Gastbeitrag: Hohe formale Hürden schrecken Autoren ab

„Herbivore“ war Autor der deutschsprachigen Ausgabe der Wikipedia. Er hat die Erfahrung gemacht, dass Artikel mittlerweile hohen formalen Anforderungen zu genügen haben. Gerade unerfahrenen Autoren sei es kaum möglich, all diese Regeln zu kennen. Ein Scheitern an diesen strengen Hürden sei mitverantwortlich für den Autorenschwund bei Wikipedia. Wir veröffentlichen seinen „offenen Brief an Wikipedia“ auf unserem Blog als Gastbeitrag.

Hallo Wikipedia,

ich würde gerne eine Diskussion über das Rückgängigmachen aus formalen Gründen von Änderungen in Wikipedia-Artikeln anstoßen.

Als sporadischer und zugegeben ungeübter Autor der Wikipedia ist es mir leider schon mehrfach passiert, dass ich Informationen auf Wikipedia eingetragen habe und die Änderung dann aus formalen Gründen rückgängig gemacht wurde. Dass es mittlerweile viele Vorgaben zur einheitlichen Gestaltung und Formatierung von Artikel gibt, ist verständlich und grundsätzlich sinnvoll. Nur ist es mir als gelegentlicher Autor nicht möglich, diese Regeln alle zu kennen. Deshalb würde ich mir wünschen, dass ich neue bzw. fehlende Informationen nur liefere und einer der geübten Autoren sie in das erforderliche Format bringt. Das wäre wesentlich konstruktiver, als wenn die Änderung von einem Moderator einfach nur rückgängig gemacht wird.

Ich vermute, das Rückgängigmachen wurde als einfache und schnelle Gegenmaßnahme gegen Vandalismus eingeführt. Ich habe das Gefühl, dass es mittlerweile auch oft eingesetzt wird, wenn hinter der Änderung eine konstruktive Absicht stand.

Es ist auch kaum ersichtlich, was genau der Auslöser für das  Rückgängigmachen war und was geändert werden müsste, damit die Änderung akzeptiert wird. Insofern habe ich dann notgedrungen darauf verzichtet, die Änderung abgeändert erneut vorzunehmen. Durch das in meinen Augen destruktive Vorgehen, gehen neue Information für Wikipedia also verloren.

In einigen konkreten Fällen habe ich versucht, das jeweilige Problem auf den Diskussionsseiten der Artikel oder Moderatoren zu klären, bin dabei aber auf geringen Kooperationswillen gestoßen. Außerdem macht es wenig Sinn, das generelle Problem jedes Mal mit dem jeweiligen konkreten Moderator neu zu diskutieren.

Ich denke, es geht nicht nur mir alleine so, dass ich dadurch abgeschreckt werde. Man möchte gerne etwas beitragen, scheitert aber an formalen Gründen. Möglicherweise ist diese Hürde mit ein Grund für den Autorenschwund auf Wikipedia.

Dabei wäre es gerade durch die ungesichteten Versionen gar kein Problem, wenn die Änderungen nicht gleich auf Anhieb allen formalen Kriterien entsprechen, sondern sie könnten problemlos überarbeitet werden, bevor sie dann für alle sichtbar geschaltet wird.

Ich würde mich freuen, wenn meine Erfahrungen und Vorschläge dazu beitragen würden, wenn sich an den beschriebenen Punkten in der täglichen Praxis etwas verändern würde, um neue Autoren nicht unnötig abzuschrecken.

herbivore

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Antworten zu Gastbeitrag: Hohe formale Hürden schrecken Autoren ab

  1. Sebastian Wallroth sagt:

    „Herbivore“ scheint ein Pseudonym zu sein. Einen Benutzer „Herbivore“ finde ich in der Wikipedia nicht.

    • Falke sagt:

      Hallo Herr Wallroth, danke für Ihren Kommentar! Wir haben „Herbivore“ vor Veröffentlichung gefragt, unter welchem Benutzernamen er in der Wikipedia aktiv ist bzw. war. Er teilte uns daraufhin mit, dass er aufgrund der in seinem offenen Brief genannten Umstände seine ohnehin geringe Aktivität relativ bald wieder eingestellt hat. Alle relevanten Änderungen habe er unangemeldet, also unter seiner IP durchgeführt.

  2. Jürgen Friedrich sagt:

    Ich finde den Offenen Brief von herbivore sehr bedenkenswert (wobei es ziemlich unerheblich ist, ob herbivore als Benutzername in der Wikipedia existiert oder nicht). Die Qualitätsanforderungen – auch formaler Art – an Wikipedia-Artikel sind im Laufe der Zeit ständig gestiegen und das ist auf der einen Seite gut, weil die Leser einer Enzyklopädie einen Anspruch auf qualitativ hochwertige Artikel haben. Auf der anderen Seite begrenzen die aus der Qualitätssicherung resultierenden strengen Regeln die Beteiligung neuer oder gelegentlicher Autoren. Die Wikipedia-Community sollte darüber nachdenken, ob dieses Problem nicht durch die Einführung einer neuen Rolle „Supporter“/“Unterstützer“ abgemildert werden kann. Die Administratoren und Sichter sehen ihre Aufgabe offensichtlich ganz überwiegend im Bereich der direkten Qualitätssicherung. Für die Autorenförderung gibt es zwar ein „Mentorenprogramm“, aber für neue und insbesondere gelegentliche Autoren erfodert der „Weg zum Mentor“ bereits eine hohe Hürde („Lohnt sich die Suche nach einem Mentor, wenn ich nur mal eben eine Kleinigkeit ändern will, aber die formalen Regeln nicht genau kenne?“). Die Unterstützung sollte daher wesentlich direkter, individueller und proaktiver sein. Jeder Artikelentwurf, der nicht den formalen oder inhaltlichen Regeln entspricht, sollte bei einem „Supporter“ landen, der dann von sich aus eine (verständnisvolle) Kommunikation mit dem Autor sucht, dem Autor die Regeln erläutert und ggfs. auch in mehreren Iterationen Unterstützung anbietet. Der Vorschlag von herbivore, dass er nur die Information liefern möchte und ein anderer „geübter“ Autor den Artikel verfasst/verbessert, entspricht nicht dem in der Wikipedia verfolgten partizipativen Wiki-Prinzip; eine aktive Untersützung der Autoren aber sehr wohl. Letztlich müssen solche Überlegungen von der Wikipedia-Community selbst aufgegriffen werden. Wikimedia Deutschland hat im Jahresplan 2016 die Unterstützung bei der Autorengewinnung und beim Halten von Autoren zu einem ihrer Schwerpunkte erklärt. Das erwähnte Supporter-Konzept wäre da nur eine von vielen Maßnahmen, die nötig sind, um die Zahl der Autoren und deren Diversität zu erhöhen.

Kommentare sind geschlossen.