Unterlegt von Vivaldis Vier Jahreszeiten blickt Wikipedia zum zweiten Mal zurück auf das endende Jahr und fasst in vier Minuten zusammen, was 2015 los war und wie die Enzyklopädie darauf reagiert hat. Auch wir wagen uns an einen Rückblick und fragen: Was bewegte die Wikipedia-Community 2015 am meisten?
Immer weniger aktive Autoren
Das noch junge Jahr 2015 fing mit einer schlechten Nachricht an: Die Zahl der aktiven Wikipedianer sinkt immer weiter. Benutzer:Zietz zufolge ist seit November 2012 die Zahl der Aktiven in der deutschsprachigen Wikipedia (Kriterium: Artikel-Bearbeitungen innerhalb der letzten 30 Tage) um über 3.000 zurückgegangen – von 22.113 im November 2012 auf 18.903 im Januar 2015. In Prozenten ausgedrückt ist das ein Abgang von rund 14,5 Prozent.
Zietz hat sich bei seinen Berechnungen nicht auf die offiziellen Statistiken verlassen, sondern seine Zahlen selbst generiert und in unregelmäßigen Abständen manuell festgehalten. Ob sie zu hoch sind oder zu niedrig, kann dahinstehen. Auch andere Auswertungen (z.B. diese, diese und diese) bestätigen den Trend.
Eine Mitmach-Enzyklopädie ohne aktive Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist nichts wert. Wikipedia muss sich also fragen: Wie kann gegengesteuert werden? Was müsste verbessert werden, um lanjährige Autoren zu halten und neue hinzuzugewinnen?
Und das sagt die Community:
- höhere Wertschätzung, Betreuung und Unterstützung lanjähriger Autoren
- Wikipedia ist zu „verkopft“: jeder Ansatz, einen Artikel zu verfassen/ein Lemma zu erstellen, wird im Ansatz erstickt (Relevanzkriterien und Löschpraxis; siehe auch diese aktuelle Diskussion)
- Artikel müssen immer höheren Anforderungen genügen, formal und vor allem inhaltlich
- viele Themen sind abgedeckt: einige wenige Spezialisten übernehmen das Ruder; Generalisten fehlen („Wikipedia zerfällt in Fachbereiche, die jeder ihr eigenes Süppchen kochen“)
- Admins, die mit ihrem Ton neue Benutzer vergraulen (Beispiel unter vielen: hier)
- „querschlagende Alteingesessene“, die sich jeder Änderung und Weiterentwicklung widersetzen
- kein Online-Kurs, in dem man lernen kann, wie editieren in Wikipedia geht; anders in der englischen Wikipedia, wo es z.B. Trainings für Studenten gibt
- ältere Zielgruppe wird vernachlässigt: viel mehr Ältere würden mitarbeiten, wenn die technischen und sozialen Hürden („arroganter Ton“, „von oben herab“) geringer wären
- Neuautoren sehen sich einem „Gestrüpp“ von Hilfen und Anweisungen gegenüber („Warum nicht darüber nachdenken, eine gute und hübsch bebilderte WP-Anleitung für Einsteiger als E-Book bzw. in einem E-Book-Format zur Verfügung zu stellen?“)
Computergenerierte Texte auf dem Vormarsch
Wer braucht schon neue Autoren. Von Robotern geschriebene, computergenerierte Texte sind auf dem Vormarsch! Ein neuer Versuch in der englischen Wikipedia zeigt, dass Maschinen nicht nur simple Sportberichte und Börsenmeldungen erzeugen können. Ein neuer Wikipedia-Algorithmus wildert jetzt im Bereich Kultur.
Ein Research Newsletter der Wikimedia Foundation berichtete im Januar 2015 über ein Projekt mit dem Titel „Playscript Classification and Automatic Wikipedia Play Articles Generation“ (auf Deutsch etwa: Klassifizierung von Theaterstücken und automatisches Erzeugen von Wikipedia-Artikeln). Die Forscher zeigen, wie ein Computer aus Texten, die er im Internet findet, Wikipedia-Artikel bastelt.
Die Protagonisten des Stücks und die wichtigsten Züge der Handlung werden zusammengetragen, wobei der Rechner unter anderem auf Quellen in Google Books und Google News zurückgreift, berichtet Benutzer:Aschmidt in seinem Kurier-Artikel.
„Und im Fall des Artikels über das Theaterstück Fourteen (de) von Alice Gerstenberg (en) stellte man zufrieden fest, dass der solchermaßen erstellte Text von der dortigen Community akzeptiert worden sei. Mit nur geringen Änderungen steht er seit dem Sommer 2013 (sic!) bis heute dort bereit, nur mit einem kleinen Wartungsbaustein versehen, der den noch nicht ganz passenden Tonfall des Algorithmus moniert. Aber auch das wird sich ganz sicherlich noch ändern. Und was steht dort zur Handlung des Dramas zu lesen? Ein Satz, der jeden Deutschlehrer zum Erbleichen bringen würde, läse er ihn in einer Abiturarbeit: Mrs Pringle hosts a dinner party. – Frau Pringle gibt ein Abendessen.„
Was schon möglich ist, zeigt ein Skript von Benutzer:Schnark, das in der Lage ist, aus den Informationen der Datenbank Wikidata einen Stub (in der Wikipedia ein Ausdruck für einen unfertigen oder sehr kurzen Artikel) vorzuschlagen, der immerhin schon den Einleitungssatz, Normdaten, Personendaten und ein paar Vorschläge für Weblinks bereithält. Werden Computer menschliche Autor langfristig ganz überflüssig machen?
Aus der Datenbank von Wikidata können keine kompletten Artikel geschöpft werden, meint Torsten Kleinz in der taz. Die Ontologie, sozusagen das Vokabular der Datenbank, könne nicht so vielfältig wie die menschliche Sprache sein und sei auf eindeutige Sachverhalte begrenzt. Die Einwohnerzahl von Berlin beispielsweise könne einfach aus einer Datenbank gelesen werden. Welche Bedeutung die preußischen Könige für die Geschichte Berlins hatten, sei jedoch in Datenbanken kaum zu erschließen.
Schöne neue Welt. Doch am Ende bleibt die Frage: Macht die Community überhaupt mit?
Paywalls: Digitale Schranken erreichen Wikipedia
Das Verhältnis zwischen Wikipedia und der Presse steht offenbar vor einer grundlegenden Wende. Immer mehr Online-Ausgaben von Tages- und Wochenzeitungen verschwinden hinter Bezahlschranken. Laut derstandard.at waren im November 2014 bereits 100 deutsche Tageszeitungen hinter einer Paywall. Von insgesamt 351 Tageszeitungen setzten fast ein Drittel der Medien auf Paid Content.
Dabei setzten 61 Prozent der Zeitungen beim Paid-Content-Angebot auf das Freemium-Modell, bei dem die Redaktion entscheidet, welche Angebote kostenpflichtig sind. 24 Prozent der Angebote nutzten das „Metered Model“, bei dem eine bestimmte Anzahl Klicks pro Monat frei sind. Lediglich bei vier Prozent der Verlage seien sämtliche Artikel nur gegen Entgelt lesbar, eine Zeitung setze auf freiwillige Bezahlung. Das gehe aus den Zahlen des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hervor.aus den Zahlen des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) hervor – derstandard.at/2000007706556/Deutschland-Fast-ein-Drittel-der-Zeitungen-setzt-online-auf-Bezahlmodelle
61 Prozent der Zeitungen beim Paid-Content-Angebot auf das so Freemium-Modell, bei dem die Redaktion entscheidet, welche Angebote kostenpflichtig sind. Dazu gehört beispielsweise bild.de, wo „exklusive Inhalte“ oder etwa Fußballvideos nur gegen Bezahlung genutzt werden können. 24 Prozent der Angebote nutzen das „Metered Model“, bei dem im Schnitt 16 Klicks pro Monat frei sind. Bei vier Prozent der Verlage sind sämtliche Artikel nur gegen Entgelt lesbar, eine Zeitung setzt auf freiwillige Bezahlung. – derstandard.at/2000007706556/Deutschland-Fast-ein-Drittel-der-Zeitungen-setzt-online-auf-Bezahlmodelle
Was bedeutet diese Entwicklung für Wikipedia? In Wikipedia-Artikeln müssen Belege angegeben werden (sog. Belegpflicht). Ein sehr großer Teil dieser Belege werde weiterhin nicht mit Fachliteratur, sondern durch Links auf journalistische Quellen bedient, was weniger auf deren Qualität als auf die freie Verfügbarkeit zurückgeht, erläutert Benutzer:Aschmidt in seinem Kurier-Artikel „Paywalls: Jetzt aber wirklich“.
Verschwinden journalistische Inhalte hinter Paywalls, hat das aus Sicht der Nutzer von Wikipedia zunächst einmal die Folge, dass Belege nicht mehr ad hoc überprüft werden können. Alles, was hinter einer Bezahlschranke verschwindet, ist jedoch weiterhin online verfügbar und steht somit auch weiterhin für Recherchen zur Verfügung.
Insofern ändert sich nichts:
„Vor allem aber hat die Eignung und Qualität eines Belegs bzw. einer Quelle als solche gar nichts mit online oder offline zu tun, sondern mit ihrem Inhalt, Verfasser und Verleger. Allein das entscheidet über ihre Eignung und nicht online oder offline. Ähnliches gilt auch für die Qualität einer Recherche, denn auch hier spielt es keine Rolle ob sie online oder offline erfolgt, sondern nur welche Quellen/Belege/Literatur sie konsultiert bzw. berücksichtigt.“ (Benutzer:Kmhkmh in der Diskussion zum Kurier-Artikel „Paywalls: Jetzt aber wirklich“)
Was sich ändert ist allein der freie Zugriff. Wikipedianer müssen sich also in Zukunft wieder mehr auf die „klassische“ Recherchearbeit – sprich: verstärkte Nutzung von Bibliotheken und Printmedien – einlassen. Was der Solidität der Artikel eher zu- als abträglich sein dürfte.
Wikimedia Foundation verklagt die NSA: PR-Gag mit Spendengeldern
Im März 2015 berichteten verschiedenen Medien (z.B. Heise, SpON, Guardian) über eine Klage der Wikimedia Foundation (WMF) gegen den US-Geheimdienst. Unter der Überschrift „Hört auf, Wikipedia-Nutzer zu bespitzeln“ erklären Wikipedia-Gründer Jimmy Wales und die Geschäftsführerin der US-Stiftung Lila Tretikov in der New York Times, dass die NSA mit ihren Spionageprogrammen die Rechte der Wikipedia-Nutzer verletzt.
„On our servers, run by the nonprofit Wikimedia Foundation, those volunteers discuss their work on everything from Tiananmen Square to gay rights in Uganda. (…) These volunteers should be able to do their work without having to worry that the United States government is monitoring what they read and write.“
Wikipedia-Autoren befassten sich mit sensiblen Themen – von der chinesischen Demokratiebewegung bis zu den Rechten von Homosexuellen in Uganda. Diese Freiwilligen sollten ihre Arbeit tun können, ohne dass die US-Regierung erfasst, was sie lesen und schreiben, fordern Wales und Tretikov. Neue Geheimdokumente von Edward Snowden würden jedoch darauf hindeuten, dass Autoren und Leser bestimmter Wikipedia-Artikel von der NSA abgehört und identifiziert werden.
Die US-Stiftung hinter Wikipedia wird in dem Prozess von der American American Civil Liberties Union (ACLU; die Klageschrift ist hier einzusehen) vertreten. Mehrere andere Bürgerrechtsorganisationen haben sich der Klage angeschlossen, unter anderem Amnesty International und Human Rights Watch, deren Klage vor dem Supreme Court 2013 scheiterte.
„Jedenfalls ein genialer Schachzug. Generiert zunächst mal jede Menge Gratis-PR, selbst die Drei-Minuten-Nachrichten im Dudelfunk haben es gerade gebracht. Man holt sich angesehene Organisationen wie Amnesty und Human Rights Watch mit ins Boot und positioniert sich dadurch als Global Player nicht nur in Sachen Enzyklopädie, sondern auch für Menschenrechte allgemein. Bei der tendenziell netzaffinen, NSA-kritischen Community punktet man auch endlich mal wieder. Falls man den Fall gewinnt, hat man die Weltmacht USA ganz alt aussehen lassen und einen kaum zu überschätzenden Reputationsgewinn erzielt. Aber selbst wenn man verliert, was viel wahrscheinlicher ist, wird man noch lange vom David-gegen-Goliath-Image profitieren. Chapeau. (Benutzer:Stefan64 in der Kurier-Diskussion „WMF verklagt die NSA“)
In der Community regte sich Protest gegen das eigenmächtige Vorgehen von Jimmy Wales. Wales verwende zum wiederholten Mal von den Autoren eingefahrene Spendengelder für eine PR-Aktion. Auch wenn die Aktion grundsätzlich gutgeheißen wird, kritisieren die User den eigene Umgang der WMF mit der Privatsphäre der Autoren. Schaue man sich den Umgang mit den Nutzerdaten durch die Foundation an, erscheine die Klage nicht besonders glaubwürdig, so die überwiegende Meinung in der Community.
PR-Netzwerke aufgedeckt: Tropfen auf den heißen Stein
Bezahltes Schreiben beschäftigt die Community nicht erst seit diesem Jahr. Das Thema ist allgegenwärtig. 2015 wurde in der englischsprachigen Wikipedia ein besonders perfides, betrügerisches Netzwerk namens Orangemoody aufgedeckt (wir und u.a. Die Zeit, Der Standard und Heise berichteten darüber).
Kein Einzelfall, das zeigt auch ein Sockenpuppennetzwerk, das in der deutschsprachigen Wikipedia im Oktober aufgedeckt wurde. Die Konten des Netzwerks führen offenbar zu der Werbeagentur „EliteSEO“, die offen mit Suchmaschinenoptimierung (SEO) für Wikipedia wirbt.
„Die Methode ist relativ einfach strukturiert. Es gibt „Sichter-Konten“ und „Einzweckkonten“ bzw. es wird per IP gearbeitet. (…) Die Sichter-Konten werden hochgezüchtet, bis sie Sichterrechte erhalten. Die Einzweckkonten und IPs stellen Weblinks als Refs getarnt zur Suchmaschinenoptimierung ein. Die Sichter sichten zumeist innerhalb von Minuten. Auch die Sichter selbst stellen als Ref. getarnte Weblinks ein und sichten sich gegenseitig. Die Firma wirbt mit speziell für die Wikipedia optimierte Strategie auf ihrer Website. Eine ausführliche Zusammenstellung und eine Darstellung der Arbeitsweise finden sich hier. Die Vermutung, dass die Sichterkonten für obige Werbeagentur arbeiten, ist aufgekommen, da auch mehrere Werbelinks auf die Werbeagentur eingestellt wurden.“ (siehe Projektseite „Wikipedia:Checkuser/Anfragen/Thorinmarx und die SEO-Optimierer“)
Es ist klar, dass die vielen PR-Schreiber der Reputation von Wikipedia als seriöses Online-Nachschlagewerk schaden. Unklar ist, wie (und ob) dem Problem beizukommmen ist.
„Das Problem ist, dass uns die bezahlten PR-Schreiber unglaublich stark von unserer Kernarbeit abhalten. Ich verbringe seit ca. 1-2 Jahren die meiste Zeit damit, irgendwelchen Werbe-Schrott aus den Artikeln zu halten und verwirrten Unternehmens-Schreibern zu erklären, weshalb die „mega geilste Innovation im Bleistiftgeschäft“ (oder so ähnlich…) hier nichts verloren hat. Dabei würde ich viel lieber Artikel im Bereich der Wirtschaftswissenschaft schreiben, aber der Tag hat leider nur 24 Stunden…“ (Benutzer:EH⁴² in der Diskussion zum Kurier-Artikel „Wiki-PR: Netzwerke Orangemoody & Eliteseo“)
Die Diskussion zum Thema zeigt eine gewisse Ratlosigkeit im Umgang mit bezahlten Schreibern. Ist dem Problem massiver PR in Wikipedia überhaupt noch Herr zu werden?
Fefe: Wikipedia „Teil des Probelms“
Im Juni 2015 bezeichnete der umstrittene Blogger Fefe Wikipedia als „Teil des Problems„. Was er damit meint, erschließt sich schnell: Die Online-Enzyklopädie werde zunehmend als Teil der „Lügenpresse“, des Establishments wahrgenommen, die offenbar ein großes Problem habe, neben dem Mainstream auch abweichende Positionen neutral darzustellen.
„Wie lange die wohl noch haben, bis die Lügenpresse-Chöre sich der Wikipedia zuwenden? Wenn man bedenkt, mit welch hehren Ansprüchen die mal gestartet sind, und heute gilt dort Faustrecht (…)“
Was auch immer man von Fefe halten mag: Er legt den Finger in eine Wunde in der Wikipedia. Die Artikel-Diskussion („Ein rechtsextremer farbiger Christ? – Der Info-Krieg auf Wikipedia“) zu Xavier Naidoo zeigt exemplarisch, wie Seiten zu lebenden Personen schnell zu einer Art „Internetpranger“ werden können. Oder der genau umgekehrte Fall: Bei anderen Personen, die gesellschaftlich geachtet sind, Kritik nahezu ausbleibt. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist Herfried Münkler. Es wundert daher kaum, wenn dies der Öffentlichkeit sauer aufstößt, wie jüngst die Causa Ganser.
Die Community ist, was Fefe betrifft, gespalten. Die einen halten ihn für „strunzblöd und bedeutungslos“, andere (Benutzer:Schreibvieh aka Pavel Richter) warnen davor, ihn zu ignorieren und zu marginalisieren: Fefe vertrete „einen bestimmten, durchaus meinungsstarken und einflussreichen Diskurs im Netz„.
„Und es wäre für eine Wikipedia, die nicht die ganze Zeit ihre Nase in ihrem eigenen Nabel bewundern würde, durchaus von Interesse, zu erfahren, was diese Gruppe, die einem Projekt wie Wikipedia durchaus gewogen war und / oder sein könnte / sollte, warum diese Gruppe sich so dermaßen von uns abgewendet hat. (oh, und das unsere Artikel zu fast allen politischen und zeitgeschichtlichen Themen voller Müll sind, das ist ja wohl auch hier Konsens, oder?)“ (Benutzer:Schreibvieh in der Kurier-Diskussion „Fefe nennt Wikipedia „Teil des Problems““)
Auch lohnt sich ein Blick auf die Diskussion zum Russland-Artikel in der Wikipedia, um zu verstehen, was Fefe mit seiner Kritik meint. In einer früheren Version des Artikels hieß es zur Rolle Russlands im Syrischen Bürgerkrieg: Russland habe bislang ganze drei Syrer als Flüchtlinge anerkannt und ihnen daher Asyl gewährt. Lässt man das so stehen, ist das bestenfalls selektiv – oder wie Benutzer:Zietz in seinem Kurier-Beitrag meint: gezieltes Russlandbashing. Bestes „Futter“ also für „die Lügenpresse-Schreihälse“.
Mittels einfachster Netz-Recherche hätte der Autor der fraglichen Zeilen ermitteln können, dass diese Zahl nicht ganze die „Wahrheit“ abbildet. Mehrere Quellen (z.B. FAZ, Die Zeit) belegen die erwähnten „3 Syrer“ zwar tatsächlich. Zusätzlich erwähnen die Beiträge allerdings eine zweite Zahl: 8.000 bis 12.000 Syrer, denen in Russland „zeitweiliges Asyl“ gewährt wurde. Die Zahlen sind alles andere als erfreulich und – wie Zietz bemerkt – kein Anlass, Russland in den humanistischen Himmel zu loben. Allerdings:
„Die Anzahl 8.000 oder 12.000 erscheint zumindest mir ein klein wenig höher als die 3, die der Wikipedia-Artikel glauben machen will.“
Der Russland-Artikel verdeutlicht ein allgemeines Problem: die selektive Wahrnehmung einiger Wikipedia-Autoren, die ihre Quellen – wie Benutzer:Zietz es ausdrückt – „oft mit schnellem Finger“ zusammengooglen, die sie benötigen, „um die vorgefertigte Aussage X oder den vorgefertigten Eindruck Y in Artikel Z hineinzuhämmern„. Aus diesen Versatzstücken entstehen Abschnitte, ganze Artikel, die mit einer enzyklopädisch ausgewogenen Darstellung bzw. einer neutralen Sichtweise wenig zu tun haben. Bei stark politisierten Themen sei zudem zu beobachten, dass „Weltsichverbreiter und Ideologen“ eigenen Interessen eine klare Priorität gegenüber einer enzyklopädisch angemessenen Darstellung einräumen, ergänzt Benutzer:Kmhkmh.
Dass der Amateur-Dokumentarfilm „Die dunkle Seite der Wikipedia“ (Youtube-Video) von Filmemacher Markus Fiedler, der dem Online-Lexikon vermachtet-autoritäre, intransparente Strukturen sowie Parteilichkeit bei gesellschaftspolitischen Artikeln bescheinigt, viel Zustimmung findet, dürfte daher niemanden ernsthaft überraschen.
Weihnachtsmann Jimmy Wales: „Wer an ihn glaubt, wird selig“
Ist der Mann, der sich als Vorkämpfer für Meinungsfreiheit und Menschenrechte sieht, als geistiger „Anführer“ der Wikipedia überhaupt noch tragbar? Wie Benutzer:Jayen466 im Kurier berichtet, hat sich Wikipedia-Gründer Jimmy Wales an Heiligabend, wiederholt in widersprüchliche Aussagen bezüglich seiner Kontakte zum diktatorischen Regime Kasachstans verstrickt.
Konkret ging es um ein Treffen in 2012 zwischen Wales und dem heutigem kasachischen Außenminister Jerlan Ydyryssow in den Vereinigten Staaten. Laut Wales‘ jüngster Aussage auf seiner Diskussionsseite will er den damaligen Botschafter nie getroffen oder gesprochen, noch überhaupt jemals von dieser Person gehört haben. Er habe nie eine offizielle Einladung nach Kasachstan angenommen und noch nie mit irgendjemandem von der kasachischen Botschaft in den Vereinigten Staaten gesprochen. Und er habe noch nie mit Kazakh TV gesprochen. Auf Englisch ließt sich das so:
„I have never met nor spoken nor even heard of Yerlan Idrissov. I have never accepted any official invitation to Kazakstan. I have never spoken to anyone at the Kazakh embassy in the US. I have never spoken to Kazakh TV.“
Von diesem Treffen gibt es jedoch einen Bericht von Kazakh TV, der kurz nach dem angeblichen Treffen erschien. Mag sein, dass die regierungstreue Fernsehanstalt die Meldung frei erfunden hat. Dumm nur, dass Wales bei seiner Ansprache bei der Wikimania 2012 in Washington der versammelten Wikimedia-Gemeinde offenbar selbst von dem Treffen erzählt hat. Zumindest gibt es eine entsprechende Tonaufnahme in Wikinews, deren Echtheit nicht in Zweifel steht.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich Jimmy Wales in schwere Widersprüche verstrickt, erläutert Benutzer:Jayen466: Bei der Wikimania 2011 in Haifa habe er vor Publikum gesagt, dass er mit dem kasachischen Premierminister Kärim Mässimow – unter dessen Schirmherrschaft das kasachische Wikipedia-Projekt „WikiBilim“ läuft – gesprochen hat. Auch von dieser Rede existiert eine Aufnahme, die auf YouTube als Video verfügbar ist. Letztes Jahr – man ahnt es schon – das Dementi dazu auf Reddit.
Nun, an Weihnachten, gestand er ein, sich wohl doch mit dem Botschafter getroffen zu haben. Er habe aber leider keinerlei Erinnerung mehr daran. Den kasachischen Premierminister will er aber nach wie vor noch nie getroffen haben. Flucht ins Vergessen nennt man das bei Zeugen vor Gericht. Wie ist diese Vergesslichkeit zu erklären?
Sind ihm seine Kontakte zum kasachischen Regime, das eine eigene Version von Chinas „Great Firewall“ entwickelt, um noch mehr Kontrolle über das Internet zu gewinnen, inzwischen peinlich?
Möglicherweise will er nicht hiermit in Verbindung gebracht werden:
Ashina – der (…) Mässimow nahestehende „Bilim Media Group“-Direktor und PR-Experte – ist z.B. der Hauptautor des kasachischen Artikels über das en:Zhanaozen massacre (Link zu Wikinews von uns!), die kontroverseste Episode in der jüngsten Geschichte des Landes, die weltweite Aufmerksamkeit auf die Menschenrechtsverletzungen des Regimes richtete. Sollte so ein Artikel in Wikipedia vom PR-Mann des Premierministers geschrieben werden? Doch wohl eher nicht.“
Wusste Wales davon? Auf seiner Diskussionsseite heißt es dazu:
„Wikibilim does not control and does not manage the Kazakh language Wikipedia. Indeed, when I last checked, employees are forbidden from editing Wikipedia. If that has changed, that’s interesting and useful information – I haven’t checked recently.“
Kann man ihm so viel Naivität wirklich noch abkaufen? Wir freuen uns auf Eure Kommentare!
Guten Tag
Schon mitgekriegt? Amateurfilmemacher haben einen "Dokumentarfilm" über
Wikipedia veröffentlich. Da werfen diese vor, dass man den Historiker [[Daniele
Ganser]] bewusst in eine VT-Ecke drängt, damit man ihn nicht als Quelle für den
9/11 Artikel gebrauchen kann und somit eine Aufklärung entgegegenwirkt.
Da werden sogar zwei Wikipedianer mit Klarnament enttarnt, und angebliche Fehler
im Artikel werden genannt.
Auf der Diskseite zu Ganser ist viel los, man versucht, allfällige fehler zu
korrigieren. Da fällt aber auch immer wieder auf, dass die Filmemacher zum Teil
falsch lagen.
Wer sind die Filmemacher?
Markus Fiedler ist Diplombiologe, arbeitet als Biologie- und Musiklehrer und ist
Gastdozent für das Fach ‚Integrated Media‘ an der Carl von Ossietzky Universität
Oldenburg.
Quelle: http://www.nachdenkseiten.de/?p=28035
Nebenbei: der interviewer auf nachdenkseiten.de heisst Jens Wernicke. Jemand mit
diesem Namen arbeitet bei Ganser. Zufall?
http://www.siper.ch/de/institut/ueber-uns/
Dann der zweite Filmemacher ist tontechniker:
http://www.subterra-sound.de/index.php?option=com_content&task=view&id=20&Itemid=35
Der fast 2h Film wurde auf KenFM auf youtube veröffentlicht:
https://www.youtube.com/watch?v=wHfiCX_YdgA
zuvor gabs noch ein fast 2h interview mit dem filmemacher mit Ken Jebsen am
gleichen ort.
https://www.youtube.com/watch?v=4X-3-AwqkLQ
http://www.rtdeutsch.com/34437/gesellschaft/die-dunkle-seite-der-wikipedia-neuer-dokumentarfilm-von-markus-fiedler-und-frank-michael-speer/
Weiterer Link zum Ganzen:
https://www.watson.ch/International/Wissen/808976256-Verschw%C3%B6rungstheorie--%C2%ABJeder-mit-einer-anderen-Analyse-wird-mit-Spinnern--P%C3%A4dophilen-und-Antisemiten-in-eine-Ecke-gestellt%C2%BB
Es würde mich freuen, wenn Sie das Ganze analysieren könnten für Ihren Blog.
Gibts die Wikipedia-Verschwörung? Wird Ganser bewusst in die VT-Ecke gestellt?
Hat es wirklich soviele Fehler im Artikel und in den Quellen, wie behauptet
wird? Wer steckt hinter dem Film, etwa selber eine Verschwörung? Und und und....
Danke!
Thomas Schulz