Wikipedia und die Bots: Wer kontrolliert wen?

Nach einem Arte Beitrag über Wikipedia begannen Diskussionen darüber, ob die Wikipedia Nutzer Aka oder Invisigoth67 Bots seien oder nicht. Angesichts von hochgerechnet mehreren hundert Edits pro Tag darf dies zumindest bezweifelt werden. Deshalb stellt sich die Frage, was die ca. 1600 Bots in der englischsprachigen und ca. 400 Bots in der deutschsprachigen Wikipedia genau tun und wer sie bei ihrer Arbeit überwacht.

Welche Arten von Bots gibt es?

Die meisten Bots erledigen Routineaufgaben, sie finden Fehler in Rechtschreibung oder Grammatik, entfernen Links oder verschieben Artikel in Kategorien. Hauptsächlich basieren sie auf dem in der Programmiersprache Python verfassten Skript Pywikibot. Darüber hinaus können manche Bots schon im Internet verfügbare Informationen aktuell halten. Als Beispiel seien dafür Umsatz und Gewinn börsennotierter Konzerne genannt. Ein Großteil der von Bots bei Wikipedia verrichteten Arbeit sind also anspruchslose Routineaufgaben. In einigen fremdsprachigen Wikipedias werden bereits Bots eingesetzt, um Artikel zu „verfassen“. Dabei legen sie leere Artikel zu Themen von Relevanz an. Warum könnten Bots sinnvoll sein? Die Wikipedia hat ein Personalproblem. Sie schafft es unverändert nicht, genügend motivierte Autoren zu finden. Das ist jedoch gleich aus mehreren Grünen dringend notwendig:

1. Damit die Wikipedia mehr ist als nur ein Onlineforum für wenige Schreibwütige, braucht sie qualitativ hochwertige Artikel. Damit die Masse der Artikel gut ist, braucht es viele Autoren. Kurz gesagt: ohne Schwarm keine Schwarmintelligenz!

2.  Die Aktualisierung vorhandener Artikel ist aufgrund ihrer schieren Masse eine Sisyphusaufgabe, die mit der vorhandenen Menge an (aktiven) Autoren kaum durchgeführt werden kann. Zumindest nicht ohne Abstriche bei der Qualität, insbesondere Richtigkeit, Präzision und Neutralität. Kurz gesagt: Ohne Schwarmintelligenz gibt es statt freiem Wissen vor allem freies Halbwissen. Viele Versuche, mehr Autoren und insbesondere auch Autorinnen zu finden, schlugen bislang fehl. Es ist also nur folgerichtig, dass die Wikipedia versucht Routineaufgaben zu automatisieren.

Was genau ist kritisch am Einsatz von Bots?

Es wird bei vielen Benutzern nicht benannt, wenn diese mit Bots arbeiten. Das schadet der Transparenz hinter Wikipedia. Nicht jeder eingesetzte Bot wird allem Anschein nach als solcher gekennzeichnet, obwohl die Regeln der Wikipedia da so vorsehen. Wie kommen zum Beispiel die Eingangs erwähnten Benutzer Aka und Invisigoth67 zu so vielen Edits? Die Antwort ist einfach: Ohne einen gewissen Grad an Automatisierung ist das schlicht und einfach nicht möglich. Warum werden solche Accounts nicht gekennzeichnet? Auch hier zeigt sich was für fast alle Regeln der Wikipedia gilt: Alle Autoren sind gleich. Aber manche sind gleicher als die anderen. Die beiden Nutzer rechtfertigen die nicht vorhandene Kennzeichnung dadurch, dass sie die vom Bot gefunden Fehler selbst korrigieren würden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass das richtig ist, trägt es nicht zur Transparenz bei. Wer garantiert denn, dass in der Wikipedia nicht schon längst Texte von Bots produziert werden, oder dass Bots beim Versuch Paid Editing zu verhindern, Inhalte zensieren?

Fazit:

Das eigentliche Problem der Wikipedia können Bots nicht lösen: Sie hat zu wenige Autoren, um ihren eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Das liegt daran, dass ihre Strukturen für Neueinsteiger nur schwer zu durchschauen sind und ältere Wikipedianer bevorzugen. Hinzu kommt, dass die Wikipedia mit veralteten und unnötig komplizierten Benutzeroberflächen sowie einem rauen Umgangston sehr viele motivierte Freiwillige abschreckt. An diesen Punkten zu arbeiten, bedeutet dicke Bretter zu bohren. Routineaufgaben sollten jedoch noch stärker transparent an Bots delegiert werden. Menschliche Autoren können sich dann den Tätigkeiten widmen, die auch nur von Menschen ausgeführt werden können. Das Verfassen, korrigieren und verbessern von sachlich richtigen, präzisen lexikalischen Artikeln.

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4 Antworten zu Wikipedia und die Bots: Wer kontrolliert wen?

  1. Miriam Schwan sagt:

    „Warum behandeln 84 % der Biografien in der deutschsprachigen Wikipedia Männer?“

    Die Frage ist nicht euer Ernst, oder?
    Weil die AW ist doch offensichtlich: Es gab historisch betrachtet wesentlich mehr bedeutende Männer als Frauen. Schiebt das von mir aus auf das Patriarchat, aber es ist ein Faktum.

    • Hagu sagt:

      Liebe Frau Schwan,

      Vielen Dank für Ihren Beitrag.

      Ihrer Meinung nach gab es wesentlich mehr bedeutende Männer als Frauen.
      Das ist allein schon deshalb schwierig zu beurteilen, weil Kriterien dafür, wer bedeutend (im Falle von Wikipedia „relevant“) ist, und wer nicht zwangsläufig schwammig und umstritten sind.
      Sicher ist die Emanzipation der Frau und ihre Teilhabe am öffentlichen Leben und den Entscheidungsprozessen in Wirtschaft, Politik und Verwaltung eine menschheitsgeschichtlich sehr neue Entwicklung (ca. 200 Jahre). Trotzdem gelang es zahlreichen Frauen in dieser Zeit bedeutende Leistungen zu erreichen, genannt seien hier für das Feld der Naturwissenschaften Beispiele wie Marie Curie oder Donna Strickland.

      Es ist daher unwahrscheinlich, dass 84% aller interessanten oder bedeutenden (für Wikipedia relevanten) Menschen Männer sind.
      Trotzdem behandeln 84% aller Biografien bei WP Männer, was darauf hindeutet, dass die Wikipedia-Autoren einen verengten Blick auf die Realität haben.

      • thorstenv sagt:

        Die Kriterien sind also schwammig aber es folgt „Es ist daher unwahrscheinlich, … „. Das hätte man doch gerne genauer erklärt, wie dieser Syllogismus funktioniert oder wie unwahrscheinlich das ist. Gibt es da ein Konfidenzintervall oder sonstige Angaben wie sie in der Statistik üblich sind, um eine solche Behauptung zu rechtfertigen?

        Dass es eine Entwicklung seit 200 Jahren gibt, sagt nichts darüber wie weit die Entwicklung in den 200 Jahren gediehen ist. Wer sagt denn, das diese Entwicklung in Wikipedia nicht reflektiert wird? Dass es derzeit 84% Artikel über Männer sind steht in keinem Widerspruch zu so einer Entwicklung.

        • Hagu sagt:

          Sehr geehrter thorstenv,

          vielen Dank für Ihr Feedback.

          Einen Schluss vom Allgemeinen auf das Besondere (Syllogismus) verbindet nicht die von Ihnen zusammengefügten Aussagen. (schwammige Kriterien für bedeutende Persönlichkeiten–>unwahrscheinlich, dass 84 % aller bedeutenden Menschen Männer sind)

          Vielmehr sind die Aussagen, dass es ohne Zweifel viele Frauen gibt, die bedeutende Dinge erreichten und dass es daher unwahrscheinlich ist, dass 84 % der bedeutenden Persönlichkeiten Männer sind und waren, miteinander verbunden. Ob das nun ein Syllogismus sein soll, oder nicht lasse ich dahingestellt. Ich hatte zumindest nicht vor Beweise nach den strengen Gesetzen der Aristotelischen Logik aufzustellen. Das wäre sicher auch etwas abgehoben für ein nicht naturwissenschaftliches Format wie diesen Blog.

          Es scheint so, als ob die logische Struktur meiner Antwort von ihnen anders gesehen wurde. Die Hoheit darüber, wie eine Nachricht empfangen wird, liegt immer beim Empfänger, also fühlen Sie sich frei, Verbindungen zu ziehen, wie Sie möchten!

          Ihren Exkurs in die Statistik überlasse ich gern den fähigen Statistikern. Ich glaube jedoch nicht, dass sich die hier geführte Diskussion mit den Mitteln der Statistik endgültig entscheiden lassen wird. Falls Sie auf diesem Feld über Expertise verfügen, können Sie diese gern teilen.

          Gerade ich sage in meiner Antwort, dass diese Entwicklung in Wikipedia nicht reflektiert wird. Das Belege ich mit Zahlen und Beobachtungen die darauf hindeuten. Gern können Sie den Gegenbeweis antreten und wir diskutieren weiter.

          Angesichts ihrer Einwendungen was die Statistik angeht, würde ich mich besonders freuen, wenn Sie diese niederschreiben. Eine qualifizierte Debatte schadet nie.

          Freundliche Grüße

          Hagu

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