Bietet die Wikipedia dem gemeinen Internetnutzer ein Werkzeug um Fake News zu erkennen, wenn sie ihm über den Weg laufen?
Was genau sind Fake News?
Die Wortkombination lässt sich leicht aus dem Englischen als „gefälschte oder geschwindelte Nachrichten“ übersetzen. Das trifft den Kern des Phänomens sehr gut. Fake News sind unwahre Meldungen, die bewusst verbreitet werden, um eine bestimmte Reaktion beim Empfänger zu erzielen. Sie sind zu unterscheiden von Falschmeldungen aufgrund unzureichender Recherche und Berichten mit reißerischen Überschriften, die nur Aufmerksamkeit generieren sollen.
Herkunft des Phänomens
Fake News ist ein neuer Begriff für ein altes Phänomen. Mindestens seit den Napoleonischen Kriegen und massenhaft ab dem 1. Weltkrieg ist das verbreiten von Falschmeldungen über die gegnerische Kriegspartei im In- und Ausland Teil fast jeden bewaffneten Konflikts. Die eigene Bevölkerung soll für den Krieg motiviert werden und die gegnerische dazu gebracht, diesen zu hinterfragen. Dieses Phänomen Namens Propaganda wurde auch außerhalb von Staaten genutzt um ihre Gegner -seien es Staaten oder Individuen- zu diskreditieren, ihre Anliegen ins Lächerliche zu ziehen oder ihnen Unterstützung zu nehmen. Insofern haben Fake News und Propaganda einiges gemein.
Sie sind Methoden, um durch die Verbreitung falscher Informationen Gegner zu schwächen oder unschädlich zu machen. Fake News an sich sind also nichts Neues. Einer der Unterschiede zur Propaganda in Kriegen liegt wohl darin, dass Propaganda relativ leicht zu ihrem Urheber zurückverfolgt werden kann. Bei Fake News hingegen ist oft unklar, woher sie genau stammen und welche konkrete Ziele damit verfolgt werden. Das führt zur nächsten Frage:
Wie funktionieren Fake News?
Fake News kommen am Häufigsten im Kleid von Nachrichten daher. Sie knüpfen oft an Sachverhalte an, über die in der gesamten Medienlandschaft berichtet wurde und die der breiten Bevölkerung ein Begriff sind. In diesen gefälschten Nachrichten werden dann erwiesene Tatsachen mit frei erfundenen Behauptungen so vermischt, dass die Fälschung auf den ersten Blick nicht als solche erkennbar ist.
Da Presse und Medien solche Berichte leicht als Fälschung erkennen, wenn sie die pressemäßige Sorgfalt anwenden, scheiden diese als Verbreiter gefälschter Nachrichten aus. Daher werden sie über soziale Medien wie Facebook, Twitter und teilweise sogar Messenger wie WhatsApp verbreitet. Doch auch dort findet eine gefälschte Meldung nicht automatisch Anklang. Dazu muss sie von einer Seite verbreitet werden, die der eines gängigen Mediums wie einem Fernsehsender oder einer Tageszeitung zum verwechseln ähnelt. Es kommt dabei nicht darauf an, dass diese Seite irgendjemandem bekannt ist. Diese Seiten lassen sich so gut wie nie zu ihrem Hintermann zurückverfolgen.
Ist das erst einmal geschehen, braucht der Verbreiter von Fake News nur noch darauf zu warten, dass seine Nachricht von unachtsamen Nutzern oder solchen die der Meinung sind, die Medienlandschaft ihres Landes sei zensiert, verbreitet wird. Je öfter diese Fälschung geteilt wird, desto wirksamer wird sie.
Diese Wirkung kann sie dadurch entfalten,
– dass sie Aufmerksamkeit für ein Thema generiert und dabei erreicht, dass ein anderes Thema weniger beachtet wird.
– dass sie eine Person, die dem Urheber der Fake News unliebsam ist diskreditiert oder sogar in den Fokus von Strafermittlungen rührt.
– dass sie die klare Trennung zwischen Fakten und Fälschungen aufhebt, so dass andere Vertreter des Urhebers der Fake News Fakten bestreiten können, da sie ja „umstritten“ oder nicht „beweisbar“ seien.
Dabei macht sich der Verbreiter eine Besonderheit der menschlichen Wahrnehmung zu nutze. Wir nehmen Neuigkeiten besser war, je öfter und lauer sie uns begegnen. Die Warnblinkanlage eines Autos zum Beispiel ist deshalb so gut wahrnehmbar, weil diese an- und ausgeht und nicht einfach orangefarbend leuchtet. So können wir sie schneller sehen als die deutlich helleren Scheinwerfer des Fahrzeugs. Das selbe gilt für Fake News, wenn wir zusätzlich zu den vorhandenen Medien, deren Berichterstattung eine gewisse Konstanz hat, mit gefälschten Nachrichten geflutet werden, nehmen wir diese stärker war als die normalen Medien, weil sie ähnlich wie der Warnblinker mit starken Reizen arbeiten. Das Scheinwerferlicht der Presse und der Medien wird daher erst als zweites von uns wahrgenommen.
Jüngste Beispiele dafür sind die gefälschten Meldungen über vergewaltigende Bundeswehrsoldaten in Litauen oder die Meldung, dass Schweden schwere Artilleriegeschütze an die Ukraine verkauft.
So gelingt es eine Agenda zu setzen, die nicht auf Fakten oder Analysen beruht, sondern auf bewusster Täuschung. Diese Agenda kann dann von leicht von Populisten aufgegriffen und mit Unzufriedenheit über tatsächliche Missstände einer Gesellschaft vermischt werden. Mit diesem Rezept haben populistische Parteien und Politiker in Europa und Nordamerika mehr Erfolge bei Wahlen als jemals zuvor. Beispielhaft sei hier die „Fünf-Sterne-Bewegung“ aus Italien oder der Front National in Frankreich zu nennen.
Hinzu kommt, dass Seiten, die Fake News verbreiten bei Teilen der Bevölkerung schon deshalb einen Vorschuss an Glaubwürdigkeit genießen, weil sie nicht zu den bereits etablierten Medien zählen.
Wie erkennt man Fake News?
Fake News können sie fast immer mit genauem Lesen, einer Google Suche und dem Anwenden ihres gesunden Menschenverstands in folgenden Schritten erkennen.
1. Kenne ich den Urheber dieser Nachricht?
Ist diese Seite ein Presseerzeugnis oder Medium, dass auch außerhalb von Facebook, Twitter und anderen Social Media bekannt ist? Das wird sich einfach verneinen lassen, wenn eine Nachrichtenseite auf Facebook zwar mehrere Tausend Follower hat, aber auf der Wikipedia weder sie noch ihre Betreibergesellschaft zu finden ist. Wenn der Urheber auf Wikipedia zu finden ist, verschaffen sie sich einen Eindruck davon, ob er Journalismus betreibt oder nur ein Vehikel zur Verbreitung von Fake News ist.
2. Ist diese Nachricht nur über dieses Medium verbreitet worden?
Wenn eine Nachricht nur über ein Medium verbreitet wird, liegt das in Neun von Zehn Fällen daran, dass sie keine tatsächliche Nachricht ist. Würden alle anderen Medien diese Nachricht nicht verbreiten, würden sie riskieren weniger Reichweite zu haben, die wiederum mit dem Erfolg des Mediums korreliert. Wenn sie also eine schockierende Meldung lesen, die entweder viele Menschen betrifft oder Empörendes enthält, diese aber in keinem anderen Medium finden, haben die anderen Medien diese nicht verbreitet, weil sie keinen Beleg dafür finden konnten. Sie sollten dieser Nachricht also nicht trauen.
3. Sie dürfen nachprüfen!
Wenn sie nach Anwendung der ersten beiden Schritte noch unsicher über den Wahrheitsgehalt einer Meldung sind können sie die dargestellten Behauptungen in Fachbüchern nachschlagen, auf Wikipedia gegenlesen oder Experten auf dem dazu passenden Feld befragen. Wikipedia hat den Vorteil, dass ihre Artikel in der Regel das Ergebnis einer Diskussion mit dem Ziel der Darstellung des neutralen Standpunktes sind. Falsche Behauptungen oder verzerrte Meinungsbilder sind bei genauer Betrachtung nicht zu letzt unter Zuhilfenahme von Wiki-Watch in Wikipedia verhältnismäßig gut erkennbar. Jedenfalls liefert sie demjenigen, der unsicher über den Wahrheitsgehalt einer Nachricht ist, einen schnellen ersten Überblick über ein Themengebiet.
Mehr kann die Wikipedia an dieser Stelle nicht leisten. Das Studieren von Fachliteratur oder Befragen von Experten liefert deutlich genauere und zuverlässigere Ergebnisse.
Wenn sie fünf bis zehn Minuten ihrer Zeit Opfern um diese drei Schritte durchzuführen, werden sie fast alle Fake News als solche entlarven können.
Die Ausgangsfrage lässt sich also leicht beantworten: Ja Wikipedia kann ein Werkzeug sein Fake News zu erkennen, aber wer über eine Materie tiefere Sachkenntnis haben und in Debatten Fakten von Fiktion trennen können möchte, darf sich nicht auf Wikipedia verlassen.