Admin-Wahlen, Männerüberschuss bei Wikipedia, Autorenschwund und Bot-Autoren: Tut sich da was?

Wikipedia hat viele Schwachstellen, brüstet sich aber damit, durch seine starke Community immer besser zu werden. Was bei dem Blick in Diskussionen innerhalb der Wikipedia auffällt, ist, dass manche Wikipedianer viele Probleme des Projekts genauso kritisch sehen, wie wir bei Wiki-Watch. Haben diese Diskussionen positive Auswirkungen auf das festgefahrene Projekt Wikipedia? Kann die Wikipedia sich aus eigener Kraft erneuern und reformieren? Diese Frage versuchen wir anhand der folgenden Beispiele zu beantworten.

Adminwiederwahl:

Einige Admins sind schon sehr lange im Amt. (Allein 22 Admins seit 2006 und 15 seit 2004) Diese sehr einflussreichen Wikipedia Nutzer müssen sich nur dann einer Wiederwahl stellen, wenn ein gewisses Quorum an anderen Nutzern dies fordert. Warum gibt es für die Admins keine fixen Amtsperioden mit anschließender Wiederwahl? Eine überzeugende Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Gerade weil die Admins in der Wikipedia mit einer recht großen Machtfülle ausgestattet sind, ist der naheliegendste Gedanke für ein kooperatives Projekt, dass diese Macht in regelmäßigen Abständen bestätigt werden muss und auch wieder entzogen werden kann. Auch wenn sich einige Admins zur Vergrößerung ihrer Legitimation Wiederwahlen stellen, ändert das nichts daran, dass immerhin 105 Administratoren fünf bis zehn und teilweise sogar mehr Jahre ohne Wiederwahl im Amt sind.

Männerüberschuss:

Wikipedia ist – überspitzt gesagt ein Projekt von Männern für Männer. Was kann sich daran ändern, dass  90 % der Autoren und immerhin noch 67 % der Leser der Wikipedia Männer sind? Ein Anfang wäre es, Frauen in Wikipedia weniger unsichtbar zu machen. Warum behandeln 84 % der Biografien in der deutschsprachigen Wikipedia Männer? Warum sind unter den Editoren so überwältigend wenige Frauen? Bis jetzt war gegen die Geschlechterungleichheit bei Wikipedia kein Kraut gewachsen. Die Chancen, dass (sinnvolle) Initiativen, wie zum Beispiel der Edit-a-thon zum Internationalen Frauentag etwas bewirken, stehen schlecht. Solange die Benutzeroberfläche der Wikipedia unübersichtlich und verwirrend, der Umgangston rau und die Auslegung der Regeln der Wikipedia pedantisch und selbstgerecht ist, werden sich wohl kaum mehr Frauen (und Männer) als Autoren gewinnen lassen.

Autorenschwund:

Ein User beschwert sich berechtigterweise darüber, dass die Wikipedia immer weniger Autoren hat. In seinem Ausblick sieht er auch für die Zukunft keine Wende bei den Autorenzahlen und glaubt, dass alle Maßnahmen, um neue Autoren zu gewinnen, vergeblich bleiben werden. Dasselbe Thema greift eine andere Nutzerin  auf, die sich darüber hinaus beschwert, dass die vorhandenen Nutzer kaum Inhaltlich arbeiten würden, sondern ihre Zusammenarbeit im Großen und Ganzen auf Formalien beschränken. Die von Wikipedia beschworene Schwarmintelligenz, der keine Fehler entgehen sollen, funktioniert so ganz sicher nicht. Ganz im Gegenteil ist eine Zusammenarbeit im Schwarm nicht erkennbar.

Aber kann man es den Autoren, die aufhören Wikipedia zu editieren, verdenken, dass sie sich Löschdiskussionen, Edit-Wars und unkooperatives Verhalten anderer Autoren nicht mehr länger antun wollen?

Bots als Autoren:

Wiki-Watch hat das Thema bereits beleuchtet. Auch die Wikipedianer selbst scheinen sich Gedanken zu machen, ob sie den oben beschriebenen Autorenschwund und die gewaltige Arbeitslast durch den Einsatz von KI-Autoren, die Artikel aktualisieren können, kompensieren können.  Ein Nutzer glaubt jedoch, dass der Einsatz von Bots zur Aktualisierung, selbst wenn er technisch möglich wäre, am Widerstand der deutschen Wikipedia Community scheitern würde. Wir bei Wiki-Watch haben bereits festgestellt, dass Bots ganz ohne großen Widerstand bereits massenhaft in der deutschen Wikipedia eingesetzt werden. (Leider) Typisch für Wikipedia ist dabei, dass dieser Einsatz sehr intransparent erfolgt.

 

Fazit:

Die von Wikipedia Nutzern erkannten Probleme sind schon lange bei Wiki-Watch und in anderen kritischen Quellen besprochen worden.  Wikipedia ist zu männlich, zu undemokratisch, zu undurchsichtig, unnötig komplex und von einem frostigen Arbeitsklima durchsetzt.

Trotzdem sind bis dato keine Verbesserungen zu erkennen. Sinnvolle Reformideen, wie eine regelmäßige Adminwiederwahl oder eine Klarnamenspflicht für Wikipedia-Autoren werden zwar innerhalb und außerhalb der Wikipedia immer wieder gefordert. Umgesetzt wurden sie jedoch bis heute nicht. Es bestätigt sich einmal mehr: Wikipedia ist reformunfähig und von einer Clique weniger alteingesessener rechthaberischer Nutzer und Admins beherrscht.

Was kann man dagegen tun? Wir bei Wiki-Watch ermuntern jede(n), an Wikipedia mitzuwirken und ihr/sein Wissen einzubringen. Frei nach dem Motto: “Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ sollte jeder, der mit dem Zustand von Wikipedia unzufrieden ist, einfach selbst anfangen sie besser zu machen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Wikipedia besser wird, steigt nicht durch ein oder zwei neue User. Aber ohne diese wird sich erst recht nichts verändern. Darüber hinaus hilft es, den Scheinwerfer der Öffentlichkeit auf die Missstände von Wikipedia zu lenken.

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5 Antworten zu Admin-Wahlen, Männerüberschuss bei Wikipedia, Autorenschwund und Bot-Autoren: Tut sich da was?

  1. Kevin Schmidt sagt:

    Mmh Klarnamen fordern, aber selber unter Pseudonym schreiben.

    • Hagu sagt:

      Lieber Herr Schmidt,

      die Frage hat uns bisher niemand gestellt. Bei https://www.psiram.science/de/index.php/Wiki-Watch finden sich Spekulationen darüber, wer denn alles für Wiki-Watch tätig sei und wer nicht. Unter dem Synonym HAGU schreibt hier der wissenschaftliche Mitarbeiter der Arbeitsstelle „Wiki-Watch“im Studien- und Forschungsschwerpunkt „Medienrecht“ der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) Gunnar Hamann.

  2. Daniela Stern sagt:

    Man kann die Gründe für den Autoreneschwund doch beim Namen – oder besser gesagt beim Pseudonym: Felix, Phi, Kopilot etc.

    Cliquenbildung ist das Problem von Wikipedia, auch Gumiparagraphen, die diesen Cliquen die Möglichkeit geben, Personen mit ihnen unliebsamen Meinungen zu mobben oder gleich auszusperren. Viele Menschen haben diese Erfahrung mit Wikipedia gemacht, auch Autoren von scheinbar harmlosen, also nicht-politischen Themen.

    Grundsätzlich ist ein Nachschlagewerk, dessen Autoren anonym sind, nicht reputabel, nicht zitierfähig und daher wertlos. Mehr noch, bei Wikipedia wird anonymen Aktivisten die Gelegenheit gegeben, die öffentliche Meinung zu manipulieren, da Wikipedia ausgiebig von Journalisten benutzt wird – was freilich auch einiges über deren Qualitäten aussagt.

    • Hagu sagt:

      Liebe Frau Stern,

      Vielen Dank für ihren Beitrag!

      Sie haben vollkommen recht, der Wikipedia fehlt es an Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Ein Baustein zur Verbesserung ist eine Klarnamenspflicht, die wir schon lange fordern. Es würde sicher auch helfen, wenn die Wikipedia offener für Neulinge wäre und die Einstiegshürden geringer wären. Eine dieser Einstiegshürden ist die von ihnen beschriebene Cliquenwirtschaft.
      Die Wikipedia hat sich so trotz vieler gut gemeinter Interventionen von innen und außen zu einem perpetuum mobile der sinkenden Qualität und des Cyber-Mobbings entwickelt.

  3. Volker Wendeler sagt:

    Larry Sanger, Mitbegründer der Wikipedia, hat die Probleme schon vor vielen Jahren exakt benannt:
    1. die Community setzt ihre eigenen Regeln nicht effektiv oder konsistent durch
    2. die weitgehende Anonymität zieht Menschen an, die einfach nur Ärger machen wollen
    3. die führenden Köpfe der Wikipedia haben sich abgeschottet, wodurch es für Leute, die noch nicht Teil der Community sind, zunehmend schwierig wird, wirklich voll aufgenommen zu werden
    4. die dysfunktionale Community wirkt extrem abstoßend auf einige der potentiell wertvollsten Mitarbeiter, nämlich Akademiker.

    Zu keinem dieser Kritikpunkte gab es bisher Lösungsansätze. Stattdessen wird im Strategiepapier 2030 geschwurbelt: „Die strategische Ausrichtung der Wikimedia-Bewegung für 2030 besteht darin, Straßen, Brücken und Dörfer zu werden, die den weltweiten Weg zum freien Wissen unterstützen.“ Na Klasse!

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