Dr. Guttenberg und Wikipedia: „Wenn schon Politgeplänkel, dann richtig.“


Kein Wunder, dass der Bundesverteidigungsminister gern einfach KT genannt wird. Immer wieder gibt es Probleme mit den Vornamen. Einst war es der „Wilhelm“, der nicht in die stattliche Vornamenreihe gehörte, aber im Wikipedia-Artikel landete und prompt von diversen namhaften Medien genannt wurde. Und nun? Karl Theodor Xerox Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg. Xerox, Name eines großen Kopiererherstellers und im Englischen auch als Verb für eben jene Tätigkeit gebräuchlich, wurde in einem Anfall von humorvollem Vandalismus in den Wikipedia-Eintrag eingefügt. Spiegel Online berichtet darüber heute genussvoll, in der History des Artikels über den Minister findet sich die Änderung jedoch nicht mehr.

Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg ist wieder einmal Bundesminister der Selbstverteidigung. Diesmal trifft es ihn persönlich in seiner akademischen Ehre. Der Vorwurf: Passagen seiner Dissertation, geschrieben bei namhaften Verfassungs- und Europarechtlern an der Uni Bayreuth, seien Plagiate, abgeschrieben u.a. in der FAZ und der Neuen Zürcher Zeitung. Guttenberg nennt den Vorwurf „abstrus“, die Uni Bayreuth prüft, die Medien schreiben, und die Wikipedianer sind in heller Aufregung.

Wiki-Watch konstatiert: Der Wikipedia-Artikel über Guttenberg kann nicht mehr geändert werden, er ist seit 17. Februar 2011, 07:48„dauerhaft“ gesperrrt. Der Grund sind hektisch aufeinanderfolgende Änderungen, nicht etwa ein „Edit War“ infolge mehrerer Reverts. (Nur noch Administratoren dürfen derzeit Veränderungen vornehmen.)

Der Eintrag über den Bremer Rechtswissenschaftler Andreas Fischer-Lescano, der mit seiner Rezension in der „Kritischen Justiz“ die Plagiatsvorwürfe erhob, erlebte in den vergangenen 24 Stunden dafür gleich sieben Reverts und wurde vorübergehend gesperrt.

Wikipedia berichtet live, greift die Nachrichten der Medien unmittelbar auf. Enzyklopädischer Wert entsteht in Sekundenschnelle, und der Streit tobt auf den Diskussionsseiten sowohl von Guttenberg, als auch von Fischer-Lescano.

Los ging es gestern, am Mittwoch, den 16. Februar 2011, um 11.07 Uhr: Die Süddeutsche Zeitung hat am Morgen von dem Plagiatsvorwurf erstmals berichtet. Im Wikipedia-Artikel steht ganz nüchtern, dass im Februar 2011 Vorwürfe laut geworden seien, dass mehrseitige Passagen der Dissertation plagiiert wurden. Bis 13.21 Uhr entsteht durch zahlreiche Änderungen ein ganzer Absatz, noch immer neutral formuliert. Um 14.19 Uhr gibt es zum ersten Mal Diskussionen, dabei hat Editor „4Frankie“ nur weitere Quellen hinzugefügt, „übertrieben“ findet das ein anderer Autor. Die Frage, ob, welche und wie viele Medien für die gleichen Aussagen als Quelle zitiert werden sollen, beschäftigt die Editoren intensiv.

Am Nachmittag beginnt eine Diskussion darüber, welcher Downloadlink für die Rezension Fischer-Lescanos in den Artikel eingebunden werden soll – ein Server der Rosa-Luxemburg-Stiftung oder von Indymedia. Inzwischen ist das Problem gelöst, da sich die Rezension nun auch auf dem Server der NZZ findet. Den Abend und die Nacht hindurch gehen die Diskussionen. So etwa um 3.31 Uhr heute früh, als das Zitat des bayerischen SPD-Landtagsfraktionsvorsitzenden Markus Rinderspacher, Guttenberg solle bis zur Klärung der Vorwürfe auf seinen Doktortitel verzichten, mit der Begründung „Wenn schon Politgeplänkel, dann aber richtig“ hinzugefügt wird.

Um 8.48 Uhr heute Morgen ist der Spuk vorbei. Der Artikel „Karl-Theodor zu Guttenberg“ ist für Änderungen gesperrt. Auch daran gibt es Kritik: „Welche Werbung für Wikipedia. Der heute vermutlich am häufigsten aufgerufene (ca. 40.000 Aufrufe Mittwoch und Donnerstag) Artikel ist vollgesperrt. Mein Gott, was ist das hier für ein zahnloser Laden geworden“, schreibt „Matthiasb“ um 9.55 Uhr.

Live-Berichterstattung funktioniert ja auch anders.

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