Künstliche Intelligenz in Wikipedia: Chancen und Risiken

Wikipedia ist eine der größten und beliebtesten Enzyklopädien der Welt. Sie wird von Millionen von Menschen täglich genutzt, um Informationen zu verschiedenen Themen zu finden. In den vergangenen Jahren wird zunehmend künstliche Intelligenz (KI) eingesetzt, um Wikipedia zu verbessern. Kann sie schon jetzt einen echten Vorteil bieten oder ist Wikipedia weiter auf immer weniger werdende Autoren angewiesen?

Chancen von KI in Wikipedia

Eine der größten Chancen von KI in Wikipedia ist die Verbesserung der Qualität der Artikel. KI-Systeme können Texte analysieren und erkennen, ob die Rechtschreibung korrekt ist und genügend Nachweise vorhanden sind. Eine inhaltliche Überprüfung auf oder gar die Einhaltung der Neutralität können generative Sprachmodelle nicht leisten. Es ist bis dato auch kein Programm bekannt, dass Texte außer Grammatik, Satzbau und Stil auch auf faktische Richtigkeit und Neutralität untersucht. An dieser Stelle könnten Wikimedia seine enormen finanziellen Mittel dazu einsetzen, um Fortschritte zu erzielen.

Eine weitere Chance von KI in Wikipedia ist die schnellere Erstellung von Artikeln. KI-Systeme können Texte aus anderen Quellen wie Zeitungen, Büchern und Websites – sofern dem keine Urheberrechte entgegenstehen – automatisch in Wikipedia übernehmen. Dadurch kann die Erstellung von neuen Artikeln deutlich beschleunigt werden.

KI kann auch verwendet werden, um neue Funktionen für Wikipedia zu entwickeln. KI-Systeme können etwa verwendet werden, um Artikel zu übersetzen, Artikel zu bewerten oder Artikel zu empfehlen. Dadurch kann Wikipedia für die Benutzer attraktiver und nutzerfreundlicher werden.

Risiken von KI in Wikipedia

Der Einsatz von KI in Wikipedia birgt auch Risiken. Eine der größten Risiken ist, dass die meisten generativen Sprachmodelle wie ChatGPT oder BARD mit Trainingsdaten auch, aus der Wikipedia trainiert wurden. Es ist unklar, ob eine so trainierte KI in der Lage ist, kritisch mit ihren eigenen Trainingsdaten umzugehen. Wenn diese Daten nicht repräsentativ für die reale Welt sind, können KI-Systeme Fehler machen.

Ein weiteres Risiko ist, dass KI-Systeme nicht in der Lage sind, die Neutralität der Artikel zu gewährleisten. KI-Systeme können Texte generieren, die von den Vorurteilen der Entwickler geprägt sind. Dies kann dazu führen, dass Artikel in Wikipedia einseitig oder unfair sind.

Zusätzlich passiert es bei allen generativen Sprachmodellen, dass sie Passagen, die der Realität entsprechen, mit frei erfunden Passagen vermischen. Diese Modelle berechnen – aufs Einfachste heruntergebrochen – die Antwort, die ein Mensch als sprachlich real empfinden würde. Fakten und Neutralität sind dort keine Kategorie. Hier könnte das Training einer Korrektur-KI ansetzen. Eine Aufgabe, bei der die Wikimedia einen echten Mehrwert für das Projekt Wikipedia generieren könnte.

Künstliche Intelligenz funktioniert dort besonders gut, wo es logische, klar formulierte Regeln gibt. Die hat die Wikipedia zwar theoretisch schon, Sie werden jedoch oft willkürlich interpretiert. An dieser Stelle kann KI nicht helfen.

Fazit

Der Einsatz von KI in Wikipedia birgt sowohl Chancen als auch Risiken. Es ist wichtig, die Chancen und Risiken sorgfältig abzuwägen, bevor man KI in Wikipedia einsetzt. Wenn KI-Systeme richtig und vor allem für den Nutzer transparent eingesetzt werden, können sie dazu beitragen, die Qualität der Artikel in Wikipedia zu verbessern, Artikel schneller zu erstellen und neue Funktionen für Wikipedia zu entwickeln. Dabei sollte man sich allerdings stets der Risiken bewusst zu sein, die mit dem Einsatz von KI in Wikipedia verbunden sind, und ihnen entgegenwirken.

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Wikipedia – Beute der Querdenker?

Grundrechtseinschränkungen, Homeoffice, Schulschließungen und der blitzschnelle Rollout einer noch nie dagewesenen Impfstofftechnologie. Der Covid-19-Virus hat das Leben in Deutschland für fast drei Jahre massiv verändert. Was hat er mir der Wikipedia angestellt?

Wikipedia ist immer dort gut, wo ein kleiner, aber fähiger Kreis an Autoren konstruktiv zusammenarbeitet. Je kontroverser ein Thema ist, desto größere Vorsicht ist bei den zugehörigen Wikipedia-Artikeln zu wahren. Extrempositionen sollen nach den Regeln der Wikipedia keinen Platz haben, sondern der neutral point of view. Dieser Kunstbegriff stellt den Anspruch der Wikipedianer dar, einen enzyklopädisch neutralen Konsens zu finden und diesen in Artikeln zu kommunizieren. Je extremer jedoch die Meinungsunterschiede zwischen Autoren sind, desto fragwürdiger werden Artikel. Resultat solcher Streitigkeiten zwischen Autoren sind dann der Austausch von Unhöflichkeiten auf der Diskussionsseite von Artikeln, gegenseitige Löschungen von Textpassagen („Edit-War“) und das Setzen von sogenannten Wartungsbausteinen. Wie kaum ein anderes Thema kann anhand der Artikel zur Coronapandemie geprüft werden, wie gut das Prinzip des neutral point of view bei konfliktgeladenen Themen funktioniert.

An dieser Stelle sei ein kurzer Einschub erlaubt: Bitte überfliegen Sie zu jedem Wikipedia-Artikel, den Sie öffnen, zumindest kurz die Diskussionsseite. Wie lang ist die Diskussion? Ist der Schreibstil der Diskutierenden nüchtern-sachlich oder emotional-aufgeheizt? Wenn Ihnen etwas „spanisch“ vorkommt, schauen Sie sich die Belege an, die für Artikeländerungen vorgeschlagen werden! Zumindest die aktuellsten Diskussionen sind einfach einsehbar. Nutzen Sie diese Möglichkeit und werden Sie kritischer Beobachter! … und lassen Sie sich nicht vom Abkürzungsdeutsch erfahrener Autoren verwirren …

Biontech war als innovativer Impfstoffhersteller und Hochtechnologieunternehmen aus Deutschland eine Schlüsselfigur in der Bekämpfung der Pandemie. Noch schneller, als der Impfstoff entwickelt, produziert und ausgeliefert wurde, verbreiteten Verschwörungsgläubige Fehlinformationen. Die beiden gefährlichsten waren, dass das Virus weniger gefährlich sei als die Impfung und dass die Impfung gar keinen Schutz biete. Zwar ist in beiden Behauptungen ein wahrer Kern enthalten. Denn Impfschäden passieren bei jedem Impfstoff und die Impfung musste mehrfach aufgefrischt werden, um dauerhaften Schutz zu bieten. Jedoch halten Sie einer evidenzbasierten Überprüfung nicht im mindesten Stand. Haben solche Behauptungen Einzug in den Wikipedia-Artikel zu Biontech oder Comirnaty gefunden?

Auf der Diskussionsseite des Biontech-Artikels betrifft die kontroverseste Diskussion einen Vertrag zwischen Pfizer/Biontech und der Bundesrepublik Deutschland. Diese verpflichtet sich darin, den Impfstoffhersteller für zehn Jahre von allen Schadensersatzforderungen wegen Impfschäden freizustellen. Der Hinweis wurde schnell wieder aus dem Artikel entfernt und es folgte eine kurze Diskussion, über die Relevanz dieser Tatsache.

Fakt ist: § 60 des Infektionsschutzgesetzes regelt bereits seit dem Jahr 2000, dass die Bundesregierung Betroffene von Impfschäden entschädigt. Eine Sonderregelung für Biontech/Pfizer ist also beim besten Willen nicht erkennbar.

Fazit: Schön wäre gewesen, wenn die Autoren an dieser Stelle nicht versucht hätten, einen Kompromiss zu finden, indem Sie die scharfe Aussage des ursprünglichen Autors zusammenkürzen und ohne Kontext in den Artikel stellen. Sie hätten einen Verweis auf das Infektionsschutzgesetz nennen und dort § 60 InfSchG erläutern können. Sie hätten den ursprünglichen Autor genauso gut mit diesem Faktum konfrontieren können. Dieser hätte dadurch die Gelegenheit gehabt, die Relevanz seiner Textpassage zur Diskussion zu stellen. Verschwörungserzählungen waren hier nicht zu sehen, unprofessionelles und oberflächliches Schreiben aber schon.

Der Wikipedia-Artikel zu Covid-19-Impfstoffen begrüßt die Leser mit dem sinnvollen Hinweis, dass sich die Informationen zu den neuen Impfstoffen schnell ändern können. Ein guter Anfang!

Auf der Diskussionsseite braucht man nicht lang zu suchen und man stößt auf Diskussionen zum „Post-Vac Syndrom“. Autoren ohne Anmeldung nennen Fernsehberichte als Evidenz für vermehrt auftretende Impfschäden und schlagen vor, gleich eine ganze Kategorie zu Impfschäden anzulegen. Angemeldete Autoren fragen sachlich nach einer belastbaren Quelle für die dargelegte Behauptung und verweisen darauf, dass keine Fachpublikation bekannt ist, die den vom Erstautor genannten Trend bestätigt. Ein weiterer Autor schaltet sich ein und zitiert einen Bericht des Paul-Ehrlich-Instituts für Impfstoffe zu Impfkomplikationen. Der Abschnitt wird diesem Bericht bestmöglich angepasst.

Fazit: Ein klarer Versuch, einen unsachlichen Blick in einen sonst eher sachlichen Artikel einzubringen, wird abgewehrt und durch eine vertrauenswürdige Quelle ersetzt.

Gleichzeitig findet sich unter dem Punkt „Weniger Long COVID durch Impfung“ eine kleine Recherche zu medizinischen Studien zum Thema. Ein anderer Autor erklärt sachlich, welche Studien als Quelle taugen und welche den Anforderungen der Wikipedia nicht genügen. Zur besseren Laienfreundlichkeit verlinkt er diese Kriterien auch genau dort, wo er sie verletzt sieht. Im Laufe der Diskussion finden beide höherwertige Quellen und einigen sich darauf, diese zu nutzen.

Fazit: Fakten- und regelbasierte Diskussion mit konstruktivem Ausgang.

Der eher positive Eindruck, den die Diskussionsseite macht, trübt der letzte Eintrag. Ein Autor verabschiedet sich aus der Mitarbeit. Seine Gründe habe er an die Wikipedia-Redaktion für Medizin gepostet. Dieser Post ist nicht auffindbar. Warum distanziert sich der Autor und warum ist es so schwer für Außenstehende, solche Debatten nachzuvollziehen.

Zusammenfassend zeigt die Stichprobe, dass Wikipedia die Corona-Pandemie robust verarbeitet hat. Allerdings bleibt ein bitterer Nachgeschmack, der leider Wikipedia-typisch ist.

  • Ein neutraler Standpunkt bestimmt sich bei Wikipedia auch immer daran, wie extrem die Meinungen sind, die vertreten werden. Der Konsens von Empirie und Forschung kann ganz andere Ergebnisse präsentieren.
  • Wikipedia ist sehr unterschiedlich. Wo einerseits halb gare Informationen lustlos zusammengestückelt werden, findet sich auf anderen Diskussionsseiten ein reger fachlich fundierter Austausch.
  • Wikipedia ist zugleich pseudo-transparent. Sie gibt vor, gläsern zu sein. Diksusionen, die besonders kontrovers sind sind jedoch gut versteckt. Leser können sie daher fast nie nachvollziehen.

Wir von Wiki-Watch folgern daraus, dass Wikipedia ein Portal ist, dass nicht zuverlässig genug ist. Es basiert auf Annahmen, die in den wenigsten Fällen zuverlässig funktionieren, in den meisten mittelmäßig und in einigen grottenschlecht. Qualität ist oft ein Zufallsprodukt. Wer wirklich wissen will, welche Konflikte, in der Wikipedia ausgetragen werden und wurden, muss sich in eine Benutzeroberfläche und ein Ordnungssystem einarbeiten, das einem Heimwerkerforum der frühen 2000er-Jahre entspricht. Benutzerfreundlichkeit ist hier aber kein nettes Upgrade, sondern essenziell, um wirkliche Transparenz darzustellen. Eine Annäherung daran bietet unsere Wiki-Watch Suchmaschine. Probieren Sie es gerne mal aus!

 

 

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Offener Brief von Prof. Dr. Heinrich Zankl

Offener Brief

 

Gibt es bei der deutschsprachigen Wikipedia frauenfeindliche und vielleicht sogar rassistische Tendenzen?

 

2021 hat die deutsche Wikipedia ihren 20. Geburtstag gefeiert und ist in den Medien vielfach sehr positiv beurteilt worden. Der Unterzeichner hat aber in letzter Zeit eher dunkle Seiten kennengelernt, die er hier öffentlich adressieren will.

 

Es ist leider eine Tatsache, dass Frauen bei Wikipedia sehr stark unterrepräsentiert sind. Die Relevanzregeln für Artikel wurden hauptsächlich von Männern für Männer aufgestellt und sie überwachen auch sehr intensiv, dass diese hoch bürokratischen Regeln eingehalten werden. Das führt oft dazu, dass sogar über sehr bedeutende Frauen lange keine Artikel geschrieben werden. Beispielsweise gab es über die Physikerin Donna Strickland keinen Wikipediaartikel, bevor sie 2018 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Ähnliches gilt für Özlem Türeci, die Mitbegründerin der weltweit bekannten Firma Biontech.

 

Noch schlimmer wird die Situation dadurch, dass es bei Artikeln über Frauen auffällig oft zu heftigen Diskussionen darüber kommt, ob sie bedeutend genug sind und nicht selten wird auch ein bereits bestehender Artikel wieder gelöscht. Der Unterzeichner hat den Eindruck gewonnen, dass es bei Wikipedia einzelne Personen, vielleicht sogar organisierte Gruppen gibt, die geradezu „Jagd“ auf Frauenartikel machen. Zur Begründung von Löschanträgen werden dabei die Relevanzkriterien entsprechend zurechtgebogen. Aktiviert man gleichzeitig ein paar gleich gesinnte Personen, die den Antrag unterstützen, ist der Artikel faktisch nicht mehr zu retten. Wie weit manche Antifrauen-Aktivisten dabei gehen, zeigte sich kürzlich, als zur Begründung des Löschantrags für einen Artikel über eine promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin auch ihr Aussehen angeführt wurde und ein sogenannter „Ententest“ gemacht worden ist. Da die Frau aus Afrika stammt, kann man durchaus auch einen rassistischen Hintergrund für den Löschantrag vermuten. Der Artikel ist inzwischen auch tatsächlich gelöscht worden, wobei sogar die übliche Löschfrist nicht eingehalten wurde. Auch der Wikipedia-Benutzeraccount der Frau wurde mit einer völlig unverständlichen Begründung gelöscht. Dem Autor des Artikels über die Wissenschaftlerin wurde unterstellt, er habe ihn in ihrem Auftrag geschrieben.

 

Erstaunlicherweise werden bei einem anderen Frauentyp nur selten Löschanträge gestellt. So finden sich etliche Artikel in der deutschen Wikipedia über Pornodarstellerinnen, deren enzyklopädische Bedeutung dem Autor dieses offenen Briefes ziemlich rätselhaft ist. Auch bei Filmen scheint man bei der deutschen Wikipedia merkwürdige Vorstellungen von Relevanz zu haben. Denn beispielsweise wurde der Artikel über den Pornofilm „Mei Hos’ ist in Heidelberg geblieben“ auch nicht zur Löschung vorgeschlagen.

 

Angesichts dieser Vorkommnisse fordert der Unterzeichner die Verantwortlichen bei der deutschen Wikipedia und dem Trägerverein Wikimedia auf, die Relevanz- und Löschregeln zu überarbeiten, um möglicherweise vorhandenen frauenfeindlichen und rassistischen Tendenzen entgegen zu wirken. Insbesondere sollte es nicht mehr möglich sein, dass einzelne Personen Artikel einfach löschen oder willkürlich nach ihren eigenen Vorstellungen verändern. Stattdessen könnte man einen Vermerk einführen, der auf evtl. vorhandene Mängel hinweist, die der Autor möglichst selbst beseitigen sollte. Die sehr bürokratischen Relevanzregeln müssten stark vereinfacht oder noch besser ganz gestrichen werden. Die englischen Wikipedia kommt ohne sie aus und ist sicher nicht schlechter als die deutsche Version.

 

Professor Dr. Heinrich Zankl, Homburg/Saar, E-Mail: h.zankl@zankl.org

 

 

 

 

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Wikimedia kommerzialisiert das Gemeinwohl? – Was ist dran an dem Vorwurf?

Worum geht es?

Wikimedia schwimmt im Geld. Das liegt auch daran, dass Tech-Giganten wie Google jedes Jahr Millionenbeträge an Wikipedia spenden. Wikimedia macht sich außerdem schon lange dafür stark, dass Inhalte, die durch öffentliche Mittel finanziert werden, grundsätzlich über die „creative commons“ Lizenzen der Wikimedia frei verfügbar gemacht werden.

Wikimedia bereichert sich?
Die Wikimedia Foundation ist traditionell hervorragend darin, Geld einzuwerben. Die Spendenziele der Wikipedia werden durch sehr viele kleine und einige gewaltige Spenden jedes Jahr problemlos erfüllt. Wikimedia sammelt dabei ein Vielfaches dessen ein, was nötig ist, um die technische Infrastruktur aller Wikipedia-Ausgaben zu betreiben und auf dem aktuellsten Stand zu halten. Der Rest der Spenden verteilt sich auf die Förderung von Nebenprojekten, wie Wikimedia Commons, die Förderung kleiner Wikipedias, und weniger bekannt: Kampagnen und Lobbyismus. Und last but not least eine jedes Jahr steigende Rücklage von aktuell 231 (!) Millionen Dollar.

Dabei hat die Wikimedia Foundation seit Ihrer Gründung jedes Jahr deutlich mehr Geld eingenommen, als sie ausgab. Im vergangenen Jahr lag der Überschuss mit 50 Millionen Dollar besonders hoch. Bis heute ist nicht bekannt, wofür die Wikimedia so viel mehr Geld hortet, als sie ausgibt. Der Vorwurf, dass die Wikimedia sich bereichert, ist daher zumindest nicht abwegig.

Hinzu kommt, dass die Wikimedia Foundation mit Ihrem Projekt Wikimedia Enterprise erstmals Zugang zu ihren Inhalten gegen Zahlung von Geld anbietet. (Eine detaillierte Auseinandersetzung mit diesem Projekt folgt im nächsten Artikel) Die Wikimedia Foundation versucht also, Geld mit den in den Wikipedia-Projekten gesammelten Inhalten zu verdienen.

Auf Kosten der Dokumentarfilmer?
Nun wird sich der geneigte Leser fragen:

Was ist so falsch daran, dass Wikimedia versucht, die Tech-Giganten für die Nutzung von Wikimedia Inhalten bezahlen zu lassen?

David Bernet setzt genau hier an und wirft Wikimedia vor, die Plattform mit Filmbeiträgen aufzuwerten zu wollen, die für ARD, ZDF u. a. produziert wurden, kostenlos den Kunden der Wikimedia Enterprise API zur Verfügung zu stellen, ohne dafür eine angemessene Gegenleistung in Form einer Lizenzgebühr zu zahlen. Als Interessenvertreter von Dokumentarfilmproduzenten ist es die Aufgabe von David Bernet, deren finanzielle Interessen zu schützen.

Das Prinzip, dass derjenige, der einen Inhalt nutzen möchte, dafür auch zu zahlen hat, ist uralt. Geistige Leistungen, wie die Produktion von Texten, Filmen oder Musik können nur dann stattfinden, wenn diejenigen, die Sie schaffen, auch davon leben können. Das war schon immer so und wird auch so bleiben. Für die Nutzer von Dokumentarfilmbeiträgen wie etwa Schulen und Universitäten ist es daher, so Bernet, auch üblich, dass diese über Lizenzvereinbarungen etwas für die Nutzung dieser Inhalte zahlen. Wikimedia möchte das nicht tun und diese Inhalte kostenfrei ins Netz stellen, respektive sie sogar aktiv von Rechten „befreien“. Auch wenn die scharfe Kritik des Herrn Bernet – kraft seines Amtes – interessengeleitet ist, wirft er eine wichtige Frage auf:

Wer zahlt für die Erschaffung geistiger Inhalte und wer profitiert davon?

Fast alle Inhalte aller Wikimedia Projekte wurden von Freiwilligen erstellt. Die Wikimedia Foundation ist hervorragend darin, den eigenen Stiftungsapparat und das eigene Festgeldkonto mit Spenden für genau diese Projekte zu finanzieren. Diese Spendenkampagnen suggerieren, dass sie der Erhaltung von Wikipedia dienen. Ein substanzieller Teil dieser Spenden dient jedoch den fragwürdigen Kampagnen der Wikimedia Foundation und nicht zuletzt ihrem Festgeldkonto. Es ist also nichts Neues, die Wikimedia Foundation mit Inhalten Überschüsse erzielt, zu deren Erstellung sie nur wenig bis gar nichts beigetragen hat.

Doch dieser Fall liegt anders. Die Dokumentarfilmer sind keine Freiwilligen, die neben ihrem Brotberuf, oder weil sie schon in Rente sind, etwas in eine Online-Enzyklopädie schreiben. Sie sind professionelle Kulturschaffende, die ein gewisses Maß an materieller Sicherheit benötigen, um diese Arbeit vernünftig auszuführen. Sie haben sich nicht freiwillig gemeldet, um kostenlos die Inhaltsmaschine Wikimedia zu füttern, sondern sollen durch die Hintertür dazu gezwungen werden.

Denkt man die Forderung der Wikimedia Foundation danach, dass alle aus Mitteln der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten finanzierten Dokumentarfilme unter die creative commons Lizenz gestellt werden sollen zu Ende, heißt das eins: Jemand anders soll die Rechnung bezahlen. Der Wikimedia ist es gleich, ob das die Sender und damit letztlich die Beitragszahler sind oder die Dokumentarfilmer, die in prekäre Verhältnisse gedrückt werden. Niemand kann erklären, warum, Dokumentarfilme auf Wikimedia veröffentlicht werden müssen, wenn dies bereits auf den Mediatheken von ZDF und ARD allgemein zugänglich geschieht.

Christian Humborg, geschäftsführender Vorstand von Wikimedia Deutschland sieht das etwas anders. Sinngemäß zusammen gefasst sieht er die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten in der Verantwortung, Filmschaffende ausreichend zu bezahlen, damit diese auch ohne Lizenzeinnahmen von ihrer Arbeit leben können. Dabei vergisst er zu erwähnen, dass Wikimedia mit Dienstleistungen rund um gemeinfreie Inhalte auch aus Wikimedia Commons Geld verdienen möchte. Außerdem stellt er recht vereinfacht die öffentlich-rechtlichen Medien als große Institution dar, die ja nur besser zahlen müsse. Als Quintessenz aus den Aussagen Humborgs lässt sich Folgendes lesen:

Alle sollen Zugriff haben, Wikimedia soll rund um diesen Zugriff Dienstleistungen verkaufen und die Inhalte sollen die Rundfunkgebühren finanzieren. Auch hier zeigt sich das problematische und interessengeleitete Verhältnis der Wikimedia zum Geld. Sie nimmt es gerne ein unter dem Banner des freien Wissens und gibt am Ende nur einen sehr geringen Teil für dasselbe freie Wissen aus. Personalkosten, Lobbyismus und das jährlich anschwellende Festgeldkonto der Wikimedia Foundation verschlingen den größten Teil der Spenden an Wikimedia.

Fazit

Die Wikimedia Foundation sucht nach einem neuen großen Aufhänger, um weiterhin als Organisation relevant zu sein. Wikipedia ist zwar groß und wird viel genutzt, jedoch auch ein Projekt, dass aufgrund seiner Schwächen, wie unter anderem Autorenmangel, vergifteter Diskussionskultur und mangelnder Basisdemokratie oft schlechte Presse generiert.

Warum wird bei der Wikimedia Foundation nicht alles darangesetzt, Wikipedia zu reparieren und den gordischen Knoten ihrer sich gegenseitig verstärkenden Probleme zu durchschlagen? Statt zu versuchen, fremde Inhalte zu verscherbeln, sollte die Wikimedia Foundation mehr Wert darauflegen, eigene Inhalte zu erstellen. Vereinfachungen der Benutzeroberfläche, professionelle Fachredaktionen und Drängen auf echte Basisdemokratie (verpflichtende Wiederwahl und Amtszeitbegrenzungen der Admins, Wahlbenachrichtigung an alle Nutzer rechtzeitig vor der Wahl etc. pp.) sind notwendige Bedingungen, um das Projekt Wikipedia überlebensfähig zu machen. Wikimedia hilft dem Projekt mit ihrer Kampagne kein bisschen.

 

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Der Zustand ist schlecht, besteht noch Hoffnung für das Kommunikationsklima in Wikipedia? – Ergebnisse einer spannenden Stichprobenstudie

Der Umgangston auf Wikipedia ist zu rau und vergrault insbesondere neue aber auch viele erfahrene Autoren. Das ist keine Neuigkeit, sondern ein altbekanntes Problem der Wikipedia.

Die Wikipedia selber hat zu diesem Thema einige Initiativen aber noch keine ambitionierten oder vielversprechenden Lösungsansätze gefunden. So kommt es, dass die vergiftete Diskussionskultur in Wikipedia noch immer ein großer Hemmschuh für ihre Qualitätssicherung und -steigerung ist.

Wikimedia hat, um diesen Themenkomplex anzugehen, eine kleine Studie beauftragt. Dort wurden zehn Autoren der Wikipedia in qualitativen Interviews zu ihren Erfahrungen mit Kommunikation in der Wikipedia und wie man diese positiver gestalten kann, befragt.

In dieser recht kleinen Stichprobe finden sich die Probleme (S. 6-7) in der Kommunikation unmissverständlich wieder, die Wikipedia-Kritiker und Wikipedianer selbst seit Jahren thematisieren:

  • kommentarloses Löschen von neuen Artikeln
  • Wiki-Hounding und Doxing von Autoren
  • Stalking von Autoren

Wie bei allem in der Wikipedia, ist auch Hintergrundwissen notwendig, um diese Vorwürfe zu verstehen.

Artikel kommentarlos zu löschen ist grundsätzlich schlecht, weil den Autoren die Möglichkeit vorenthalten wird, eventuell vorhandene Mängel zu beseitigen und den Artikel zu verbessern, damit er anschließend nicht gelöscht wird.

Die Phänomene Wiki-Hounding, Doxing und Stalking treten in der Wikipedia häufig zusammen auf. Sie haben das Ziel, Autoren, die aus der Sicht anderer Autoren missliebige Meinungen in der Wikipedia vertreten, einzuschüchtern. Die „missliebigen Autoren“ sollen so davon abgehalten werden, ihre Standpunkte in gewisse Wikipedia-Diskussionen einzubringen. Das beginnt damit, dass diesen Autoren gefolgt wird und bei all Ihren Edits oder Artikeln kritische Anmerkungen gepostet werden. Die nächste Stufe ist, dass Dokumente zu diesen Autoren online geleakt und die Autoren so ihrer Anonymität beraubt werden. Als letzte Stufe kommt es auch vor, dass die Autoren in sozialen Medien oder sogar außerhalb des World Wide Webs beleidigt werden und in ihrem sozialen Umfeld unwahre Informationen gestreut werden, um sie zu diffamieren.

Weiterhin kritisieren die Befragten die hohen Eintrittshürden der Wikipedia. Das Mentorenprogramm sei sehr nützlich, es sei aber Zufall, ob man darauf stoße oder nicht (S.16). Die unüberschaubar große Menge an formalen Regeln und die oft willkürlich Auslegung der anderen Regeln wie z.B. Relevanzkriterien erschwere die Arbeit von Autoren zusätzlich (S.18). Dieser Befund und die Kritik an der Anfänger-unfreundlichen Benutzeroberfläche der Wikipedia ist auch von uns bei Wiki-Watch häufig kritisiert worden.

Die Studienteilnehmer kritisierten auch ein undurchsichtiges aber sehr hartnäckiges und schwer zu durchdringendes Netzwerk von Alt-Wikipedianern. Diese würden den Einstieg in die Wikipedia häufig erschweren, indem sie durch rüden Umgangston und übertriebene Kritik an geringen Fehlern ein Klima der Aggression schaffen würden. Auch diese Beobachtung teilen wir bei Wiki-Watch vollständig, denn wir haben sie schon oft beschrieben.

Viele der Befragten beschreiben Strategien im Umgang mit diesen Nutzern, die sich im Großen und Ganzen auf Vermeiden, Ausweichen und Ignorieren beschränken. Spannenderweise beklagen die befragten Autoren, dass viele Wikipedianer, anstatt die Struktur der Wikipedia verändern zu wollen, neuen Autoren raten, sich ein dickes Fell zuzulegen.

Wikipedia scheint aus sich heraus reformunfähig zu sein. Autoren, die Probleme erkannt haben, versuchen schon gar nicht mehr, Probleme an der Wurzel anzupacken und zu lösen. Sie haben erkannt, dass das offensichtlich so gut wie immer aussichtslos ist, und konzentrieren sich stattdessen auf ihre eigene Arbeit an Artikeln.

Die Studie erschöpft sich nicht nur in der Beschreibung von Missständen. Die Befragten hatten auch Gelegenheit, Verbesserungsvorschläge zu machen.

Dabei kamen ganz interessante Ansätze zustande. Ein Aussteiger-Management und die häufigere Nutzung des vorhanden Instruments Vermittlungsausschuss fielen dabei am meisten auf. Befragte äußerten auch den Wunsch, dass Wikipedia künftig einfacher zu bedienen ist.

Fazit:

Zu aller erst ein Kompliment an Wikimedia: Sie hat ein strukturelles Problem der deutschen Wikipedia erkannt und versucht, es auf wissenschaftlich fundiertem Weg zu beschreiben und Lösungsansätze dafür zu finden.

Die Befragten wurden teilweise ausgewählt, weil sie sich wegen schlechter Erfahrungen mit Wikipedia an Wikimedia gewandt hatten. Es scheint also so, als ob man hier ein möglichst ungeschminktes Lagebild zeichnen wollte. Es gibt keinen Grund, die Methodik oder das Studiendesign zu kritisieren. Die Durchführenden haben präzise und nach wissenschaftlichen Standards gearbeitet.

Die Frage ist nun, was einerseits Wikimedia und andererseits die Wikipedia-Community mit diesem Resultat machen. Zu Recht weisen die Autoren der Erhebung  darauf hin, dass sie nur einen Einstieg geleistet haben und vertiefte Forschung zwingend notwendig ist.

Eine größere Stichprobe und praktische Anwendung der Verbesserungsvorschläge, die dann gleichzeitig wissenschaftlich begleitet werden, wären der nächste Schritt. Wenn Wikimedia diesen nicht geht, verhallt dieser spannende Ansatz ohne nachhaltige Wirkung. Es bleibt zu hoffen, dass die in großen Teilen reformunfähige Wikipedia den großen Wurf wagt, statt in einer Wagenburg-Mentalität ohne bedeutende Veränderungen weiterzumachen.

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Die Causa Feliks – Verursacht der Wikipedianer im Alleingang eine neue Rechtsprechung?

Der kontrovers agierende Wikipedia Autor Feliks, fiel schon häufiger dadurch auf, dass er mit missionarischem Eifer Wikipedia-Artikel von Personen bearbeitete, die andere politische Ansicht hatten, als er.

Wohl auch deshalb gelang es einer Wiener Recherchegruppe, gerichtlich durchzusetzen, dessen Identität zu lüften und öffentlich zu verbreiten. Deshalb war es auch möglich, das hier behandelte Verfahren zu beginnen.

Kurz zusammengefasst hat Feliks in einem Artikel über einen isländischen Komponisten unwahre, verzerrende und sozial herabwürdigende Passagen eingearbeitet und den Artikel „bewacht“. Das heißt, er hat versucht, die von Ihm geschriebene Negative Tendenz des Artikels beizubehalten. Dadurch verletzte er das Persönlichkeitsrecht des Komponisten.
Über den Autor Feliks wurde bereits viel diskutiert, insbesondere seine Methoden, politischen Ansichten und den persönlichen Werdegang. Welche Grundsätze die Rechtsprechung bei der Bewertung von Feliks „Werk“ entwickelt, ist viel interessanter als die Debatte um Feliks.

Das Oberlandesgericht Hamburg beschloss, dass sich der Wikipedia Autor Feliks nicht auf Anonymitätsschutz berufen kann.
Dieser stehe zwar grundsätzlich jedem Wikipedia-Autor zu. Jedoch gelte das nicht für politische und/oder religiöse Themen. Das Gericht stellte dabei vor allem auf die erhebliche Breitenwirkung von Wikipedia und den Anschein besonderer Objektivität von Wikipedia-Artikeln ab. Dieser basiere vor allem darauf, dass die Autoren im Rahmen der sogenannten Schwarmintelligenz Artikel ständig überprüften. Daher sei es durchaus wichtig zu erfahren, wer diese Artikel konkret bearbeitet.

Vereinfacht gesagt: Gerade bei besonders brisanten und sensiblen Themen besteht der Anonymitätsschutz von Wikipedia-Autoren unter bestimmten Umständen nicht. Gerade dadurch, dass eine höhere Gerichtsinstanz wie das OLG Hamburg dieses Faktum benennt, bekommt es eine besondere Bedeutung.

Aufbauend auf dieser Rechtsprechung verklagte ein isländischer Komponist Feliks vor dem Landgericht Koblenz (Landgericht Koblenz, Urteil vom 14.01.2021 – 9 O 80/20) auf Schadensersatz, weil dieser ihn in einem Wikipedia-Artikel systematisch diffamiert und herabgewürdigt hatte. Da Wikipedia-Artikel zu einer Person fast immer der erste Treffer bei Google seien und zusätzlich in einer Infobox am rechten Rand der Suchergebnisse wiedergegeben würden, würde Artikeln zu bekannten Personen große Breitenwirkung zukommen. Das Gericht sprach dem Komponisten dafür in erster Instanz eine Geldentschädigung von 8.000 € zu.

Nach dem LG Koblenz kann ein Betroffener bei bekanntem Klarnamen des Wikipedia-Autors vom Autor direkt eine Geldentschädigung verlangen, die bei stark negativen verzerrten Darstellungen der Person eine erhebliche Höhe erreichen kann. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die unmittelbare Geltendmachung und Durchsetzung einer Geldentschädigung entspricht aber den allgemein geltenden rechtlichen Standards. Spannend dürfte lediglich sein, ob das Berufungsgericht die Höhe der Geldentschädigung noch verändert.

Daraus folgt: Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf Wikipedia können auch ohne den Rechtsweg über die USA unterbunden werden. Dafür muss nur der Klarname des verletzenden Wikipedia-Autors ermittelt werden. Im Falle von Feliks geschah das aufgrund journalistischer Recherche. Diese dürfte Betroffenen regelmäßig nicht zur Verfügung stehen.

Wikimedia e.V. sollte deshalb verpflichtet werden, bei der Wikimedia Foundation auf die Deanonymisierung der fraglichen Autoren hinzuwirken. Die deutsche Wikimedia vertritt Wikipedia in Deutschland bereits häufig in Prozessen. Sie wirbt durch Spendenkampagnen jedes Jahr große Summen ein. Daher sollte sie auch verantwortlich dafür sein, dass deutsche Wikipedianer keine fremden Rechte verletzen. Außerdem wäre sie als Organisation ohne Frage in der Lage, unberechtigt angegriffenen Wikipedia Autoren Rechtsschutz zu gewähren. Der von Wikipedianern ersichtlich befürchteten Gefahr, dass die Deanonymisierung faktisch zum Zensurwerkzeug würde, könnte so wirksam begegnet werden.

Fazit:
Viel zu lange gab es keinen effektiven Rechtsschutz gegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen auf Wikipedia. Die Entscheidungen des OLG Hamburg und des LG Koblenz dürften den Anfang vom Ende dieses Zustands darstellen. Wikimedia e.V. sollte deshalb im eigenen Interesse endlich die volle rechtliche Verantwortung für die deutsche Wikipedia übernehmen. Ohne deren Inhalte würde Wikimedia nicht jedes Jahr mehrere Millionen Euro an Spendengeldern erhalten.
Wünschenswert wäre es natürlich, wenn Autoren der deutschsprachigen Wikipedia den Mut hätten, ihre Klarnamen zu nennen. Da man sich nicht mehr unter dem Schutz der Anonymität im Ton vergreifen kann, würde sich allein dadurch der oftmals rüde Ton der Wikipedianer weitgehend erübrigen und Wikipedia für neue Editoren (m/w/d) wieder attraktiv werden.

 

Hinweis: Das OLG Koblenz hat in der Berufung zu diesem Verfahrem am 31.01.2022 deutliche Änderungen am Urteil des LG Koblenz vorgenommen. Wiki-Watch wird darüber berichten, sobald uns die Entscheidung im Volltext vorliegt.

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Der 20. Geburtstag von Wikipedia – Gut aufgestellt für die nächsten zwanzig Jahre?

Am 15. Januar 2021 feiert Wikipedia seinen zwanzigsten Geburtstag. Ein guter Zeitpunkt für uns, um sich Gedanken über die Zukunft von Wikipedia zu machen.

Qualität der Wikipedia

Ein Projekt von Freiwilligen, dass das Wissen der Welt sammelt und frei verfügbar macht. Dieser hehre Anspruch soll bei Wikipedia durch die Arbeit vieler Autoren verwirklicht werden. Schwarmintelligenz nennen die Wikipedianer das. Eine Qualifikation für das Thema, über das der Autor schreibt, muss er nicht nachweisen. Fehler sollen durch eine große Menge an Bearbeitern beseitigt werden. Das war bei klassischen Enzyklopädien noch anders. Hier arbeiteten ausgewiesene Experten auf ihrem jeweiligen Feld an Artikeln, die wiederum nochmals vor der Veröffentlichung gegengelesen wurden.
Der normale Nutzer nutzt Wikipedia jedoch genauso wie eine Enzyklopädie und hinterfragt ihre Inhalte nicht. Belegt wird das unter anderem durch den großen Unterschied zwischen den Zugriffszahlen einzelner Artikel und der dazugehörigen Diskussionsseiten.

Selbst wenn Nutzer das Zustandekommen von Artikeln hinterfragen wollen, sehen Sie auf den Diskussionsseiten oft nur Ausschnitte aus Diskussionen und nicht die vollständige Geschichte eines Artikels. Hinzu kommt, dass die Benutzeroberfläche und die Abläufe der Wikipedia für Laien zu kompliziert sind. Sie müssen sich mehr oder weniger darauf verlassen, dass in der Wikipedia kein Unfug steht.

Das ist allerdings nicht selten der Fall. Ein signifikantes Beispiel für Fehler in Wikipedia ist der englischsprachige Wikipedia-Artikel zum Warschauer Ghetto im Zweiten Weltkrieg. 15 Jahre lang hielt sich dort die Behauptung, dass es im Konzentrationslager Warschau ein Vernichtungslager gegeben haben soll. Das war erwiesenermaßen falsch! Dabei handelte es sich nicht um ein harmloses Redaktionsversehen, sondern um die Einflussnahme polnischer Nationalisten. Seit den siebziger Jahren lancieren diese die erwiesenermaßen falsche Behauptung, in Warschau seien während des Zweiten Weltkriegs hunderttausende nichtjüdische Polen vergast worden. Experten auf dem Gebiet der Geschichte des Zweiten Weltkriegs hätten diese Geschichtsfälschung leicht enttarnt und entfernt. Dem überaus größeren Autoren-Schwarm der Wikipedia gelang das eineinhalb Jahrzehnte lang nicht.

Eine Institution der Wikipedia, die gerade in einem solchen Fall hätte einschreiten müssen, sind die Administratoren. Diese fallen jedoch häufig dadurch auf, dass Sie keine besonders große Fachkompetenz in dem von ihnen verwalteten Sachgebiet aufweisen. Das verwundert nicht, wenn man sich anschaut, wie man in das Amt eines Administrators gelangt. Diese werden durch die Wikipedia Nutzer gewählt. Die Anzahl der abgegebenen Stimmen ist dabei häufig noch sehr viel niedriger, als die sowieso schon geringe Anzahl der aktiven Wikipedia Nutzer. Administratoren sind also diejenigen, die den Beliebtheitswettbewerb in einem sehr kleinen Zirkel von Wikipedianutzern gewonnen haben. Das ist die einzig notwendige Qualifikation, um das größte und beliebteste Lexikon der Welt auf fachliche Fehler zu überprüfen.

Wikipedia und das Geld

Jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit bittet Wikipedia ihre Nutzer um Spenden. Dabei wurden in Deutschland allein im Jahr 2020 8.700.000. € generiert. Diese Spenden gehen in Deutschland an den Wikimedia e.V., der sie wie alle anderen Wikimedia-Vereine der Welt an die Wikimedia Foundation weiterreicht, damit diese im Anschluss verteilt werden können.
Die Wikipedia wirkt in ihren Spendenaufrufen grundsätzlich sehr bedürftig. Das Vermögen der Wikimedia Foundation ist allerdings in den letzten zehn Jahren im Mittel um 15 Millionen Dollar pro Jahr gewachsen und betrug 2019 stolze 165 Millionen Dollar.
Obwohl diese Diskrepanz schon zum 15. Geburtstag der Wikipedia beschrieben wurde, setzte sich der Trend ungebrochen fort. Die Wikimedia Foundation nimmt unverändert jedes Jahr deutlich mehr Geld ein, als Sie ausgibt. Da sie nur durch Spenden finanziert wird, sammelt die Wikipedia Jahr für Jahr sehr viele Spenden ein, die sie nicht braucht.
Das führt zur Frage, wofür Wikimedia 165 Millionen Dollar braucht? Die fünftgrößte Website der Welt zu hosten, wird nicht ganz billig sein. Aber wozu braucht die Wikimedia so große Rücklagen, wenn sie es doch jedes Jahr schafft, ihre laufenden Kosten mit Spendenkampagnen zu finanzieren? Eine Antwort auf diese Frage gibt es bis dato nicht.
Landet das Spendengeld, wie den Spendern suggeriert wird, wirklich bei der Arbeit für Wikipedia?
Der Wikimedia e.V. gibt jedes Jahr nicht wenig Geld aus, um seine Autorencommunity zu fördern. Ein Beispiel dafür ist die jährliche Wikicon. Er gibt jedoch zum Beispiel auch viel Geld aus, um die Politik zu beeinflussen. Lobbyismus lautet das Stichwort. Jede Spende an die Wikipedia soll also auch die Politik beeinflussen. Auch das sollte Wikimedia ehrlicherweise in seinen Spendenaufrufen erwähnen.
Darüber hinaus wird Wikipedia mit sehr großen Summen von beinahe allen Tech-Unternehmen aus dem Silicon Valley unterstützt. Ob die Wikipedia die vielen eingeworbenen Kleinspenden überhaupt benötigt, ist daher sehr fraglich.

Undemokratische und intransparente Strukturen

Wikimedia Deutschland e.V. ist nach eigenen Angaben nicht der Betreiber der Wikipedia. Er ist ein eingetragener Verein mit 80.000 Mitgliedern. Dieser Verein soll keine Kontrolle über die Autoren der Wikipedia haben und die Autoren keine Kontrolle über den Verein. Das Geld landet also nicht dort, wo es Wikimedia suggeriert.
Das Geld wird an die Wikimedia-Foundation in den USA weitergeleitet, die wiederum die technische Infrastruktur der Wikipedia unterhält und alle Wikimedias weltweit finanziert.
Verunglimpfungen, Falschaussagen und andere unzulässige Äußerungen auf Wikipedia können aufgrund dieser Struktur nicht einfach gerichtlich verboten werden, da nicht Wikimedia-Deutschland e.V., sondern die Wikimedia-Foundation in den USA Wikipedia betreibt. Stand heute ist Wikipedia in Deutschland faktisch ein rechtsfreier Raum.
Wie kommt es, dass diejenigen, die die Wikipedia erstellen, erhalten und pflegen keinen Einfluss darauf haben, wie die Spenden ausgegeben werden, die genau für diesen Zweck gesammelt wurden?

Auf diese Frage gibt es bis dato keine zufrieden stellende Antwort.

Fazit

Wikipedia hat in zwanzig Jahren viel erreicht. Allerdings werden die vorgenannten Mängel immer offensichtlicher. Ob ihre Redaktionen fachlich gut aufgestellt sind, oder nicht bleibt jedoch weiterhin Glückssache. Die Struktur der Wikipedia und von Wikimedia ist verworren und intransparent. Die Wikimedia sitzt auf einem großen Haufen Geld und niemand weiß, wofür sie es braucht.
Hinzu kommen die altbekannten Probleme des Autorenmangels, der feindseligen Community und der unnötig komplizierten Bedienung und Regelwerke.
Nur wenn sich Wikipedia reformiert und transparenter wird, hat es eine Chance in Zukunft wieder als fundierte Wissens-Datenbank allgemein akzeptiert zu werden. Ansonsten besteht Wikipedia schon aufgrund seiner schieren Größe weiter, ohne allerdings ein ernstzunehmendes Wissens-Kompendiums zu sein.

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Sind Sie zufrieden mit der deutschsprachigen Wikipedia?

Wenn sie regelmäßiger Leser des Blogs sind, kennen Sie sicher nicht nur eine Schwäche der Wikipedia aus persönlicher Erfahrung in der Wikipedia oder aus unseren Artikeln.
Derzeit versucht die gemeinnützige Forschungsorganisation CivilServant gemeinsam mit einem Forschungsteam an der Cornell University herauszufinden, was die deutschsprachigen Autoren der Wikipedia von dem Projekt und der Community halten.
Unter folgendem Link können Sie ihre eigenen Erfahrungen einbringen, damit die bisher kaum beachtete Umfrage etwas repräsentativer wird:

Zur Befragung geht es hier entlang.

Publiziert am von Hagu | 3 Kommentare

Rüge für die Wikipedia oder Paid Editing reloaded!

Die Wikipedia ist oftmals intransparent und unfähig zur Veränderung. Diese bittere Wahrheit hat jetzt auch der Deutsche Rat für Public Relations erlebt.

Worum geht es?
Eine Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle fordert die Wikipedia auf, größere Transparenz für Beiträge aus der Feder bezahlter Schreiber zu schaffen, wird zunächst von Ansprechpartner zu Ansprechpartner verwiesen, nur um dann zu erfahren, dass die Wikipedia Community mit Paid-Editing so umgeht, wie sie es für richtig hält. Daraufhin spricht diese Selbstkontrolleinrichtung eine Rüge gegen Wikipedia aus und veröffentlicht sie.

Wer sind die Beteiligten?
Der Deutsche Public Relations Rat oder DRPR ist eine Institution die die Einhaltung gewisser ethischer und qualitativer Mindeststandards in der PR Branche überwacht. Dazu haben sich zahlreiche Unternehmen der Branche freiwillig in einem Trägerverein zusammengeschlossen und einen Regelkatalog, den Deutschen Kommunikationskodex entworfen. Dessen Einhaltung kann der DRPR mit öffentlichen Rügen anmahnen. Weiterhin können Menschen, die unsachgemäße Arbeit im Berufsfeld Public Relations melden möchten, dies beim DRPR tun. Das Konzept ist vergleichbar mit dem Deutschen Presserat, der auf Basis des Pressekodex handelt.

Die Wikimedia Foundation bedarf bei dem geneigten Leser dieses Blogs eigentlich keiner weiteren Vorstellung. Sie ist nach einer sehr umstrittenen Ansicht einiger deutscher Gerichte und der Eigendarstellung der Wikipedia Trägerin und Betreibern der Plattform Wikipedia. Wer in Deutschland den Rechtsweg gegen die Wikipedia beschreiten muss, wird deshalb allzu häufig auf den aussichtslosen Klageweg gegen die Wikimedia Foundation verwiesen.

Wikimedia Deutschland e.V. ist ebenso bekannt, wie ihr amerikanisches Pendant. Nach eigenen Angaben ist der eingetragene Verein nicht mehr als ein Förderverein für die deutschsprachige Wikipedia. Er tut jedoch weit mehr als nur die Wikipedia von außen zu fördern. So vertritt Wikimedia Deutschland regelmäßig die Wikipedia vor deutschen Gerichten, wenn es darum geht Rechte der Wikipedia wahrzunehmen. Nach einer immer stärker werdenden Rechtsansicht, ist die deutsche Wikipedia deshalb als Vertreterin der Wikipedia anzusehen. Auch ohne tiefere Rechtskenntnisse ist es schwer nachzuvollziehen, warum die Rechte der deutschen Wikipedia von Wikimedia Deutschland wahrgenommen werden, ihre korrespondierenden Pflichten aber von der Wikimedia Foundation.

Was ist geschehen?
Der DRPR hat die Richtlinien der Wikipedia für Paid-Editing untersucht und festgestellt, dass sie nicht den Anforderungen des Deutschen Kommunikationskodexes entsprechen. Vertreter des Gremiums kontaktierten darauf die Wikimedia Foundation, die ihnen erklärte, dass bezahlte Autoren selbst dafür verantwortlich sind, offenzulegen, dass sie für ihre Mitarbeit bezahlt werden. Die bezahlten Mitarbeiter allein und nicht Wikipedia seien für die Aufklärung über die bezahlte Herkunft von Inhalten verantwortlich. Diese Minimalstandards seien zwar in einigen Wikipedia-Versionen abgeändert worden, jedoch nicht in der deutschen.
Ein Mitglied des Wikimedia Deutschland-Vorstandes verwies darauf, dass Wikimedia keinen Einfluss auf die Wikipedia Community habe und riet dazu, eine Diskussion in der Community anzuregen. Nach den Angaben des DRPR soll das Vorstandsmitglied dies an das – für solche Fragen nicht zuständige Wikipedia-Support-Team weitergeleitet haben. Dieses beschied dem DRPR, dass es nicht zuständig sei und es diverse Diskussionen zum Umgang mit Paid Editing gibt.

Was lernen wir daraus?
Der Deutsche Public Relations Rat hat ein Wikipedia-Thema, dass etwas aus dem Blickwinkel geraten ist, wieder in die Diskussion gebracht. Die Frage, die der DRPR dabei aufwirft, ist durchaus berechtigt: Warum gehört es für Public Relations Unternehmer zum guten Ton, bezahlte Publikationen ganz eindeutig und unmittelbar als solche zu Kennzeichnen und warum gilt dasselbe nicht in der Wikipedia?
Rechtsfolgen
Konkrete Rechtsfolgen wird die DRPR-Rüge nicht verursachen. Rügen von Selbstkontrollorganen können lediglich die Öffentlichkeit auf Missstände aufmerksam machen und so Druck auf den Gerügten erzeugen. Außerhalb dieser Option steht ihnen keine rechtliche Handhabe zur Verfügung.
Diskussion
Die Rüge hat eine gewisse Diskussion entfachen können. Der Geschäftsführer einer PR-Agentur sah sich zur Veröffentlichung eines Leserbriefes als Gegenrede genötigt. Seine Kritik an der Rüge blieb jedoch recht oberflächlich und zeigte, dass er die vollständigen Informationen des DRPR zur Rüge nicht zur Kenntnis genommen hatte. Im Wikipedia Artikel zum DRPR fand die Rüge ebenfalls Erwähnung. Unter der dazugehörigen Meldung im Wikipedia Kurier wurde ebenfalls angeregt – und für Wikipedia Verhältnisse erstaunlich gesittet und konstruktiv – über den Inhalt und die Berechtigung der Rüge diskutiert. Konkrete Folgen dieser Diskussionen im Sinne von Reformvorschlägen sind jedoch nicht erkennbar.

Erkenntnisgewinn
Diese Rüge belegt einmal mehr:

• Die Struktur der Wikipedia ist für Außenstehende, wie zum Beispiel den DRPR nur schwer zu durchschauen.
• Die Verantwortung für die Inhalte der Wikipedia und wie diese präsentiert werden, wird von einem Beteiligten zum nächsten geschoben, ohne dass es klare Zuständigkeiten gibt.
• Wikipedianer sind bereit zu diskutieren, wollen ihre Wikipedia aber mehrheitlich nicht reformieren.

Es bleibt die Hoffnung, dass sich dieser vorläufige Stand beim Thema Paid Editing noch zum Besseren wendet und diese Rüge mehr bewirkt hat, als auf den bisher nicht sonderlich bekannten DRPR positiv aufmerksam zu machen.

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Admin-Wahlen, Männerüberschuss bei Wikipedia, Autorenschwund und Bot-Autoren: Tut sich da was?

Wikipedia hat viele Schwachstellen, brüstet sich aber damit, durch seine starke Community immer besser zu werden. Was bei dem Blick in Diskussionen innerhalb der Wikipedia auffällt, ist, dass manche Wikipedianer viele Probleme des Projekts genauso kritisch sehen, wie wir bei Wiki-Watch. Haben diese Diskussionen positive Auswirkungen auf das festgefahrene Projekt Wikipedia? Kann die Wikipedia sich aus eigener Kraft erneuern und reformieren? Diese Frage versuchen wir anhand der folgenden Beispiele zu beantworten.

Adminwiederwahl:

Einige Admins sind schon sehr lange im Amt. (Allein 22 Admins seit 2006 und 15 seit 2004) Diese sehr einflussreichen Wikipedia Nutzer müssen sich nur dann einer Wiederwahl stellen, wenn ein gewisses Quorum an anderen Nutzern dies fordert. Warum gibt es für die Admins keine fixen Amtsperioden mit anschließender Wiederwahl? Eine überzeugende Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Gerade weil die Admins in der Wikipedia mit einer recht großen Machtfülle ausgestattet sind, ist der naheliegendste Gedanke für ein kooperatives Projekt, dass diese Macht in regelmäßigen Abständen bestätigt werden muss und auch wieder entzogen werden kann. Auch wenn sich einige Admins zur Vergrößerung ihrer Legitimation Wiederwahlen stellen, ändert das nichts daran, dass immerhin 105 Administratoren fünf bis zehn und teilweise sogar mehr Jahre ohne Wiederwahl im Amt sind.

Männerüberschuss:

Wikipedia ist – überspitzt gesagt ein Projekt von Männern für Männer. Was kann sich daran ändern, dass  90 % der Autoren und immerhin noch 67 % der Leser der Wikipedia Männer sind? Ein Anfang wäre es, Frauen in Wikipedia weniger unsichtbar zu machen. Warum behandeln 84 % der Biografien in der deutschsprachigen Wikipedia Männer? Warum sind unter den Editoren so überwältigend wenige Frauen? Bis jetzt war gegen die Geschlechterungleichheit bei Wikipedia kein Kraut gewachsen. Die Chancen, dass (sinnvolle) Initiativen, wie zum Beispiel der Edit-a-thon zum Internationalen Frauentag etwas bewirken, stehen schlecht. Solange die Benutzeroberfläche der Wikipedia unübersichtlich und verwirrend, der Umgangston rau und die Auslegung der Regeln der Wikipedia pedantisch und selbstgerecht ist, werden sich wohl kaum mehr Frauen (und Männer) als Autoren gewinnen lassen.

Autorenschwund:

Ein User beschwert sich berechtigterweise darüber, dass die Wikipedia immer weniger Autoren hat. In seinem Ausblick sieht er auch für die Zukunft keine Wende bei den Autorenzahlen und glaubt, dass alle Maßnahmen, um neue Autoren zu gewinnen, vergeblich bleiben werden. Dasselbe Thema greift eine andere Nutzerin  auf, die sich darüber hinaus beschwert, dass die vorhandenen Nutzer kaum Inhaltlich arbeiten würden, sondern ihre Zusammenarbeit im Großen und Ganzen auf Formalien beschränken. Die von Wikipedia beschworene Schwarmintelligenz, der keine Fehler entgehen sollen, funktioniert so ganz sicher nicht. Ganz im Gegenteil ist eine Zusammenarbeit im Schwarm nicht erkennbar.

Aber kann man es den Autoren, die aufhören Wikipedia zu editieren, verdenken, dass sie sich Löschdiskussionen, Edit-Wars und unkooperatives Verhalten anderer Autoren nicht mehr länger antun wollen?

Bots als Autoren:

Wiki-Watch hat das Thema bereits beleuchtet. Auch die Wikipedianer selbst scheinen sich Gedanken zu machen, ob sie den oben beschriebenen Autorenschwund und die gewaltige Arbeitslast durch den Einsatz von KI-Autoren, die Artikel aktualisieren können, kompensieren können.  Ein Nutzer glaubt jedoch, dass der Einsatz von Bots zur Aktualisierung, selbst wenn er technisch möglich wäre, am Widerstand der deutschen Wikipedia Community scheitern würde. Wir bei Wiki-Watch haben bereits festgestellt, dass Bots ganz ohne großen Widerstand bereits massenhaft in der deutschen Wikipedia eingesetzt werden. (Leider) Typisch für Wikipedia ist dabei, dass dieser Einsatz sehr intransparent erfolgt.

 

Fazit:

Die von Wikipedia Nutzern erkannten Probleme sind schon lange bei Wiki-Watch und in anderen kritischen Quellen besprochen worden.  Wikipedia ist zu männlich, zu undemokratisch, zu undurchsichtig, unnötig komplex und von einem frostigen Arbeitsklima durchsetzt.

Trotzdem sind bis dato keine Verbesserungen zu erkennen. Sinnvolle Reformideen, wie eine regelmäßige Adminwiederwahl oder eine Klarnamenspflicht für Wikipedia-Autoren werden zwar innerhalb und außerhalb der Wikipedia immer wieder gefordert. Umgesetzt wurden sie jedoch bis heute nicht. Es bestätigt sich einmal mehr: Wikipedia ist reformunfähig und von einer Clique weniger alteingesessener rechthaberischer Nutzer und Admins beherrscht.

Was kann man dagegen tun? Wir bei Wiki-Watch ermuntern jede(n), an Wikipedia mitzuwirken und ihr/sein Wissen einzubringen. Frei nach dem Motto: “Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ sollte jeder, der mit dem Zustand von Wikipedia unzufrieden ist, einfach selbst anfangen sie besser zu machen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Wikipedia besser wird, steigt nicht durch ein oder zwei neue User. Aber ohne diese wird sich erst recht nichts verändern. Darüber hinaus hilft es, den Scheinwerfer der Öffentlichkeit auf die Missstände von Wikipedia zu lenken.

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