Nie war Wikipedia erfolgreicher, nie relevanter. Wiki-Watch berichtete in den vergangenen Wochen über die Wikipedia-Einträge über die Atomkatastrophe von Fukushima oder den Umsturz in Ägypten. Zehntausende suchten Erklärung und Einordnung. Wikipedia erreichte neue Nutzerrekorde. 400 Millionen Menschen nutzten inzwischen monatlich Wikipedia, schreibt die Direktorin der Wikimedia Foundation Sue Gardner in ihrer März-Nachricht an die Wikipedianer.
Doch: Dieser Erfolg wird von immer weniger aktiven Autoren erarbeitet. Wikipedia wird verstärkt zu einem Projekt einer Elite langjähriger Autoren. Neue Wikipedia-Autoren scheiterten vermehrt daran, sich in die Wikipedia-Gemeinschaft zu integrieren, „und das immer schneller“, heißt es in der Erklärung Sue Gardners. Und: „Es ist zu schwer geworden, sich in die Wikipedia-Gemeinschaft einzufügen.“
Das Thema Autorenschwund steht jetzt ganz oben auf der Agenda der Wikimedia Foundation, zuletzt am vergangenen Wochenende bei einer internationalen Tagung des Kuratoriums in Berlin.
Die Editor Trends Study, deren Ergebnisse nun vorliegen, ist Grundlage einer breiten und offenen Diskussion. Der Studie zufolge waren in der englischsprachigen Wikipedia vor 2005 etwa 40 Prozent der neuen Autoren auch ein Jahr nach ihrer Registrierung noch aktiv. Als aktiver Editor wird in der Studie angesehen, wer zumindest fünf Edits im Monat vornimmt. In den Jahren 2005 und 2006 nahm dieser Wert rapide ab. Seither bearbeiten nur noch zwischen 12 und 15 Prozent der neu angemeldeten Autoren auch ein Jahr später noch Artikel. Mit anderen Worten: Nur noch etwa jeder achte Neu-Autor bleibt der Wikipedia erhalten.
Besonders bemerkenswertes Ergebnis der Studie für die deutschsprachige Wikipedia ist: Keine Wikipedia-Community altert schneller. 2010 waren von allen deutschsprachigen Autoren nur 25 Prozent seit weniger als einem Jahr dabei, alle weiteren waren bereits seit über einem Jahr aktiv. 2005 stießen noch 70 Prozent der Autoren neu dazu, 2007 etwa 40 Prozent. In der englischsprachigen Wikipedia liegt der Anteil neuer Schreiber heute noch bei etwa 40 Prozent, den Spitzenwert erreicht die russische Version mit 52 Prozent.
Ein Grund dafür der raue, ja oft bösartige Ton, der in den Diskussionen herrscht, die innerhalb von Wikipedia bei Meinungsverschiedenheiten geführt werden müssen. Selbst ein großer Teil der Administratoren hat, wie die Wiki-Watch-Umfrage vom Herbst 2010 zeigte, keinen Spaß mehr an der Editoren-Tätigkeit. Notwendig wäre ein konsequentes Durchgreifen gegen eine kleine Gruppe aggressiver „poisonous people“.
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[…] Das ist nicht allein die persönliche Sichtweise Markus Kampas. Auch der Wiki Watch-Blog etwa berichtet: Besonders bemerkenswertes Ergebnis der Studie für die deutschsprachige Wikipedia ist: […]
… ich muss leider zustimmen.
Es gibt allerdings einen Unterschied zwischen Artikeln über Themen, in denen sich viele Leute auskennen, und Themen, die etwas „abgelegener“ sind und zu denen nur wenige Leute etwas sagen können.
Das vielzitierte „Wissen der Masse“ findet bei ersteren durchaus Anwendung, denn da findet man tatsächlich sehr oft das hohe Niveau, für das das deutsche Wiki oft gelobt wird.
Ganz anders sieht es jedoch bei der zweiten Kategorie aus. Da finden sich nicht selten katastrophale Fehler und Falschaussagen.
Wenn sich dann aber mal jemand dazu aufrafft, diese Fehler zu korrigieren, wird er überrascht feststellen, dass die Korrekturen in kürzester Zeit wieder verschwinden und durch die alten Fehler zurückersetzt werden – und diese werden dann oft auch noch in langen Diskussionen erbittert verteidigt.
Es gibt bei Wikipedia inzwischen zu viele Leute, die viel zu sehr an ihren selbstverfassten Einträgen hängen und es nicht ertragen können, wenn auch nur ein Iota daran geändert wird.
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