Was wurde aus…? Das Schicksal von Brockhaus et als. 15 Jahre nach dem Start von Wikipedia

Noch in dieser Generation war er aus keinem Haushalt des Bildungsbürgertums wegzudenken. Ob als Statussymbol, faktenbasierter Schiedsrichter bei heißen Diskussionen am Esstisch oder schlicht und einfach als geballte Ansammlung von schnell verfügbarem Wissen, war der dreißig bändige Brockhaus eine unverrückbare Institution.

Mit der 21. Auflage des Klassikers von 2006 und der Auflösung der Lexikonredaktion im Jahr 2014 hat der Brockhaus die Wikipedia gerade mal um fünf beziehungsweise dreizehn Jahre überlebt.

Den Brockhaus ereilte damit das selbe Schicksal wie das Segelschiff, das vom Dampfschiff ersetzt wurde, das Pferd, das durch das Automobil als Transportmittel überflüssig wurde und so viele andere obsolet gewordene Technologien oder Dienstleistungen. Der Brockhaus und andere Enzyklopädien wurden durch die Wikipedia, die dieselbe Dienstleistung kostenlos online anbot, in den Augen ihrer Kunden überflüssig. Ein disruptiver Effekt zerstörte das Geschäftsmodell der Enzyklopädieverlage.

Doch ist die Geschichte wirklich so simpel?

Zunächst lohnt ein Blick auf die Entstehung einer so umfangreichen Enzyklopädie wie dem Brockhaus oder der Encyclopedia Britannica.

Große Nachschlagewerke wie zum Beispiel der Brockhaus sind das Produkt der Arbeit von bis zu einhundert Redakteuren und einer Vielzahl von weiteren wissenschaftlichen Mitarbeitern. Diese versuchen nicht den neutralen Standpunkt zu einem Thema zu finden, sondern das gesicherte Faktenwissen zu einem Stichwort möglichst informativ, verständlich und knapp zusammen zu fassen.

Im Vergleich zur Wikipedia, bei der die Identität und Qualifikation der Autoren grundsätzlich unbekannt ist und die Qualität der Eintragungen vor allem durch den Diskurs der Autoren erreicht werden soll erscheint diese Art, Wissen zu sammeln, wie aus der Zeit gefallen.

Daher erscheint es nur folgerichtig, dass die Wikipedia zahlreiche Untersuchungen auflistet, die belegen sollen, dass ihre Artikel trotz der Freiwilligkeit und Anonymität ihrer Autoren mindestens genauso gut, wenn nicht sogar besser sind als die der enzyklopädischen Konkurrenten.

Ein genauerer Vergleich der Qualität von großen Enzyklopädien und Wikipedia wäre schon deshalb nicht mehr sinnvoll, weil weder der Brockhaus, noch das Zeit Lexikon, die Bertelsmann Lexikothek oder irgendein anderes gebundenes Großlexikon noch aktualisiert werden.

Diese werden daher automatisch von Jahr zu Jahr schlechter abschneiden als die Wikipedia.

Auch beim Umfang des abgebildeten Wissens scheint die Wikipedia die klassischen Enzyklopädien bei weitem zu übertreffen, so hat die Wikipedia ungefähr siebenmal so viele Artikel, wie der große Brockhaus 2006 Stichworte hatte. Auch diese Tatsache kann man -wo auch sonst- in der Wikipedia nachschlagen.

Diese Fakten beantworten jedoch nicht die folgende Frage:

Hinterlassen die großen Enzyklopädien eine Lücke?

Die Antwort auf diese Frage kann nur ein klares „Jein!“ sein.

Auf der einen Seite wird eine so geballte Ansammlung an Faktenwissen, die so hohen Standards an Richtigkeit und Kompaktheit boten, wie die großen Enzyklopädien, auf absehbare Zeit nicht existieren.

Wie kann man aber nach dem Ende der großen Enzyklopädien sicheres Faktenwissen schnell finden? Auch wenn die Wikipedia in vielerlei Hinsicht stetig besser wird und viele sehr gute ausgewogene und hervorragend belegte Artikel aufweist, kann sie schon durch ihre Arbeitsweise nicht durchweg den selben wissenschaftlichen Standard bieten wie eine große Enzyklopädie. Der Nutzer, der bereit wäre den Preis für ein solches Lexikon zu zahlen ist so wieder darauf angewiesen, in der einschlägigen Wissenschaftsliteratur selbst nach Informationen zu suchen.

Auf der anderen Seite bietet die Wikipedia etwas, was die großen Enzyklopädien durch die Natur ihres Geschäftsmodells nie bieten konnten: (kosten)freies Wissen!

Vorausgesetzt, dass die Wikipedia belastbare Informationen und Fakten liefert, ist es auch aus Gerechtigkeitsgründen nur wünschenswert, dass ein gutes umfangreiches Nachschlagewerk frei verfügbar ist und nicht 2800€ oder ca. zwei Monatsnettolöhne eines Vollzeitarbeitnehmers mit Mindestlohn kostet.

Einer Monopolisierung von Wissen und Bildungschancen wird so vorgebeugt.

Wer die Wikipedia mit wachen und kritischen Augen liest, hat eine bemerkenswerte Wissensressource in seinen Händen.

Ob sie die große Enzyklopädie wirklich gleichwertig ersetzen kann, kann dahingestellt bleiben, da sie genau das faktisch getan hat.

Nun ist es an Ihnen, liebe Leser:

  • Wie sind Ihre Erfahrungen mit Brockhaus et al.?
  • Würden Sie noch das Geld in die Hand nehmen, um einen aktuellen Brockhaus o.ä. zu kaufen, wenn es diese noch gäbe?
  • Wo verschaffen Sie sich heutzutage Überblickswissen, zu Themen, bei der die Wikipedia schwach ist?

Schreiben Sie uns, wir freuen uns über jeden Kommentar und jede Zuschrift!

 

 

Foto von: Florian Hirzinger Lizensiert nach CC BY-SA 3.0 Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Brockhaus_Enzyklop%C3%A4die#/media/File:Draft01_wkp.png

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