Siebzehn Jahre Wikipedia: Was ist aus ihren Prinzipien geworden?

Wikipedia fing heute vor siebzehn Jahren an, das Wissen der Welt für alle frei zugänglich zu sammeln. Ihr Anspruch an sich selbst war, fundierte und neutrale Artikel in einem kollegialen Redaktionsumfeld, dass für alle offen ist, zu schreiben. Wird Wikipedia diesem siebzehn Jahre nach ihrer Gründung noch gerecht?

 

Gliederung:
• Die Ursprünge
• Die Prinzipien von Wikipedia
• Welche Prinzipien fehlen Wikipedia?
• Peer-review um Wikipedia (noch) besser zu machen?
• Fazit

Die Ursprünge:
Um diese Frage zu beantworten, werfen wir einen Blick auf die Herkunft von Wikipedia. Diese entstand nicht aus dem nichts, sondern hatte einen Vorläufer Namens Nupedia.
Ähnlich wie Wikipedia sollte Nupedia eine frei verfügbare Online Enzyklopädie werden, die von freiwilligen Nutzern zusammengetragen wird. Diese sollten Experten für das Fachgebiet sein, dessen Artikel sie bearbeiten. Sie fingen nicht an, Online einen Artikel zu schreiben, sondern wurden damit beauftragt.
Im Gegensatz zur Wikipedia wurden bei Nupedia jedoch recht strenge Maßstäbe an die Qualität der Artikel angelegt. Ein siebenstufiges Peer-Review Verfahren sollte dafür sorgen, dass die Artikel höchsten Qualitätsstandards entsprachen.
Dieser Prozess stellte sich jedoch als recht schwerfällig heraus. In der Hoffnung mehr Rohmaterial für das aufwendige Procedere gewinnen zu können, wurde am 15.01.2001 Wikipedia online gestellt. Deren deutlich offeneres System der Artikelerstellung führte zu einem rasanten Wachstum an verfügbaren Inhalten. Die prominente Listung vieler Wikipedia- Artikel in den Suchergebnissen der – damals ebenfalls recht neuen – Suchmaschine Google sorgte für große Zugriffszahlen. Die großen Zugriffszahlen sorgten für viele neue Autoren. Die vielen neuen Autoren sorgten für mehr Artikel. Mit dieser Dynamik konnte Nupedia nicht mithalten und wurde bald aufgegeben.

Die Prinzipien von Wikipedia:
Frei zugängliches Wissen, das Arbeiten nach dem Wiki-Prinzip, eine kollegiale und gemütliche Atmosphäre unter den Autoren, die danach streben, Themen aus einem neutralen Standpunkt zu beschreiben.
Nach der Overtüre durch Nupedia trat nun also Wikipedia an, um mit diesen Prinzipien eine Online Enzyklopädie zum Leben zu erwecken.
Das Vorhaben freies Wissen anzuhäufen gelang Wikipedia dann auch besser als allen anderen Projekten, die sich daran versuchten. 16,44 Millionen Artikel weltweit, davon mehr als 2 Millionen allein in Deutschland, sprechen eine eindeutige Sprache. Der Umfang dieser Ressource ist gewaltig.
Das Wiki-Prinzip, nach dem Texte kollaborativ erstellt und bearbeitet werden sollen, wobei Textänderungen als Protokoll verfügbar bleiben, wurde beispielhaft umgesetzt. Bis heute kann Wikipedia ohne Administratorrechte und Anmeldung von jedem bearbeitet werden. Eine gründlichere Umsetzung des Wiki-Prinzips ist schwer vorstellbar.
Gerade dieses Merkmal machte Wikipedia zu einem deutlich größeren Erfolg als Nupedia.
Die kollegiale und gemütliche Atmosphäre unter den Autoren ging in den letzten Jahren mehr und mehr verloren. Immer häufiger sind Beschwerden über das vergiftete Klima und den Verfall der Debattenkultur in der deutschen Wikipedia zu vernehmen.
Die Darstellung des neutralen Standpunkts erreicht Wikipedia dort, wo viele Autoren motiviert schreiben. Dazu und zur Pflege der großen Artikellandschaft braucht es viele Freiwillige. Wenn diese jedoch häufiger vergrault werden, wird es Wikipedia mehr und mehr schwer haben Artikel vom neutralen Standpunkt aus darzustellen.
Die Verwirklichung ihrer Prinzipien ist Wikipedia zwar gelungen. Es sind jedoch Abstriche zu machen bei dem Umgang der Beteiligten untereinander. Hinter der Zukunft des neutralen Standpunkts steht auch daher ein Fragezeichen.
Abgesehen von den obigen Kriterien ist auch die Frage zu stellen, ob diese Prinzipien wirklich ausreichend sind.

Welche Prinzipien fehlen Wikipedia?
Unter den oben genannten Leitmotiven fehlt eines, dass Nupedia besonders wichtig war:

Die Qualität der Artikel.
Wikipedia hat in vielen Teilen einen hohen Grad an Qualität erreicht. Allerdings gibt es unverändert viele Artikel, deren Qualität höchstens bescheiden ist. Auch die nötige Kürze, Präzision und Quellenarbeit fehlt oft.
Um diesem Problem zu begegnen wurden Verfahren eingeführt, die einem Peer-Review gleichen, jedoch nicht dieselbe Wirksamkeit aufweisen. Redaktionen für einzelne Themenbereiche, strenge Relevanzkriterien sowie viele Hilfsangebote für neue Autoren sollen die Qualität weiter steigern.
Aber warum versucht es Wikipedia nicht auch mit einem neuen/alten Verfahren?


Peer-review um Wikipedia (noch) besser zu machen?
Das in der Wissenschaft weit verbreitete peer-review Verfahren, bei dem Artikel zu Themen von anderen Forschern zum selben Thema vor ihrer Veröffentlichung auf ihre Relevanz und Richtigkeit überprüft werden, könnte auch Wikipedia zu einem Qualitätsschub verhelfen.
Ein zurück zum komplizierten Prozess von Nupedia ist nur schwer vorstellbar. Dieser könnte jedoch weiterentwickelt werden und die Enzyklopädie noch besser machen.
So könnten ältere Artikel alle zwei bis drei Jahre von Autoren der jeweiligen Redaktion überprüft werden. Die Löschung von Artikeln sollte nicht unbedingt Autoren vorbehalten werden, sondern könnten Nutzern der Themenportale übertragen werden. Durch Wahl könnten die Wikipedianer so den Nutzern das Löschrecht in die Hände legen, denen sie besondere Kompetenz in einem Themenkreis zutrauen. So könnte auch die Debattenkultur in Wikipedia verbessert werden, weil die Diskussion auf fachlicher Ebene stattfinden könnte.

Fazit:
Von ihren Wurzeln der Nupedia hat sich Wikipedia weit entfernt. Das macht sie so erfolgreich. Viele ihrer Prinzipien aus der Anfangszeit hat Wikipedia gut umgesetzt. Für einige gilt das aber nicht mehr. Bei anderen sieht die Zukunft ohne Veränderung zum Besseren blass aus.
Bei der Qualität der Artikel besteht in vielen Bereichen Verbesserungsbedarf. Ein stärkerer Fokus auf Qualität durch die Einführung einer Art Peer-Review könnte das ändern.
Sind unter Ihnen, liebe Leser, auch Nutzer der ersten Stunde? Denken Sie, dass Wikipedia ihre Prinzipien ernster nehmen sollte?
Denken Sie, dass ein Peer-Review Verfahren helfen könnte. Wie würden Sie dieses gestalten?
Wir freuen uns sehr auf Ihre Erfahrungen, Meinungen und Kommentare. Nutzen Sie dazu gern die Kommentarspalte unter diesem Artikel!

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

1 Antwort zu Siebzehn Jahre Wikipedia: Was ist aus ihren Prinzipien geworden?

  1. Luisa sagt:

    Wikpedia wimmelt von Falschheiten, Ungenauigkeiten, Lückenhaftem, Widersprüchlichem, Manipulativem und Tendenziösem. Das hat sich gleichzeitig mit einer zunehmend in Links und Rechts gespaltenen Gesellschaft entscheidend verschärft. Gerade im Politischen herrscht hier keine Neutralität mehr. In etlichen Zirkeln heißt das Portal schon Wikiblödia.
    Ich selbst nutze es auch nur noch selten, insbesondere für journalistische Recherchen eignet es sich nicht.

Kommentare sind geschlossen.