Von Rächern und Schraubern


Das Schöne an der Wikipedia ist, dass man immer wieder etwas Neues lernt. Heute: Was ist ein Akkuschrauberrennen? Was sich anhört wie eine Wette für „Wetten, dass..?“ ist ein Sport. Und es ist Kunst, entwickelt von einem Professor für Produktdesign an der Kunsthochschule in Hildesheim, seit 2003 mit einiger Begeisterung erprobt von Designstudenten aus der ganzen Republik.

Die Regeln sind streng. Wikipedia erklärt:

„Beim Akkuschrauberrennen geht es darum, dass Fahrzeuge, die von einem einheitlichen, handelsüblichen Akku-Bohrschrauber angetrieben werden und auf denen eine Person fahren kann, gegeneinander antreten. Der Antrieb des Akku-Bohrschraubers mit 18 Volt und rund 41 Ampere entwickelt eine Leistung von etwa 740 Watt oder einer Pferdestärke (PS). (…) Bei dem Rennen geht es nicht nur um Geschwindigkeit, sondern auch darum, eine ungewöhnliche Lösung in Leichtbau zu zeigen. Jedes Gefährt wird vor dem Rennen gewogen. Das Richtgewicht für den Fahrer liegt bei 70 kg. Wenn ein Fahrer weniger wiegt, werden entsprechende Gewichte zum Ausgleich an Bauch und Rücken des Fahrers befestigt.“

Inzwischen nehmen diverse Design-Unis teil, die Wettkämpfe werden größer, die Gefährte origineller. Am 28. Mai 2011 steigt das nächste große Rennen auf einem alten Flugplatz in Hildesheim.

Nur: Die Wettkämpfe werden nicht mehr rein sportlich ausgetragen. In der Wikipedia streiten sich wenige Zankhälse um den Eintrag. Schon am 1. März 2011 gab es eine kontroverse Diskussion um seine Löschung. Die Entscheidung kam schließlich am 15. März nach einigem Hin und Her: das Akkuschrauberrennen bleibt „als interessante Kuriosität (analog Robocup)“, so die Admin-Begründung. Der Robocup ist die jährliche Weltmeisterschaft des Roboter-Fußballs. Gern verglichen werden die rasenden Akkuschrauber auch mit der Wok-WM, bei der lauter Promis in einem Asia-Wok eine Bobbahn hinunter rasen. Robocup und Wok-WM werden in sehr ausführlichen Wikipedia-Einträgen beschrieben, einschließlich der Siegerlisten der vergangenen Jahre.

Das Akkuschrauberrennen bleibt also, und mit ihm der Streit. Nach drei Reverts ist der Wikipedia-Artikel seit gestern Abend, 20.53 Uhr, für zwei Wochen gesperrt. Der Grund: Am 5. April um 3.59 Uhr in der Früh hat der Autor „Roterraecher“ die Siegerliste der vergangenen Jahre gelöscht. Seine Begründung: „Name-Dropping.“ Das habe mit einer Enzyklopädie nichts mehr zu tun, die Namen der Studenten seien „völlig irrelevant“. 19 Stunden später, um 23.03 Uhr am Abend des 5. April, fügt „Ausgangskontrolle“ die Bestenliste wieder ein. Wenn ein Wettkampf relevant sei, dann auch die Erwähnung der Gewinner.

So weit, so schlüssig. Doch in seiner nächsten Nachtschicht schlägt „Roterraecher“ wieder zu. Revert am 7. April, 3.24 Uhr: „Herrje nicht schon wieder“, schreibt er. Die Namensliste sei „unerwünscht“. „Ausgangskontrolle“ reagiert um 7.49 Uhr am gleichen Morgen. Nächster Revert, die Namen sind wieder drin. Dann, immer noch 7. April, 20.39 Uhr, wieder Revert von „Roterraecher“ – die Namen sind wieder draußen. Das ist ein Edit War. 14 Minuten später folgt deshalb die Sperrung des Artikels.

Der Streit lässt sich nicht nur über die „Versionsgeschichte“ des Artikels nachvollziehen. Auch die Diskussionsseite wird eifrig genutzt. Der Thread ist passend überschrieben mit „Edit War um Siegerliste“. Besonders ärgert dort den Wikipedianer „Ausgangskontrolle“, dass der Artikel nunmehr in der Fassung ohne die Siegerliste (siehe: Die Falsche Version) gesperrt wurde – ganz so, wie es „Roterraecher“ will. „Roterraecher“ ist, vorsichtig ausgedrückt, ein besonders eifriger und streitlustiger Wikipedianer. Gleich zwei Mal wird ihm nun Vandalismus vorgeworfen. Und er hält dagegen, wirft „Ausgangskontrolle“ wiederum persönliche Angriffe vor, sieht sich an den Pranger gestellt. Schon lange geht es nur noch um den virtuellen Akkuschrauber, angesetzt in übellauniger Diskussion, hochtourig und laut.

Was hilft das den Piloten der kuriosen Gefährte, jenen, die aus den echten Schraubern das letzte Watt herausholen und auf die Straße bringen? All jenen, die gerade schrauben an den Boliden für das nächste Rennen am 28. Mai? Und jenen, die diesen kuriosen Sport verfolgen wollen, mehr wissen wollen in der Wikipedia? Nichts. Erstmal ist Sendepause.

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