gleichen Schutz wie Nutzer von Facebook und Twitter.

Zusätzliche Angaben für Unternehmen

Unternehmen, die Wikipedia als Marketing-Tool benutzen, sollten daher dazu verpflichtet werden, auf ihren Benutzerseiten zusätzliche Angaben über sich zu hinterlassen.

Sehr vorbildlich ist der offizielle Wikipedia-Account von Microsoft Deutschland. Hier erfährt der Nutzer wesentlich mehr als bei vielen anderen Unternehmen:

„Dies ist der offizielle Account für Microsoft Deutschland, erstellt von Annabelle Atchison, Microsoft Deutschland Social Media Manager, betreut von Annabelle und Thomas Homolka, Communications Consultant Microsoft Deutschland GmbH. Wir wollen mit unserer Mitarbeit bei Wikipedia keine „Werbe“-Selbstdarstellung leisten, sind aber für jeden Hinweis dankbar, wo uns das nicht zu 100% gelingt. Unser Anliegen ist es, mit unserem Wissen zu verschiedenen Artikeln beizutragen und sie so zu bereichern.“

Reicht das aus? Nein! Im Interesse des Verbraucherschutzes und der Transparenz müssen auf jeder Benutzerseite eines Unternehmens, das sich aktiv an der Wikipedia beteiligt, folgende zusätzliche Angaben gemacht werden:

  • Name des Unternehmens (bzw. der PR-Agentur)
  • Anschrift sowie der Name des Vertretungsberechtigten (Vorstand, Geschäftsführer)
  • mindestens eine E-Mail-Adresse zur Kontaktaufnahme
  • Informationen zur Identität des Benutzers und seiner Position innerhalb des Unternehmens

Eure Meinung?

Jetzt seid Ihr gefragt. Was ist Eure Meinung zum Thema Kennzeichnungspflicht in der Wikipedia? Sollten Unternehmen gezwungen werden, zusätzliche Angaben auf ihren Benutzerseiten zu machen. Oder soll alles so bleiben, wie es jetzt ist?

Was sagen die Verantwortlichen bei Wikimedia? Was sollten Unternehmen und Agenturen tun, um Transparenz in der Wikipedia zu stärken?

Schreibt uns einen Kommentar. Oder meldet Euch auf Twitter oder auf Facebook bei uns!

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Das ZDF-Experiment „Faktencheck“ löst heftige Debatten aus

Pünktlich zur heißen Phase des Wahlkampfes zur Bundestagswahl startet das Zweite Deutsche Fernsehen unterstützt von Wikimedia Deutschland das Online-Projekt „Faktencheck“ und sorgt für eine Überraschung.

Das ZDF hat die Zeichen der Zeit erkannt. Nach langem Stillstand geht der Sender den digitalen Wandel an und experimentiert mit freien Inhalten. Bei der Vorstellung des Kooperations-Projekts auf der re:publica 2013 gab es dafür viel Applaus.

Die Forderung an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Inhalte unter Creative-Commons-Lizenzen offen zugänglich zu machen, ist nicht neu (siehe hier oder hier). Erste Erfahrungen hat der NDR gesammelt. Im Rahmen eines Pilotversuchs wurden 2007 ausgewählte Beiträge des Medien-Magazins Zapp und der Satire-Sendung Extra 3 unter einer CC-Lizenz zur Verfügung gestellt. Eine Übersicht zu den CC-Videos des NDR gibt es hier. Auch die Sendung „Elektrischer Reporter„, die auf dem ZDFinfokanal zu sehen ist, bietet CC-Inhalte an. Seitdem ist wenig passiert.

Kleine Schritte Richtung freie Inhalte

Nun geht der Sender aus Mainz einen weiteren Schritte in Richtung freie Inhalte. Die für die „Faktencheck“-Webseite produzierten Infografiken, Interviews und Texte werden unter der Lizenz “Creative Commons Namensnennung stehen. Die Inhalte können vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden. Abwandlungen und Bearbeitungen der Inhalte sowie die kommerzielle Nutzung sind unter Nennung des Urhebers ebenfalls zulässig.

Unter die freie Lizenz fallen nach Aussage des ZDF auch Videos. Zu diesem Zweck wurde die ZDF-Mediathek durch eine Funktion ergänzt, mit der Videos unter CC-Lizenz heruntergeladen werden können.

Und wie funktioniert der Faktencheck? Im Berliner Hauptstadtstudio des ZDF wird es bis zu zehn Redakteure geben, die Themen und Aussagen von Politikern sichten, auswählen und recherchieren. Eine Redaktion trifft also eine Vorauswahl der Fakten, die gecheckt werden sollen, vor allem um politische Einflussnahme zu verhindern.

Wikimedia Deutschland (WMDE) unterstützt das Projekt, indem der Verein die ausgewählten Aussagen von Politikern in die Wikipedia-Community einbringt und die Benutzer dazu auffordert, sie auf ihren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen.

Die Kommunikation zwischen Sender und Community übernimmt ein von WMDE gestellter „Wikipedian in Residence“. Die Ergebnisse des Community-Faktenchecks sollen im laufenden Programm und in eigenen Sendungen Eingang finden.

Scharfe Kritik am ZDF-Deal

Doch das ZDF hat sich offenbar den falschen Partner ausgesucht: Das Projekt stößt bei der Community auf wenig Gegenliebe und wird kontrovers diskutiert. Laut einer Wikipedia-Umfrage lehnt eine überwiegende Mehrheit die Kooperation ab.

Die Gründe für die Ablehnung des Projekts sind vielfältig. Kritisiert wird, dass sich die neu erstellten Inhalte kaum für die Verwendung in der Wikipedia eignen würden. Das ZDF schmücke sich mit dem guten Ruf der Crowdsourcing-Plattform. Der Nutzen für die Wikipedia gehe gegen Null. Schlesinger sorgt sich gar um den guten Ruf der Enzyklopädie:

“Denke, dass die DE-Wikipedia ihren guten Ruf nur behalten wird, wenn sie zu allem, was staatstragend, regierungsnah und lobbyistisch ist, eine gut durchdachte und weise Distanz hält.”

Andere betonen die falsche Ausrichtung des Projekts: Fakten sollten von professionellen Journalisten überprüft werden – ein Faktencheck sei die originär journalistische Aufgabe des öffentlich finanzierten Journalismus. Wikipedianer seien nicht automatisch bessere Faktenchecker. Denn nicht jeder von ihnen habe eine völlig neutrale Grundeinstellung zu politischen Themen.

Die Empörung ist auch deshalb groß, weil WMDE über die Köpfe der Community hinweg entschieden hat. Es sei eine Frechheit von Wikimedia, “ohne jede vorherige Absprache unsere Mitarbeit feilzubieten, um sich Türen bei den Öffentlich-Rechtlichen für die eigene Propaganda zu öffnen.”, meint verärgert Benutzer:Martina Nolte.

Mut zum Scheitern

Die Befürworter des Crowdsourcing-Fakten-Checks können die Aufregung nicht nachvollziehen. “Sei mutig“, lautet ihre Parole. Die Offenheit von Wikipedia habe sie zu dem gemacht, was sie heute ist. Was spreche dagegen, sich Neuem vorbehaltlos zu öffnen, etwas Neues auszuprobieren? Schließlich sei niemand gezwungen, sich “embedden” zu lassen.

„Sei Mutig! bedeutet auch Projekte zu wagen, die bei ihrem ersten Versuch scheitern können.“ (Jens Best, „Sei Mutig!“ Faktencheck Wikimedia-Communitys)

Es entstünden viele freie Inhalte, die Wikipedia gut gebrauchen kann. Einen Versuch sei es allemal wert. “Auch und vor allem, um die Freien Lizenzen tiefer im Bewusstsein der Öffentlich-Rechtlichen Anstalten zu verankern,” fügt Raymond hinzu.

Sebastian Wallroth und Jens Best, Mitglieder im Präsidium von Wikimedia, mischten sich stellvertretend für den Verein in die Diskussion ein. Sie sehen in der Wikipedia viel mehr als nur ein Projekt zum Aufbau einer Enzyklopädie.

Sie fordern: “Wikipedia muss erwachsen werden”. Die  Enzyklopädie müsse sich als Teil von etwas Größerem verstehen und sich nicht immer nur um sich selbst drehen. Wallroth plädiert für mehr Offenheit und den Mut der Community, Verantwortung zu übernehmen:

“Da draußen sind Rechts-, Bildungs- und Wertesysteme, die mit der digitalen Revolution zurecht kommen müssen. Und wenn ein paar Wikipedianer sich aufmachen, die Welt zu ändern, dann sind sie keine Abtrünnigen, sondern Botschafter. (…) Aus der gemeinschaftlichen Erstellung der größten Wissenssammlung aller Zeiten erwächst Verantwortung, vor der man sich nicht durch das Zuhalten von Augen und Ohren verstecken kann.”

Wallroth ist überzeugt, dass die Unterstützung von freien Lizenzen, freiem Wissen und neue Arten der Zusammenarbeit notwendiger Teil des Projektes sind. Best schrieb dazu in seinem umstrittenen Kurier-Beitrag “Sei Mutig!”:

“Es hat sich einiges Gutes getan seit die Wikipedia begonnen wurde. Es wird Zeit, nicht wie eine beleidigte Glucke auf dem Erreichten zu sitzen, sondern die Wikimedia und ihre Communitys als kräftigen, streitbaren und handlungswilligen Knotenpunkt im Netzwerk des richtigen Wandels zu verstehen.”

In der anschließenden Diskussion wurden Wallroth und Best teils heftig attackiert. Martin Bahmann, Kmhkmh, Aschmidt und andere kritisieren die “abgehobene” Haltung des Vereins.

Die Kernaufgabe der Wikipedia sei der Aufbau einer Enzyklopädie und nichts anderes. Die Unterstützung von freien Lizenzen, freiem Wissen und neue Arten der Zusammenarbeit seien nicht notwendiger Teil des Projektes.

Mit ihrer Haltung würde sich Wikimedia immer weiter von der Community entfernen. Benutzer:Kmhkmh fasst es so zusammen:

“Wenn WMDE-Mitglieder beim Erwachsenwerden feststellen, das Unterhalt/Förderung von WP ihnen als primäre Aufgabe nicht ausreicht, dann sollten sie ihre Selbstfindung und weitergehenden Ziele separat von WP verfolgen (im Zweifelsfall auch in einem zusätzlichen Projekt oder gar Verein) anstatt sie bei WP draufzusatteln.”

Ist das Projekt schon vor dem Start gescheitert?

Das ZDF-Projekt musste schon vor seinem Start viel Kritik einstecken. Kann es überhaupt noch ein Erfolg werden? Kommt es darauf überhaupt an?

Die Diskussion hat gezeigt, dass Wikimedia sehr aufpassen muss, sich mit Projekten wie dem ZDF-Faktencheck nicht zu sehr von der Community zu entfernen. Viele nehmen es Wikimedia Deutschland übel, die Arbeitskraft von Wikipedianern feil zu bieten, ohne eingehende Vorabprüfung und Meinungsbildung in der Community. Die Kritik ist verständlich.

Doch Konsens kann und wird es bei solchen Entscheidungen nie geben. Zu jeder einzelnen Maßnahme des Vereins wird es immer ganz unterschiedliche Auffassungen geben, Widerspruch, Diskussion. Und das ist gut so, erläutert Benutzer:Lyzzy:

“Denn nur so werden die möglicherweise unterschiedlichen Perspektiven deutlich und können bei weiteren Planungen berücksichtigt werden. Das wird ja nicht ungelesen archiviert, was hier beigetragen wird. Ich möchte allerdings auch nicht diejenigen ignoriert wissen, die sich aus ganz unterschiedlichen Gründen in solchen Diskussionen nicht zu Wort melden und die Arbeit von WMDE grundsätzlich gut heißen, auch wenn sie vielleicht nicht mit jeder Einzelentscheidung zufrieden sind. Wie in jeder dieser Diskussionen ist es auch hier zu einfach, die Beitragenden als “die Community” zu verkaufen (um diesen Aspekt auch mal von der anderen Seite aufzugreifen).“

Ob das Experiment des ZDF Erfolg hat, wird sich zeigen. Die Kooperation mit dem Bundesarchiv hat gezeigt, dass eine Zusammenarbeit mit Wikipedia besonders dann zündet, wenn sie für das Online-Nachschlagewerk von Nutzen ist. Noch lässt sich nicht abschätzen, was Wikipedia mit den ZDF-Daten am Ende wirklich anfangen kann.

Das Risiko für Wikipedia ist überschaubar. Wenn das Projekt scheitern sollte, wirkt sich das kaum auf die freie Enzyklopädie aus. Ein Erfolg aber bedeutet: Auch andere Sender könnten Gefallen finden am Experimentieren mit Open Content. Das alleine wäre schon ein großer Erfolg.

Mut zum Experiment
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Wie frei ist die „freie Enzyklopädie“ wirklich?

Die Wikipedia ist ein offenes Projekt, bei dem jeder mitarbeiten darf – theoretisch. Praktisch gibt es einige Hürden. Neulingen wird der Einstieg durch eine komplizierte Textgestaltung erschwert. Mit der neuen Bearbeitungsoberfläche “VisualEditor”, die seit dem 25. April 2013 im deutschsprachigen Raum als Alpha-Version zur Verfügung steht, hat sich die Situation verbessert. Doch nur wenige Autoren nutzen die neuen Möglichkeiten.

Zusätzlich sorgen strenge Regeln und bestimmte Algorithmen zur Prüfung neuer Lexikon-Einträge dafür, dass neue Autoren nicht mehr so lange dabei bleiben, heißt es in einer aktuellen Studie der Universität Minnesota. “Ironischerweise” hätten die Regeln, die eigentlich den Umgang mit der ständig wachsenden Informationsfülle erleichtern sollen, dazu geführt, dass die Flut neuer Beiträge abgeflaut sei.

Nicht jeder ist willkommen

Ein aktueller Streit zwischen der englischen Wikipedia und der University of Toronto macht ein weiteres Problem sichtbar: In der Online-Enzyklopädie ist offenbar nicht jeder willkommen.

Was war passiert? Ein Professor hatte 1.900 Erstsemester der Psychologie dazu aufgefordert, selbst ausgewählte Einträge zu fachbezogenen Themen zu verbessern. Es war nicht das erste Hochschulprojekt dieser Art: Bereits 2011 startete Prof. Steve Joordens ein Bildungsprogramm in der Wikipedia.

Der Anstoß dazu kam 2010 von der Wikimedia Foundation selbst. Die Idee hinter dem Bildungsprogramm: Professoren auf der ganzen Welt sollen Wikipedia als Lehrmittel in der Ausbildung verwenden. Die Foundation betreut derzeit vier Programme: in Brasilien, Kanada, Ägypten und den USA. Die University of Toronto war die erste kanadische Uni, die an dem Projekt teilnahm.

Steve Joordens hoffte, das sich Projekt für beide Seiten auszahlt: In der Wikipedia sollte das Niveau von Beiträgen zum Thema Psychologie steigen. Seinen Studenten wollte der „Professor des Jahres“ nahebringen, wie man Wissen in sozialen Netzwerken teilt.

Doch trotz der guten Absichten ging der Plan nach hinten los. Die Änderungen der Studenten wurden von den Platzhirschen des Online-Lexikons gar nicht gern gesehen. Es entbrannte eine feindselige Diskussion, deren Umfang auf über 55 DIN-A-4-Seiten angewachsen ist.

Die Grenzen der Wikipedia

Der Vorwurf der Wikipedianer ist immer der gleiche: Die Edits der Studenten seien schlecht oder enthalten plagiierte Texte und würden mehr schaden als nützen. User Colin und andere forderten dazu auf, die Benutzer-Accounts und die IP-Adressen der University of Toronto zu sperren, um den “Massen-Vandalismus” zu stoppen. Einige Benutzer schreckten offenbar auch nicht vor Cyberstalking zurück. Willkommen bei Wikipedia!

Joordens – in der Wikipedia als Benutzer:WoodSnake unterwegs, verteidigt seine Studenten. Anfängerfehler seien unvermeidbar. “Massen-Vandalismus” könne er nicht erkennen: Nur in etwa 33 der 910 bearbeiteten Artikel seien gravierende Probleme aufgetreten. Warum also diese feindselige Stimmung in der Community?

Steve Joordens, der schon seit 17 Jahren in Toronto unterrichtet, hatte sich in einem entscheidenden Punkt geirrt. Die Communitys in der Wikipedia sind wesentlich kleiner als von ihm angenommen.

Nicht ein riesiger Schwarm („Weisheit der Vielen“) entscheidet über das Wissen der Welt. Es sind kleinere Gruppen, die sich bestimmten Themen angenommen haben und diese überwachen. Diese “Clique” ist schlicht damit überfordert, Änderungen dieser Größenordnung zu verarbeiten:

“I assumed that the current core of editors was extremely large and that the introduction of up to 1000 new editors would be seen as a positive. However, the current core of editors turns out NOT to be that large, and even if my students were bringing signal along with noise, the noise was just too much to deal with on the scale it was happening. Thus what I interpreted as a resistance to Wikipedia “immigrants” was really a resistance to the sheer number of immigrants arriving at once. I was expecting too much of the current Wikipedia community, they became annoyed and frustrated and thanks to what I now view as our mutual misunderstanding of the problem, things became heated to a point I personally found somewhat ridiculous.”

Hinzukommt ein weiterer Aspekt: Kollaborative Online-Projekte wie Wikipedia brauchen Führung. Eifrige Editoren und Adminstratoren spielen dabei die Rolle des Gatekeepers. Sie korrigieren Fehler, kämpfen gegen Vandalismus und halten so die Seiten sauber. Es ist wichtig, dass es die „Wikipedia-Polizei“ gibt.

Doch das Projekt krankt an zunehmender Machtkonzentration. Da die meisten Nutzer nur passive Leser sind, und nur die wenigsten eigene Artikel verfassen, entscheidet eine kleine Elite über die Inhalte.

Der Soziologe Christian Stegbauer, der in seinem Buch „Wikipedia. Das Rätsel der Kooperation“ die internen Machtstrukturen analysiert hat, beobachtete, dass es meist sehr wenige oder sogar einzelne Personen sind, die an einem Artikel schreiben:

„Wikipedia-Artikel haben oft eine Art Besitzer, also einen Nutzer, der an der Erstellung und Optimierung des Artikels maßgeblich mitgewirkt hat. Diese Besitzer schauen ganz genau hin, wenn andere Benutzer etwas in ihrem Artikel verändern. Sehr oft passt ihnen die Änderung nicht, weswegen sie rückgängig gemacht wird“, sagte Stegbauer in einem Interview für die Main-Post.

Das Beispiel aus Kanada zeigt, dass Wikipedia an seine Grenzen stößt: Immer mehr Lehrer und Professoren wollen mit der Wikipedia zusammenarbeiten.

An vielen Schulen und Unis gehört es zum Alltag, Wikipedia als Methode der Wissensvermittlung einzusetzen. Indem Schüler und Studierende Wikipedia-Artikel verfassen, werten sie Informationen auf. Ein Nutzergruppe, deren Wert kaum zu überschätzen ist, läuft Gefahr verprellt zu werden.

Lehren aus der „Mega-Class Controversy“

Steve Joordens hat aus seinen Erfahrungen gelernt. In Zukunft wird er die Anzahl der teilnehmenden Studenten deutlich reduzieren. An der Idee des freien Wissens hält Joordens nach wie vor fest. Er ist überzeugt: „We are bringing new editors into Wikipedia.

„Of those students who did do the Wikipedia editing assignment, 32% continue to edit Wikipedia articles after the course was over. In fact, in total, 910 articles were edited for grades, and 530 were edited thereafter by students who became interested in editing Wikipedia articles.“

„I would love to continue to run these assignments because, from my perspective, they provide a great learning experience for students and they benefit Wikipedia.“

Fazit: Wissenschaftliche Erkenntnisse sind für die Wikipedia unerlässlich. Um Wissenschaftler, Studierende und Schüler für eine langfristige Mitarbeit zu gewinnen, müssen die Einstiegshürden weiter abgebaut werden.

Dazu müssen die Machtstrukturen innerhalb der Online-Enzyklopädie reformiert werden. Beim Umgang mit großen Gruppen fehlt vielen Autoren die nötige Erfahrung, oft auch die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Wichtig ist ein respektvoller Umgangston.

Unser Beispiel zeigt, dass die Beziehung zwischen Wissenschaft und Wikipedia nicht konfliktfrei ist. Die Brücke zu einer produktiveren Kollaboration ist gegenseitiges Kennenlernen und Verständnis.

Vor diesem Hintergrund ist es sehr bedauerlich,  dass die Wikimedia Foundation die bisherigen Bildungsprogramme, beispielsweise für Schulen und Universitäten, nicht mehr fortführt.

Zur Begründung hieß es knapp: „Keines der bisherigen Programme erwies sich als der durchschlagende Erfolg, den wir uns gewünscht hätten.“ So werden mühsam aufgebaute Strukturen auf Spiel gesetzt.

25 April
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Auf Wikimedia Commons lagern Hunderte Pornobilder

Mit der Idee, eine unabhängige, frei zugängliche und nicht kommerzielle Enzyklopädie zu entwickeln, hat Wikipedia die uralte Tradition des Austauschs von Wissen in das digitale Zeitalter überführt. Doch was haben Hunderte Pornobilder im freien Medienarchiv Wikimedia Commons mit der Mission des Wissensaustauschs zu tun?

Wales: „Wir waren kurz davor, in sämtlichen Medien beschuldigt zu werden, harte Pornografie zu verbreiten und nichts dagegen zu tun.“

2010 sorgte der Porno-Streit für Wirbel in der Wikipedia-Community. Jimmy Wales hatte ungefähr 400 Fotos mit erotischen Motiven – darunter Bilder von Intim-Piercings, Pornostars, Zeichnungen von Sexualpraktiken, aber auch historische Kunstwerke z.B. von Martin van Maële – löschen lassen, um damit eine seit längerem dauernde Diskussion auf eigene Faust zu beenden. Der Wikipedia-Gründer sorgte sich um das saubere Image des Online-Lexikons.

Auslöser des „Cleanup Projects“ war Wikipedia-Mitgründer Larry Sanger, der auf einer Mailingliste erklärte, dass er die Wikimedia Foundation wegen der Verbreitung von Kinderpornografie beim FBI angezeigt habe. Sanger störte sich besonders an Zeichnungen minderjähriger Mädchen in Erotik-Posen, sog. Lolicons.

Wales unterschätzte die Reaktion der Community auf die Löschaktion. Durch den „Eingriff von oben“ fühlten sich viele Wikipedianer vor den Kopf gestoßen. Etliche Benutzer warfen ihm vor, seine Machtstellung missbraucht zu haben. Eine Petition gegen Jimmy Wales war die Folge. „Jimbo“ zog Konsequenzen: Er entschuldigte sich für seine Hauruck-Aktion und gab einige Sonderrechte zurück.

Die Situation heute: pornografische Bilder en masse

Was hat sich seit 2010 geändert? Wer die richtigen Suchbegriffe eingibt, erhält Zugang zu einer sehr umfangreichen Sammlung freizügiger Bilder. Drei Schritte genügen, schon lassen sich Hunderte Bilder von (erigierten) Penissen, Ejakulationen und Vaginas auf Wikimedia Commons betrachten – vorgeblich im Auftrag der Bildung.

Doch wie viele Ejakulationen sind nötig für den Bildungsauftrag der Wikipedia? Die wievielte Masturbation muss man gesehen haben, um das Prinzip zu verstehen? Sind mehrere Dutzend pornografische Flickr-Fotos (überwiegend Fotos von jungen Prostituierten aus Afrika und Thailand) erforderlich, um das Schaffen des niederländischen Fotografen Peter Klashorst zu illustrieren?

Nach Ansicht von Michael Snow – damals Vorsitzender der Foundation, heute im Experten-Netzwerk – haben die Wikimedia-Projekte bildenden Charakter. Es gibt darin keinen Platz für Material, das keinen bildenden oder informativen Wert hat:

„(…) The Wikimedia projects are intended to be educational  in nature, and there is no place in the projects for material that has  no educational or informational value.“

So steht es auch in der Nudity-Richtlinie von Wikimedia Commons. Ziel des Medienarchivs ist es, realistische Medien für pädagogische Zwecke zur Verfügung zu stellen. Commons ist keine Amateurporno-Website (COM:PORN).

Jenseits der Schamgrenze

Doch warum werden die zahlreichen pornografischen Privatfotos nicht gelöscht? Wird die Sache nicht ernst genug genommen? Kommen die Mitarbeiter des 2010 eingeführten Sichtungsverfahrens nicht hinterher?

Es ist nicht einfach zu entscheiden, welche Medien bildenden Charakter haben und welche nicht. Auch muss zwischen Porno und Pornografie in der Kunst unterschieden werden. Auch das ist nicht immer einfach. Nicht jedem kann man es dabei recht machen. Denn jeder von uns hat eine andere Schamgrenze.

Doch zu viele der oben erwähnten Beispiele sind jenseits der Schamgrenze. Schadet es der Qualität der Wikimedia-Projekte, wenn solche Bilder gelöscht werden? Wird dadurch freies Wissen beschränkt?

Die Reaktion der Community auf das „Cleaning“ anno 2010 ist verständlich. Jimmy Wales hätte zu einer Diskussion aufrufen müssen, bevor er den Löschbutton drückt. Doch offenbar war Wales der Macht des US-Sender Fox News nicht gewachsen. Das Oberhaupt der freien Enzyklopädie fürchtete sich vor weiteren negativen Berichten.

Sein Kalkül: Statt über Pornografie in der Wikipedia würde Fox News nun über die Aufräumaktion berichten. Der Plan ging auf. Doch der Preis war hoch: Wales brach mit dem Grundgedanken der Wikipedia, die Entscheidungsgewalt in die Hände der Community zu legen.

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Anonymität im Netz: Wie das Outing von „Russavia“ einen Aufschrei auslöste

Aka, Rr2000 oder Kresspahl – anstelle des bürgerlichen Namens benutzen Editoren in der Wikipedia regelmäßig Pseudonyme. Das Recht auf Pseudonymität und Anonymität im Internet dient dem Schutz ihres Persönlichkeitsrechts. Niemand soll gezwungen sein, seinen wirklichen Namen zu nennen.

In § 13 Abs. 6 Telemediengesetz heißt es dazu:

Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. Der Nutzer ist über diese Möglichkeit zu informieren.

Dennoch kommt es vor, dass Benutzer ihre Daten selbst preisgeben, oder ihre Klarnamen auf andere Weise bekannt werden.

Rechtlich problematisch sind diejenigen Fälle, in denen ein Benutzer außerhalb der Wikipedia selbst hinreichende Hinweise auf seine Identität gibt. Seltener ist das klassische „Outing“, bei dem der Klarname eines Wikipedia-Benutzers oder sonstige Hinweise auf seine Identität ohne seine ausdrückliche Erlaubnis preisgegeben werden.

Das „Outing“ eines Benutzers verstößt nicht nur gegen die Wikiquette. Wird das Persönlichkeitsrecht auf diese Weise verletzt, stehen dem Verletzten Unterlassungs- oder Schadenersansprüche zur Seite.

Lange war das „Recht auf Anonymität“ kein großes Thema in der Community. Doch plötzlich ist das „Outing“ (siehe: Posting of personal information) wieder in der Diskussion und hat geradezu einen lawinenartigen Aufschrei in der englichen Wikipedia ausgelöst.

Wikipediocracy, Cla68 und das Outing von Russavia

Die Geschichte begann mit einem Posting von Cla68 auf der Diskussionsseite von Sue Gardner (Posting wegen Wikipedia:Oversight nicht mehr sichtbar). Dort bat der Benutzer die Geschäftsführerin der Wikimedia Foundation um eine Stellungnahme zu einem Beitrag auf Wikipediocracy, der sich kritsich mit dem Wirken eines Wikipedianers innerhalb und außerhalb der Wikipedia außeinandersetzt. In dem Artikel wird der Klarname des Benutzers veröffentlicht: Scott Bibby alias Russavia.

In dem Bericht werden hochbrisanten Details aus dem geschäftlichen Leben des Wikipedia-Admins aufgedeckt. So soll Russavia einen Artikel des Chanel-Ablegers „Coco Mademoiselle“ manipuliert haben, um die auf seinen Vater zugelassene Parfum-Vertriebsfirma zu promoten. Unter dem eBay-Account „russiansafetycards“ soll der Flugzeugliebhaber Kunden geprellt haben, indem er gekaufte Safety Instruction Cards nicht an die Käufer verschickte.

Bedenklich sind seine aufhetzerisch-nationalistischen Statements zur Internet-Meme „Polandball“ (Lemma gelöscht), für die der selbsternannte „Russophile“ für zwölf Monate gesperrt wurde (die Sperre ist inzwischen aufgehoben). Aber auch durch chauvinistische Äußerungen zum Thema sexuell eindeutige Bilder auf Wikimedia Commons fiel Russavia negativ auf.

Sperre, Oversight, Entsperrung, erneute Sperre

Die Verlinkung des Wikipediocracy-Beitrags auf der Diskussionsseite von Sue Gardner blieb nicht folgenlos: Zweiundzwanzig Stunden später wurde Cla68 durch den Benutzer: Beeblebrox wegen des vermeintlichen „Outings“ von Scott Bibby auf unbestimmte Zeit gesperrt.

Cla68 – seit Januar 2006 in der Wikipedia aktiv – war nicht bereit, diese drastische Maßnahme hinzunehmen. Er habe nur das bekannt gemacht, was im Internet oder auf öffentlichen WMF-Mailinglisten (z.B. hier und hier) ohnehin schon bekannt war. In seiner Erklärung verteidigt er sich entschieden:

„[Person] has publicly self-identified as [link to off-site page outing person|real name]. On a further note, Beeblebrox did not give me any detail on where the outing occurred. I had to look at [second off-site thread outing person] to find out why, because I knew that [person]’s real name ([real name]) was publicly acknowledged and couldn’t figure out what Beeblebrox was going on about. — User:Cla68“

Doch die Erklärung, in der Russavias Klarname erneut zu lesen war, wurde Cla68 abermals als „Outing“ ausgelegt. Ein weiterer Versuch, die Sperre rückgängig zu machen, endete schließlich damit, dass ihm der Zugang zur eigenen Diskussionsseite entzogen wurde – Cla68 wurde praktisch mundtot gemacht.

Von nun an war die Diskussion – über 100.000 Zeichen und noch kein Ende – nicht mehr aufzuhalten. Die Debatte rollte wie ein Schneeball durch die Wikipedia und machte auch vor Benutzer:Kevin nicht halt.

Der eigensinnige Wikipedianer wagte es, die Sperrung von Cla68 ohne Hinzuziehung des Schiedsgerichts aufzuheben, was zum Entzug seiner Admin-Rechte (permanent!) und zu einer weiteren, noch größeren Debatte führte.

Praktisch mundtot: Eine Beleidigung der Gerechtigkeit

War es gerecht, Cla68 auf unbestimmte Zeit zu sperren? Darf ein Benutzer von der Diskussion auf der eigenen Diskussionsseite ausgeschlossen werden? Für Benutzer:Kevin lautet die Antwort: nein. Auf Examiner.com erklärt er sein unübliches Verhalten so:

„One of the policies of Wikipedia is that blocking is only used to prevent disruptive edits, so once the threat of disruption was removed, the block became unnecessary. The other reason [for unblocking] is that [Cla68] was blocked from responding on his own talk page. All the while, discussion raged on that page about what should be done with him, of course he was unable to respond. I find this situation offends my sense of natural justice, and is one of the more obnoxious aspects of Wikipedia.“

Benutzer:Beeblebrox hingegen argumentiert mit der Privatsphäre des Betroffenen, ohne jedoch zu berücksichtigen, wie sich der Betroffene selbst auf Websiten außerhalb der Wikipedia verhalten hat. Dem internen Nachrichtenblatt der englischen Wikipedia-Gemeinschaft „Signpost“ sagte der Power-Admin (58.200 Edits, 2.234 Sperrungen):

„Whether the information is available on some other website is not the point – there has never been such an exception to the outing policy. Each of us has the right to choose not to use our real name on Wikipedia regardless of whether or not we tie [our] account name to our real name elsewhere.“

Im Spannungsverhältnis: Privatsphäre und selbstgewählte Öffentlichkeit

Doch wie soll im Einzelfall Gerechtigkeit hergestellt werden, wenn das Verhalten des Betroffenen völlig außer Acht bleibt? Cla68 dazu in der Signpost:

„Each individual Internet user is responsible for their own privacy. If someone is at least making an effort to be private, then Wikipedia should try to help them … however, the editor in question was not making much effort … to protect his privacy. In that case, it makes Wikipedia’s administration look very foolish to act like a serious violation of privacy had occurred.“

Doch die „WP:OUTING„-Policy ist streng. Ein Posting von persönlichen Informationen ist in der englischen Wikipedia generell untersagt. Der Schutz der Privatspäre steht im Vordergrund.

“Posting such information about another editor is an unjustifiable and uninvited invasion of privacy and may place that editor at risk of harm outside of their activities on Wikipedia. (…) Attempted outing is grounds for an immediate block.”

Wie das Beispiel von Wikipediocracy zeigt, kann eine solche Regelung jedoch zu sehr widersprüchlichen Ergebnissen führen:

„Suppose some clown named Pinto Colvig joins Wikipedia, creating the User name “Bozo Rules”. Now, suppose Pinto never publishes on Wikipedia his real name; on Wikipedia he always goes by Bozo Rules. Next, let’s say Pinto writes a letter to the editor of The New York Times, documenting his experiences as “Bozo Rules” on Wikipedia. The letter is “signed, Pinto Colvig”, and it gets published in the newspaper and is read by millions of readers. The next day, several Wikipedians who are fans of Pinto Colvig might be found chatting with each other on their Talk pages on Wikipedia — “Hey, did you know that User:Bozo Rules is actually Pinto Colvig? I read his letter to The New York Times!” Those editors would be in violation of Wikipedia’s policy, and they would be subject to an immediate block.“

Die Ironie der Geschichte: Jetzt weiß jeder, wer Russavia ist

Die „WP:OUTING“-Policy steht in der Kritik. Auf der Dikussionsseite wird die nahe liegende Frage aufgeworfen: „Is it ‚outing‘ if one’s Wikipedian account and real-name connection is publicly known?“

Die überzogenen Sanktionen gegen Benutzer:Cla68 und Benutzer:Kevin haben jedenfalls ihr Ziel verfehlt. Sie dienten dem Schutz der Anonymität von Russavia. Erreicht haben sie das genaue Gegenteil: Jetzt weiß jeder, wer Russavia ist!

ne of the policies of Wikipedia is that blocking is only used to prevent disruptive edits, so once the threat of disruption was removed, the block became unnecessary. The other reason [for unblocking] is that [Cla68] was blocked from responding on his own talk page. All the while, discussion raged on that page about what should be done with him, of course he was unable to respond. I find this situation offends my sense of natural justice, and is one of the more obnoxious aspects of Wikipedia.
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