Wikipedia – Beute der Querdenker?

Grundrechtseinschränkungen, Homeoffice, Schulschließungen und der blitzschnelle Rollout einer noch nie dagewesenen Impfstofftechnologie. Der Covid-19-Virus hat das Leben in Deutschland für fast drei Jahre massiv verändert. Was hat er mir der Wikipedia angestellt?

Wikipedia ist immer dort gut, wo ein kleiner, aber fähiger Kreis an Autoren konstruktiv zusammenarbeitet. Je kontroverser ein Thema ist, desto größere Vorsicht ist bei den zugehörigen Wikipedia-Artikeln zu wahren. Extrempositionen sollen nach den Regeln der Wikipedia keinen Platz haben, sondern der neutral point of view. Dieser Kunstbegriff stellt den Anspruch der Wikipedianer dar, einen enzyklopädisch neutralen Konsens zu finden und diesen in Artikeln zu kommunizieren. Je extremer jedoch die Meinungsunterschiede zwischen Autoren sind, desto fragwürdiger werden Artikel. Resultat solcher Streitigkeiten zwischen Autoren sind dann der Austausch von Unhöflichkeiten auf der Diskussionsseite von Artikeln, gegenseitige Löschungen von Textpassagen („Edit-War“) und das Setzen von sogenannten Wartungsbausteinen. Wie kaum ein anderes Thema kann anhand der Artikel zur Coronapandemie geprüft werden, wie gut das Prinzip des neutral point of view bei konfliktgeladenen Themen funktioniert.

An dieser Stelle sei ein kurzer Einschub erlaubt: Bitte überfliegen Sie zu jedem Wikipedia-Artikel, den Sie öffnen, zumindest kurz die Diskussionsseite. Wie lang ist die Diskussion? Ist der Schreibstil der Diskutierenden nüchtern-sachlich oder emotional-aufgeheizt? Wenn Ihnen etwas „spanisch“ vorkommt, schauen Sie sich die Belege an, die für Artikeländerungen vorgeschlagen werden! Zumindest die aktuellsten Diskussionen sind einfach einsehbar. Nutzen Sie diese Möglichkeit und werden Sie kritischer Beobachter! … und lassen Sie sich nicht vom Abkürzungsdeutsch erfahrener Autoren verwirren …

Biontech war als innovativer Impfstoffhersteller und Hochtechnologieunternehmen aus Deutschland eine Schlüsselfigur in der Bekämpfung der Pandemie. Noch schneller, als der Impfstoff entwickelt, produziert und ausgeliefert wurde, verbreiteten Verschwörungsgläubige Fehlinformationen. Die beiden gefährlichsten waren, dass das Virus weniger gefährlich sei als die Impfung und dass die Impfung gar keinen Schutz biete. Zwar ist in beiden Behauptungen ein wahrer Kern enthalten. Denn Impfschäden passieren bei jedem Impfstoff und die Impfung musste mehrfach aufgefrischt werden, um dauerhaften Schutz zu bieten. Jedoch halten Sie einer evidenzbasierten Überprüfung nicht im mindesten Stand. Haben solche Behauptungen Einzug in den Wikipedia-Artikel zu Biontech oder Comirnaty gefunden?

Auf der Diskussionsseite des Biontech-Artikels betrifft die kontroverseste Diskussion einen Vertrag zwischen Pfizer/Biontech und der Bundesrepublik Deutschland. Diese verpflichtet sich darin, den Impfstoffhersteller für zehn Jahre von allen Schadensersatzforderungen wegen Impfschäden freizustellen. Der Hinweis wurde schnell wieder aus dem Artikel entfernt und es folgte eine kurze Diskussion, über die Relevanz dieser Tatsache.

Fakt ist: § 60 des Infektionsschutzgesetzes regelt bereits seit dem Jahr 2000, dass die Bundesregierung Betroffene von Impfschäden entschädigt. Eine Sonderregelung für Biontech/Pfizer ist also beim besten Willen nicht erkennbar.

Fazit: Schön wäre gewesen, wenn die Autoren an dieser Stelle nicht versucht hätten, einen Kompromiss zu finden, indem Sie die scharfe Aussage des ursprünglichen Autors zusammenkürzen und ohne Kontext in den Artikel stellen. Sie hätten einen Verweis auf das Infektionsschutzgesetz nennen und dort § 60 InfSchG erläutern können. Sie hätten den ursprünglichen Autor genauso gut mit diesem Faktum konfrontieren können. Dieser hätte dadurch die Gelegenheit gehabt, die Relevanz seiner Textpassage zur Diskussion zu stellen. Verschwörungserzählungen waren hier nicht zu sehen, unprofessionelles und oberflächliches Schreiben aber schon.

Der Wikipedia-Artikel zu Covid-19-Impfstoffen begrüßt die Leser mit dem sinnvollen Hinweis, dass sich die Informationen zu den neuen Impfstoffen schnell ändern können. Ein guter Anfang!

Auf der Diskussionsseite braucht man nicht lang zu suchen und man stößt auf Diskussionen zum „Post-Vac Syndrom“. Autoren ohne Anmeldung nennen Fernsehberichte als Evidenz für vermehrt auftretende Impfschäden und schlagen vor, gleich eine ganze Kategorie zu Impfschäden anzulegen. Angemeldete Autoren fragen sachlich nach einer belastbaren Quelle für die dargelegte Behauptung und verweisen darauf, dass keine Fachpublikation bekannt ist, die den vom Erstautor genannten Trend bestätigt. Ein weiterer Autor schaltet sich ein und zitiert einen Bericht des Paul-Ehrlich-Instituts für Impfstoffe zu Impfkomplikationen. Der Abschnitt wird diesem Bericht bestmöglich angepasst.

Fazit: Ein klarer Versuch, einen unsachlichen Blick in einen sonst eher sachlichen Artikel einzubringen, wird abgewehrt und durch eine vertrauenswürdige Quelle ersetzt.

Gleichzeitig findet sich unter dem Punkt „Weniger Long COVID durch Impfung“ eine kleine Recherche zu medizinischen Studien zum Thema. Ein anderer Autor erklärt sachlich, welche Studien als Quelle taugen und welche den Anforderungen der Wikipedia nicht genügen. Zur besseren Laienfreundlichkeit verlinkt er diese Kriterien auch genau dort, wo er sie verletzt sieht. Im Laufe der Diskussion finden beide höherwertige Quellen und einigen sich darauf, diese zu nutzen.

Fazit: Fakten- und regelbasierte Diskussion mit konstruktivem Ausgang.

Der eher positive Eindruck, den die Diskussionsseite macht, trübt der letzte Eintrag. Ein Autor verabschiedet sich aus der Mitarbeit. Seine Gründe habe er an die Wikipedia-Redaktion für Medizin gepostet. Dieser Post ist nicht auffindbar. Warum distanziert sich der Autor und warum ist es so schwer für Außenstehende, solche Debatten nachzuvollziehen.

Zusammenfassend zeigt die Stichprobe, dass Wikipedia die Corona-Pandemie robust verarbeitet hat. Allerdings bleibt ein bitterer Nachgeschmack, der leider Wikipedia-typisch ist.

  • Ein neutraler Standpunkt bestimmt sich bei Wikipedia auch immer daran, wie extrem die Meinungen sind, die vertreten werden. Der Konsens von Empirie und Forschung kann ganz andere Ergebnisse präsentieren.
  • Wikipedia ist sehr unterschiedlich. Wo einerseits halb gare Informationen lustlos zusammengestückelt werden, findet sich auf anderen Diskussionsseiten ein reger fachlich fundierter Austausch.
  • Wikipedia ist zugleich pseudo-transparent. Sie gibt vor, gläsern zu sein. Diksusionen, die besonders kontrovers sind sind jedoch gut versteckt. Leser können sie daher fast nie nachvollziehen.

Wir von Wiki-Watch folgern daraus, dass Wikipedia ein Portal ist, dass nicht zuverlässig genug ist. Es basiert auf Annahmen, die in den wenigsten Fällen zuverlässig funktionieren, in den meisten mittelmäßig und in einigen grottenschlecht. Qualität ist oft ein Zufallsprodukt. Wer wirklich wissen will, welche Konflikte, in der Wikipedia ausgetragen werden und wurden, muss sich in eine Benutzeroberfläche und ein Ordnungssystem einarbeiten, das einem Heimwerkerforum der frühen 2000er-Jahre entspricht. Benutzerfreundlichkeit ist hier aber kein nettes Upgrade, sondern essenziell, um wirkliche Transparenz darzustellen. Eine Annäherung daran bietet unsere Wiki-Watch Suchmaschine. Probieren Sie es gerne mal aus!

 

 

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4 Antworten zu Wikipedia – Beute der Querdenker?

  1. Jakob sagt:

    Ich fürchte, das mit der Wikipedia ist inzwischen hoffnungslos, zu viele dubiose und finstere Akteure haben ihre Finger im Spiel: https://swprs.org/wikipedia-eine-desinformations-operation/

    • Hagu sagt:

      Ihre These, dass die Wikipedia hoffnungslos verloren ist, lässt sich nicht von der Hand weisen. Ich bitte Sie im Sinne einer größeren Seriösität darum, hier keine Blogs zu zitieren, die noch nicht mal das Impressumsgebot nach § 18 MStV einhalten.

      Freundliche Grüße

      Gunnar Hamann

  2. Tobias Stuwe sagt:

    Ist es nicht köstlich, dass mittlerweile wissenschaftlich klar belegt ist, dass der angebliche „Impfstoff“ keine sterile Immunität bietet? Ein Novum für ein Vakzin. Ich lache heute noch über die Impflemminge. Egal ob sie bei Wikipedia oder sonst wo in Erscheinung treten.

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