Worum geht es?
Wikimedia schwimmt im Geld. Das liegt auch daran, dass Tech-Giganten wie Google jedes Jahr Millionenbeträge an Wikipedia spenden. Wikimedia macht sich außerdem schon lange dafür stark, dass Inhalte, die durch öffentliche Mittel finanziert werden, grundsätzlich über die „creative commons“ Lizenzen der Wikimedia frei verfügbar gemacht werden.
Wikimedia bereichert sich?
Die Wikimedia Foundation ist traditionell hervorragend darin, Geld einzuwerben. Die Spendenziele der Wikipedia werden durch sehr viele kleine und einige gewaltige Spenden jedes Jahr problemlos erfüllt. Wikimedia sammelt dabei ein Vielfaches dessen ein, was nötig ist, um die technische Infrastruktur aller Wikipedia-Ausgaben zu betreiben und auf dem aktuellsten Stand zu halten. Der Rest der Spenden verteilt sich auf die Förderung von Nebenprojekten, wie Wikimedia Commons, die Förderung kleiner Wikipedias, und weniger bekannt: Kampagnen und Lobbyismus. Und last but not least eine jedes Jahr steigende Rücklage von aktuell 231 (!) Millionen Dollar.
Dabei hat die Wikimedia Foundation seit Ihrer Gründung jedes Jahr deutlich mehr Geld eingenommen, als sie ausgab. Im vergangenen Jahr lag der Überschuss mit 50 Millionen Dollar besonders hoch. Bis heute ist nicht bekannt, wofür die Wikimedia so viel mehr Geld hortet, als sie ausgibt. Der Vorwurf, dass die Wikimedia sich bereichert, ist daher zumindest nicht abwegig.
Hinzu kommt, dass die Wikimedia Foundation mit Ihrem Projekt Wikimedia Enterprise erstmals Zugang zu ihren Inhalten gegen Zahlung von Geld anbietet. (Eine detaillierte Auseinandersetzung mit diesem Projekt folgt im nächsten Artikel) Die Wikimedia Foundation versucht also, Geld mit den in den Wikipedia-Projekten gesammelten Inhalten zu verdienen.
Auf Kosten der Dokumentarfilmer?
Nun wird sich der geneigte Leser fragen:
Was ist so falsch daran, dass Wikimedia versucht, die Tech-Giganten für die Nutzung von Wikimedia Inhalten bezahlen zu lassen?
David Bernet setzt genau hier an und wirft Wikimedia vor, die Plattform mit Filmbeiträgen aufzuwerten zu wollen, die für ARD, ZDF u. a. produziert wurden, kostenlos den Kunden der Wikimedia Enterprise API zur Verfügung zu stellen, ohne dafür eine angemessene Gegenleistung in Form einer Lizenzgebühr zu zahlen. Als Interessenvertreter von Dokumentarfilmproduzenten ist es die Aufgabe von David Bernet, deren finanzielle Interessen zu schützen.
Das Prinzip, dass derjenige, der einen Inhalt nutzen möchte, dafür auch zu zahlen hat, ist uralt. Geistige Leistungen, wie die Produktion von Texten, Filmen oder Musik können nur dann stattfinden, wenn diejenigen, die Sie schaffen, auch davon leben können. Das war schon immer so und wird auch so bleiben. Für die Nutzer von Dokumentarfilmbeiträgen wie etwa Schulen und Universitäten ist es daher, so Bernet, auch üblich, dass diese über Lizenzvereinbarungen etwas für die Nutzung dieser Inhalte zahlen. Wikimedia möchte das nicht tun und diese Inhalte kostenfrei ins Netz stellen, respektive sie sogar aktiv von Rechten „befreien“. Auch wenn die scharfe Kritik des Herrn Bernet – kraft seines Amtes – interessengeleitet ist, wirft er eine wichtige Frage auf:
Wer zahlt für die Erschaffung geistiger Inhalte und wer profitiert davon?
Fast alle Inhalte aller Wikimedia Projekte wurden von Freiwilligen erstellt. Die Wikimedia Foundation ist hervorragend darin, den eigenen Stiftungsapparat und das eigene Festgeldkonto mit Spenden für genau diese Projekte zu finanzieren. Diese Spendenkampagnen suggerieren, dass sie der Erhaltung von Wikipedia dienen. Ein substanzieller Teil dieser Spenden dient jedoch den fragwürdigen Kampagnen der Wikimedia Foundation und nicht zuletzt ihrem Festgeldkonto. Es ist also nichts Neues, die Wikimedia Foundation mit Inhalten Überschüsse erzielt, zu deren Erstellung sie nur wenig bis gar nichts beigetragen hat.
Doch dieser Fall liegt anders. Die Dokumentarfilmer sind keine Freiwilligen, die neben ihrem Brotberuf, oder weil sie schon in Rente sind, etwas in eine Online-Enzyklopädie schreiben. Sie sind professionelle Kulturschaffende, die ein gewisses Maß an materieller Sicherheit benötigen, um diese Arbeit vernünftig auszuführen. Sie haben sich nicht freiwillig gemeldet, um kostenlos die Inhaltsmaschine Wikimedia zu füttern, sondern sollen durch die Hintertür dazu gezwungen werden.
Denkt man die Forderung der Wikimedia Foundation danach, dass alle aus Mitteln der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten finanzierten Dokumentarfilme unter die creative commons Lizenz gestellt werden sollen zu Ende, heißt das eins: Jemand anders soll die Rechnung bezahlen. Der Wikimedia ist es gleich, ob das die Sender und damit letztlich die Beitragszahler sind oder die Dokumentarfilmer, die in prekäre Verhältnisse gedrückt werden. Niemand kann erklären, warum, Dokumentarfilme auf Wikimedia veröffentlicht werden müssen, wenn dies bereits auf den Mediatheken von ZDF und ARD allgemein zugänglich geschieht.
Christian Humborg, geschäftsführender Vorstand von Wikimedia Deutschland sieht das etwas anders. Sinngemäß zusammen gefasst sieht er die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten in der Verantwortung, Filmschaffende ausreichend zu bezahlen, damit diese auch ohne Lizenzeinnahmen von ihrer Arbeit leben können. Dabei vergisst er zu erwähnen, dass Wikimedia mit Dienstleistungen rund um gemeinfreie Inhalte auch aus Wikimedia Commons Geld verdienen möchte. Außerdem stellt er recht vereinfacht die öffentlich-rechtlichen Medien als große Institution dar, die ja nur besser zahlen müsse. Als Quintessenz aus den Aussagen Humborgs lässt sich Folgendes lesen:
Alle sollen Zugriff haben, Wikimedia soll rund um diesen Zugriff Dienstleistungen verkaufen und die Inhalte sollen die Rundfunkgebühren finanzieren. Auch hier zeigt sich das problematische und interessengeleitete Verhältnis der Wikimedia zum Geld. Sie nimmt es gerne ein unter dem Banner des freien Wissens und gibt am Ende nur einen sehr geringen Teil für dasselbe freie Wissen aus. Personalkosten, Lobbyismus und das jährlich anschwellende Festgeldkonto der Wikimedia Foundation verschlingen den größten Teil der Spenden an Wikimedia.
Fazit
Die Wikimedia Foundation sucht nach einem neuen großen Aufhänger, um weiterhin als Organisation relevant zu sein. Wikipedia ist zwar groß und wird viel genutzt, jedoch auch ein Projekt, dass aufgrund seiner Schwächen, wie unter anderem Autorenmangel, vergifteter Diskussionskultur und mangelnder Basisdemokratie oft schlechte Presse generiert.
Warum wird bei der Wikimedia Foundation nicht alles darangesetzt, Wikipedia zu reparieren und den gordischen Knoten ihrer sich gegenseitig verstärkenden Probleme zu durchschlagen? Statt zu versuchen, fremde Inhalte zu verscherbeln, sollte die Wikimedia Foundation mehr Wert darauflegen, eigene Inhalte zu erstellen. Vereinfachungen der Benutzeroberfläche, professionelle Fachredaktionen und Drängen auf echte Basisdemokratie (verpflichtende Wiederwahl und Amtszeitbegrenzungen der Admins, Wahlbenachrichtigung an alle Nutzer rechtzeitig vor der Wahl etc. pp.) sind notwendige Bedingungen, um das Projekt Wikipedia überlebensfähig zu machen. Wikimedia hilft dem Projekt mit ihrer Kampagne kein bisschen.