Den wenigsten Lesern unter Euch wird die Zeitschrift „eigentümlich frei“ (Auflage 8.000 Hefte) bekannt sein. Und doch hat es das umstrittene Blatt in den vergangenen Wochen zu einiger Popularität gebracht. Denn in den Medien ist ein Streit über behauptete Manipulationen von Wikipedia-Artikeln durch ultralinke Wikipedia-Admins und -Autoren entbrannt.
Dabei geht es strenggenommen um einen einzigen (Einleitungs-)Satz, in dem das Magazin in der Neuen Rechten verortet wird:
„eigentümlich frei (kurz: ef) ist eine politische Monatsschrift, die seit 1998 erscheint und Positionen vertritt, die von Herausgeber und Chefredakteur André F. Lichtschlag als individualistisch, kapitalistisch und libertär bezeichnet, von Politikwissenschaft und Publizistik hingegen in der Neuen Rechten verortet werden.„
Die Monatsschrift ist nicht bereit, die Formulierung im letzten Halbsatz hinzunehmen. Auf der eigens eingerichteten Website „Rettet Wikipedia“ heißt es zu den „Wikipedia-Manipulationen“:
„Seit Oktober 2012 werden die Wikipedia-Einträge über die Zeitschrift eigentümlich frei und deren Herausgeber André F. Lichtschlag von einigen wenigen Extremisten manipuliert. Liberale werden in Nazinähe gerückt oder als „Neue Rechte“ verleumdet. Wir werden das nicht hinnehmen. Zusätzlich zu einer journalistischen und juristischen Aufarbeitung werden wir auf dieser Seite die Manipulationen dokumentieren und die teilweise aus feiger Anonymität heraus agierenden Täter versuchen zu benennen.“
Zu den prominenten Unterstützern von „ef“ gehört deren Autor Hans-Olaf Henkel. In seiner Montagskolumne im Handelsblatt vom 29. Oktober 2012 beschreibt der Honorarprofessor wie in der Wikipedia zunehmend die Pressefreiheit unter Beschuss genommen wird:
„Im Internet ist die Pressefreiheit besonders bedroht. Neuerdings ist Wikipedia das Schlachtfeld perfider Anschläge auf die Pressefreiheit. Ideologen geht es dabei nicht mehr nur um Einflussnahme auf Presseorgane, sondern um ihre Vernichtung. Zurzeit versuchen sie, das intellektuell anspruchsvolle, der Freiheit verpflichtete Magazin „Eigentümlich Frei“, über Manipulationen von Wikipedia sturmreif zu schießen.“
Wenig später, am 12. November 2012, kommentierte „ef“-Autor und Leiter des FOCUS-Debattenressorts Michael Klonovsky „die laufende Desinformation über die Zeitschrift eigentümlich frei auf Wikipedia“ mit folgenden Worten (FOCUS vom 12.11.2012, S. 129.):
„Solcherart ‚frisierte‘ Wikipedia-Artikel sind desto häufiger, je politischer und meinungsfähiger ein Gegenstand ist. Man muss nur die Seiten Feminismus (= gut) und Männerrechtsbewegung (= rechts) vergleichen oder Neue Rechte (= rechtsextrem) und Neue Linke (= gut, nur RAF war extrem). Gegeneinträge oder Korrekturen werden gelöscht.“
Am 16. November 2012 meldete sich die CDU-Politikerin Vera Lengsfeld via Die Achse des Guten zu Wort. In ihrem Artikel erklärt die Autorin wie „Wikipedia Deutschland ihre Benutzer linkt“:
„In Deutschland gibt es nur wenige Libertäre. Die Deutschen scheinen traditionell Kollektivismus in allen seinen Formen zu bevorzugen. Deshalb gibt es in unserer scheinbar vielfältigen Presselandschaft nur zwei libertäre Zeitungen, die Wochenzeitung „Preußische Allgemeine Zeitung“ (PAZ) und die Monatsschrift “eigentümlich frei“ von André Lichtschlag. Offenbar zwei zu viel für gewisse, ideologisch verhärtete, ultralinke Wikipedia- Administratoren -, und Autoren, die sich mit deutscher Verbissenheit dran gemacht haben, beide Publikationen zu verunglimpfen. Das einfachste und zugleich perfideste Mittel ist, den bekämpften Presseerzeugnissen das Etikett „rechts“, „ultrakonservativ“ oder auch „neurechts“ anzuheften. Für das Selbstverständnis der Zensoren ist charakteristisch, dass sie glauben, nicht die geringsten Beweise für ihre Klassifizierungen bieten zu müssen.“
Auch das umstrittene Blog „Politically Incorrect“ kommentiert die Situation mit verachtenden Worten:
„Im politisch linksversifften Wikipedia kann man vielleicht Artikel über ‚Frei-Laubersheim‘ oder die ‚Schwarze Witwe‘ lesen und glauben, aber politisch wird alles, was konservativ und schwarz ist oder nicht in die freiheitsfeindliche, politkorrekt stinkende, rotgrüne Einheitsbrühe passt, sofort in eine rechtsextreme Ecke gestellt. Da kann man sich bemühen, wie man will, und kuschen, wie das die Preußische Allgemeine getan hat, oder um Hilfe rufen wie ef-Chef André Lichtschlag. Das nützt alles nichts. Bei Wikipedia Politik regieren linksextreme Antifanten, Rote Socken, Indymedia-Verbrecher und Kommunisten aller Art. So ist das libertäre eigentümlich frei jetzt auch ein Nazi-Scharnier. Beweis sind, wie immer in solchen Fällen, die geistlosen Exkremente roter Politruks nach dem Motto “semper aliquid haeret”. (…) Der Autor dieser Zeilen hält absolut nichts von Freundlichkeit und Dialog mit linksfaschistischen Blockwarten! Deren geistige und charakterliche Bandbreite reicht ungefähr soweit wie früher im DDR-Polibüro.“
Am 16. November 2012 nimmt „Schwarze Feder“ vom Wikipedia-Kurier Stellung zu den Vorwürfen. In dem Beitrag unter dem Titel „Der Name ist der Reaktion (!) bekannt“ heißt es:
„Man darf gespannt sein, wer sich in dieser Kampagne noch alles so meldet. Aber, liebe Kollegen und Kolleginnen von der eigentümlich frei: Ihr solltet an Eurer Strategie feilen: Es kommt nicht so gut an, wenn ihr den Wikipedia-Gründer bittet (http://sciencefiles.org/2012/07/29/feindliche-ideologische-ubernahme-deutsche-wikipedia-droht-im-desaster-zu-enden/), dass er aus einer vermeintlich ideologischen Verbundenheit mit Euch Wikipedia-Autoren im deutschsprachigen Wikipedia sperrt und Artikel nach Eurem Gusto umschreibt. Und es wird in der Wikipedia-Community auch nicht gerne gesehen, wenn Hochglanz-Magazine wie der Focus sich an der Recherche nach Klarnamen von Wikipedia-Autoren beteiligen.“
Wikipedia-Autor Wiggum sieht es so:
„Ich glaube mit dem ’stinknormalen ideologischen Links-Rechts-Zoff‘ macht man es sich da ein bisschen einfach. Mit so einer verkürzten Sicht würden wir nicht das erste Mal auf die Nase fallen. Es ist doch offenkundig, dass da eine peer group mobilisiert werden soll. Das betrifft ja nicht nur eigentümlich frei (aktuelle Ausgabe mit Knallern wie: „NSU-Vorläufer Linksterrorismus“) oder die Preußische Allgemeine Zeitung (Untertitel: ‚Das Ostpreußenblatt‘) sondern auch andere ‚politisch inkorrekte‘ Postillen, in denen mehr oder weniger regelmäßig zur ‚Korrektur‘ der Wikipedia mobilisiert wird. Alles der gleiche Dunstkreis aus rechtskonservativen bis rechtsextremen selbsternannten Libertären, die überall Denkverbote, ‚political correctness‘, Sozialismus und den Untergang des Abendlandes überhaupt wittern.“
Und was sagt die versammelte Wiki-Gemeinschaft auf der Diskussionsseite zum „ef“-Artikel dazu?
Der mittlerweile gesperrte Benutzer „Tobiasfuentes“ meint, dass der umstrittene Halbsatz („von Politikwissenschaft und Publizistik hingegen in der Neuen Rechten verortet„) nichts in einer Einleitung zu suchen hat. Dies sei eine einseitige Verkürzung, die inhaltlich falsch und nicht mit Quellen fundiert ist und somit in die Irre führt. Benutzer „GUMPi“ kritisiert, dass sprachlich von der Gesamtheit der Politikwissenschaft und Publizistik die Rede ist, obwohl nur einzelne Wissenschaftler die „ef“ in der Neuen Rechten zuordnen. „Flabber“ meint dazu gereizt:
„Wie einzelne und gut organisierte Akteure auf Wikipedia mit allem umgehen, was nicht staatsgläubig, links und klimahysterisch ist, hat schon lange faschistoide Züge angenommen. (…) Widerwärtiger Artikel, der in der Form in einer Enzyklopädie nichts verloren hat. (…) Es ist schwer erträglich, diesen Artikel in seiner jetzigen Form zu schützen. Eine Form nämlich, bei der gleich in der Einleitung klar wird, was er bezwecken soll: in die Irre führen statt informieren!“
Andere Wikipedianer halten trotz der Kritik an der Formulierung fest. „YourEyesOnly“ – der in dem „ef“-Aufruf“ neben „JosFritz“, „SanFran Farmer“ und „188.192.23.17“ der „massiven Manipulation“ bezichtigt wird – gibt zu Protokoll:
„Liebe Redaktion von eigentümlich frei, wenn ich derartigen Humbug lese, dass ich mich an einer ‚massiven Manipulation‘ beteiligt hätte, wo ich einzig und allein das getan habe, was mir das Admin-Amt hier vorschreibt, nämlich einen weiteren Edit War zu unterbinden, da mache ich mir ernsthaft Gedanken ob der Güte Eures Blättchens.“
Auch Benutzer „188.192.23.17“ kann die Aufregung nicht nachvollziehen. Seiner Meinung nach ist die Einleitung seriös und faktenbasiert:
„Vielleicht liegt es daran, dass die Beteiligten nicht wissen, dass wir enzyklopädisch nach Sekundärliteratur arbeiten? Die in dem Artikel von mir editierten Darstellungen basieren genau auf solcher. Wendet euch also z.B. an Karin Priester, Prof. für Politische Soziologie, wenn ihr mit der Einordnung nicht einverstanden seid. Oder an ‚Politik und Zeitgeschichte‚, wo ihr Fachartikel 2010 veröffentlicht wurde, oder an die Bundeszentrale für Politische Bildung, wo er seit 2012 auf der Website steht. Immer wieder erstaunlich, dass es ausschließlich Leute vom Schlage Lichtschlag und Hoffmann sind, die solche Aufrufe starten, flankiert von Politically Incorrect, und dass sich dann prompt Leute einfinden, die Artikel in deren Sinne verändern wollen.“
Eine verfahrene Situation, die vorerst gestoppt worden ist. Aufgrund des jüngsten Edit Wars ist der Artikel derzeit vor weiteren Bearbeitungen geschützt.
Die Kritik an Wikipedias Mitarbeiterstruktur ist nicht neu. Dass informelle Bündnisse innerhalb der Wikipedia regelmäßig kollaborieren, um bestimmte Sichtweisen zu unterdrücken, wurde und wird von verschiedenen Seiten kritisiert. Ob es allerdings gerechtfertigt ist, von „Linkipedia“ zu sprechen, in der Ideologisierung, Manipulation, Halbwahrheiten, politische Einfärbung, Falschinformation, Geschichtsklitterung, Diffamierung, Löschung nicht linientreuer Beiträge an der Tagesordnung sind, kann hier nicht beantwortet werden. Klar ist jedoch: Die Debatte um ideologisch gefärbte Politik-Einträge muss geführt werden, damit Wikipedia glaubwürdig bleibt und sich weiterhin eine „freie Enzyklopädie“ nennen darf.
PS: Wir freuen uns über Anregungen, Ergänzungen und Kommentare!
Toll, daß die Sache mal an die Öffentlichkeit kommt!
Der Medienwissenschaftler Arne Hoffmann, selbst Betroffener dieser ideolog. eingetrübten Diffamierungen, beobachtet dies Treiben in der deutschsprachigen Wikipedia schon seit geraumer Zeit, lese hier:
http://genderama.blogspot.de/2012/11/wikipedia-jetzt-ist-der-focus-im-visier.html
Aus dem Archiv: http://genderama.blogspot.de/search?q=Wikipedia
Ich selbst habe es mehrmals erlebt, daß sogar auf sog. „Diskussionsseiten“ Aussagen, Fragen und Hinweise meinerseits umgehend – ohne jegl. Begründung – „ausradiert“ wurden (läßt sich praktisch in „Echtzeit“ mitverfolgen).
Seitdem in der Wikipedia unzählige Seiten aus alten („marxistisch-leninistischen“) DDR-Lexika eingefügt wurden, nenne ich sie soweiso nur noch „Schwindelpedia“…
MFG
Arne Hoffmann hat auch hier Schritt für Schritt dargelegt, wie in seinem Fall getrickst wurde, um ihn in der Wikipedia vom linksliberalen Autor zum rechten umzuschreiben:
http://arnehoffmann.blogspot.de/2012/11/politische-manipulation-in-der_11.html
Der Beitrag ist vor allem insofern ideales Anschaaungsmaterial, als er zeigt, dass auch ein Wikipedia-Eintrag, der scheinbar vor Quellenangaben erstickt, trotzdem geeignet ist, aus schwarz weiß zu machen. Hoffmann ist wohl kaum der einzige Fall, wo so gearbeitet wird.
Ich finde, daß Personen, die über andere Personen und zu Sachthemen auf Wikipedia schreiben, auch den Namen preisgeben sollten. Wo liegt hier eigentlich das Problem?
Dann weiß man, wer was geschrieben / verfaßt hat und kann es neutral beurteilen.
Und Wikipedia würde an Qualität gewinnen, wenn es endlich die Anonymität aufgibt. Denn Verleumder wären dann zur Verantwortung zu ziehen oder müßten sich – insbesondere bei offensichtlichen / absichtlichen Lügen – auch Kritik gefallen lassen für bewußtes Verbreiten von Unwahrheit.
http://schweizblog.ch/?p=6312
Ich halte es für rechtsstaatlich bedenklich, wenn jeder im Internet auf solchen Plattformen wie Wikipedia, die sich nationalem Recht entziehen, alles mögliche schreiben kann.
Glückwunsch zu diesem aufklärerischen Artikel. Dabei ist Wikipedia nur ein Medium von vielen weiteren, die den Pfad der politischen Korrektheit festlegen. Aktivitäten, diesen engen Pfad zu überschreiten, werden mittlerweile auf das Schärfste bekämpft. Das Internet hat dabei seine ursprüngliche Intention, eine freie Plattform der Meinungsäußerung zu sein, schon längst eingebüßt. Ich denke aber, dass Rechts-Links-Kategorien nicht geeignet sind – und auch noch nie geeignet waren – , die vorherrschende Dialektik zu beschreiben. Sie ist ganz klar auf die Frage ausgerichtet, ob der Mensch als gottgeschaffenes, selbstbestimmtes Wesen das Naturrecht genießt, sich nach eigenem freien Willen zu entfalten, oder ob er als Zufallsprodukt der Evolution dem Recht des Stärkeren im schrankenlosen Utilitarismus unterworfen ist. Die Aufklärung der Neuzeit hat mit dem Humanismus und der Säkularisation Letzterem zur Weltherrschaft verholfen. Dies wird sich wohl auf absehbare Zeit nicht ändern, hat jedoch aufgrund der vollkommenen Mediendurchdringung jeder menschlichen Existenz mittlerweile fast ausweglose Züge angenommen, was nicht wenige Menschen in Hoffnungslosigkeit, Gebährstreik und Selbstmord treibt, von den ständigen kriegerischen Auseinandersetzungen gar nicht zu reden. Der Humanismus zeigt mittlerweile groteske Züge der Inhumanität und des Totalitarismus. Ich sehe die Welt vor einer erneuten Zeitenwende, die allerdings lange Zeit brauchen und viele Opfer kosten wird.