Plagiate im VroniPlag: „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher.“


In der Nachfolge von GuttenPlag Wiki haben sich die selbst ernannten Ermittler von VroniPlag Wiki aufgemacht, die Welt zu verbessern und schonungslos Plagiate aufzudecken. Wer dabei hofft, in Zukunft gäbe es weniger Plagiate, irrt. Denn VroniPlag erzeugt selbst unzählige.

Man könnte sicher noch leicht darüber hinwegsehen, dass jeder einzelne Vergleich im Wiki (dort Fragment genannt) nach dessen eigenen Regeln schon fast ein Verschleierungsplagiat darstellt, denn auf den Fragmentseiten wird regelmäßig vergessen, die vollständige Herkunft der Fragmente zu nennen. Da jede Internetseite für sich selbst ein eigenständiges Dokument ist, müsste beispielsweise auf der Seite Mm/Mathiopoulos-1987/019 und bei jedem anderen Fragment statt nur einer Kurzzitation richtigerweise als Quelle stehen:

Margarita Mathiopoulos: Amerika: das Experiment des Fortschritts. Ein Vergleich des politischen Denkens in Europa und in den USA, Paderborn [u.a.] 1987, ISBN 3-506-75405-X, Seite 19, Zeilen 3-8.12-13.

Man kann auch Milde darüber blicken, dass die fast vollständige Wiedergabe einer Dissertation im VroniPlag Wiki ohne Zustimmung des Autors mit Sicherheit nicht mehr vom Zitierrecht gedeckt ist und gegen das Urheberrecht verstößt.

Aber das stört doch keinen großen Geist hätte Karlsson vom Dach (Astrid Lindgren: Aus dem Schwed. v. Thyra Dohrenburg, 1976) in solch einer Situation sicher gesagt und sich den nächsten, noch gröberen Schabernack ausgedacht.

So auch VroniPlag. Die Plagiatssuche steht und fällt mit der Definition eines Plagiates. Dies bestimmt, wie Funde eingeordnet werden, ob der Schreiber einer Dissertation zum Täter hochstilisiert werden kann – auch, wenn er möglicherweise in Wahrheit ein Opfer der anonymen Plagiatjäger im Superwahljahr ist.

Ein Plagiat definiert sich im Allgemeinen als „‚Raub der Seele‘. Dieb ist, wer fremde Gedanken stiehlt, seins nennt oder verkauft.“ (Aus Rafael Wawer: Warum viele Plagiatsvorwürfe nicht haltbar sind In: Zeit vom 3. Mai 2011) Das eingangs erwähnte Verschleierungsplagiat ist daher eigentlich nur ein (in wissenschaftlichen Arbeiten erheblicher) Zitierfehler aber kein Plagiat, da der wahre Autor noch eindeutig erkennbar ist.

Dem VroniPlag-Bericht vom 19. April zur Dissertation von Silvana Koch-Mehrin ( Auch als PDF, dort Seite 3) entnehmen wir, dass die Definitionen für die Plagiatkategorien auf den Ausarbeitungen von Weber-Wulff und Wohnsdorf: „Strategien der Plagiatsbekämpfung“ (Information – Wissenschaft & Praxis (2006) 2, S. 90-98) beruhen. Eine der Autorinnen, Frau Prof. Dr. Debora Weber-Wulff hat sich als Pressesprecherin des VroniPlag dem Spiegel gegenüber als Mitautorin geoutet und „engagiert sich gegen Plagiarismus an Hochschulen“ – Warum nur da? Warum nicht auf gegen Plagiariusmus im VroniPlag?

Fest steht nämlich, obwohl die großen Wikis alle aufgrund ihrer Lizenz „Creative-Commons-Lizenz Attribution-ShareAlike 3.0 Unported“ (Kurz: cc-by-sa) dazu verpflichtet sind, jeden (Mit-)Autor mit seinem Pseudonym in der sogenannten „Versionsgeschichte“ eines jeden Artikels zu nennen, läßt gerade VroniPlag Wiki diese Pflichtangaben sehr oft weg.

Anmerkung: Wer größere Texte von einer Seite eines Wikis auf eine andere Wiki-Seite kopiert muss alle Autoren des kopierten Textes (=Versionsgeschichte) in die Versionsgeschichte des neuen Artikels kopieren. Sofern es sich nur um ein „Zitat“ handelt, müsste er dieses in Anführungszeichen setzen und den Permalink des Ursprungstextes (Das ist der Link auf die gerade aktuelle Version) in einer Fußnote angeben. Beides passiert regelmäßig im VroniPlag oder GuttenPlag nicht.)

Wenn man eine Wikiseite unter der cc-by-sa wie in der PDF-Version des Abschlussberichts zu Koch-Mehrin – als PDF ausgibt, muss man dem PDF die Versionsgeschichte mit der Liste aller Bearbeiter anfügen, sonst ist es ein Plagiat, denn die Angabe der Autoren, die mitgewirkt haben fehlt. Aber darauf haben Frau Prof. Dr. Debora Weber-Wulff und die anderen anonymen Plagiatsjäger verzichtet. Ist ja egal, die Hauptakteuer des VroniPlag wollen anonym bleiben, andere Autoren dürfen sowieso nur an ausgewählten Seiten mitschreiben und können so dagegen nicht aufmucken. Das Wikiprinzip, dass jeder an jeder Seite mitschreiben darf, ist so gut wie ausgehebelt. „Alle Tiere sind gleich, aber manche sind gleicher.“ (George Orwell: Farm der Tiere)

Da jeder Edit in einem Wiki einzeln aufgezeichnet wird, können wir nachvollziehen, dass der Satz: „Eine vollständige Beschreibung der hier verwendeten Kategorien ist im GuttenPlag-Wiki aufgeführt“ eigentlich eine verschleierte (aber nach cc-by-sa nicht ausreichende) Autorenangabe darstellt. So ein Vorgehen nennt VroniPlag normalerweise mindestens „Verschleierungsplagiat“, meistens aber Bauernopfer oder, weil es mehr Eindruck schindet, gerne auch einmal KomplettPlagiat.

Am Beispiel der Definition des Verschleierungsplagiates: kann man sehr gut erkennen, wo die wichtigsten Textteile der Plagiatsdefinitionen herkommen.

Im VroniPlag steht: „Verschleierungen sind Textstellen, die erkennbar von fremden Quellen abstammen, aber umformuliert und weder als Paraphrase noch als Zitat erkennbar gemacht wurden. Gemeint sind Texte, die aufgrund der Umformulierung oder des Umbaus von Satzteilen nicht mehr einfach als „Gänsefüßchen/Fußnote vergessen“ abgetan werden können. Diese Neuformulierung dient unter Umständen auch dazu, die Herkunft von Text und Gedanken aus fremder Quelle zu verschleiern. Ein farblich markiertes Beispiel, das diese „Technik“ anschaulich dokumentiert, findet sich auf Seite 58.“

Die im PDF lizenzwidrig nicht genannten Ersteller dieser Definitionen sind umgekehrt chronologisch Frangge, LMB und Prof. Dr. Prometheus [2] [3]. Ursprünglich hat es Schuju in der Version vom 17. April 2011, 22:46 geklaut. Daraus läßt sich auf zwei mögliche Originalquellen schließen.

Entweder ist das Fragment ein Plagiat aus VroniPlag_Wiki:PlagiatsKategorien, einer anderen Seite des VroniPlag selbst – was in diesem Fall kein „Kavaliersdelikt“ wäre, denn diese Seite stellt selbst ein Plagiat dar. Sie ist abgeschrieben aus den PlagiatsKategorien des GuttenPlag.

Wie man an der ersten Version von VroniPlag_Wiki:PlagiatsKategorien sieht, sind die Plagiatsdefinitionen dort ein Plagiat der IP 77.180.X.X. Die Quelle ist in Wahrheit diese Version der PlagiatsKategorien des GuttenPlag.

Die aktuelle Formulierung der ersten beiden beiden Sätze: „Verschleierungen sind Textstellen, die erkennbar von fremden Quellen abstammen, aber umformuliert und weder als Paraphrase noch als Zitat erkennbar gemacht wurden. Gemeint sind Texte, die wegen der Umformulierung nicht mehr einfach als ‚Gänsefüßchen/Fußnote vergessen‘ abgetan werden können“ stammen aber eindeutig von aus den Plagiatskategorien des GutenPlag Wikis in der Version vom 7. April 2011, 18.53 Uhr. Im VroniPlag hätte Schuju diesen Satz wenigstens als Zitat kennzeichnen, ihn mit einer Fußnote versehen und in dieser die Version mit Permalink und Datum als Quelle angeben müssen. So aber ist der Text nach seiner Definition selbst nicht nur ein „Verschleierungsplagiat“ sondern ein Komplettplagiat und genügt auch der cc-by-sa nicht, da die Autoren der GutenPlag-Seite in der Versionsgeschichte nicht genannt werden.

Merkwürdig allerdings ist, dass erst im o.g. Abschlussbeicht überhaupt erwähnt wird, dass Weber-Wulff und Wohnsdorf Vorbild waren, aber in der Urversion des Gutteplag und in der Kategoriebeschreibung des VroniPlag bisher nicht. Hat das was damit zu tun, dass Frau Prof. Dr. Debora Weber-Wulff dort nun Pressesprecherin ist?

Das hier wesentliche „Verschleierungsplagiat“ ist bei Weber-Wulff und Wohnsdorf übrigens gar nicht enthalten. Man fragt sich, wo es herkommt. Benutzer:Nicholaz hat es ohne weitere Begründung am 18. Februar 2011 bei GuttenPlag eingefügt. Eine wissenschaftliche Quelle für dieses neu erfundene Plagiat ist nicht erkennbar. VroniPlag und Frau Prof. Dr. Debora Weber-Wulff übernehmen diese Erweiterung ungeprüft und kommen auch nicht auf die Idee, dazu eine seriöse Quelle mit wissenschaftlichem Niveau zu suchen.

Im Blog von GuttenPlag waren diese Art von angeblichen Plagiaten denn auch nicht unumstritten:

– „… viele angebliche Verschleierungsplagiate [sind] nicht wirklich welche, da die Quelle im nächsten, aber hier nicht erwähnten Satz steht. Das ist aber durchaus nicht unüblich, nicht an jedem der drei oder vier sinngemäß übernommenden Sätze, sondern lediglich an dem letzten (oder in der Mitte) eine Fußnote zu setzen. Gruß WT“ 2. März von IP

– „Die Kategorie „Verschleierung“ scheint mir problematisch, weil sie eine Beschreibung des Umgangs mit einem Text mit einer Vermutung über die Motive in Verbindung bringt. Ich stoße öfters auf Stellen, die umformuliert sind, bei denen ich aber andere Motive vermute: manchmal stilistische Vorlieben des Plagiators, manchmal die Notwendigkeit, den Text mit Texten aus anderer Quelle in Einklang zu bringen.“ 20. Februar von Xeroxomus“

– „ja, wenn man Verschleiern und Shake & Pa… oh, [E]ntschuldigung, ich meine natürlich „Wenn man ‚Verschleiern‘ und ‚Shake&Paste‘ gleichzeitig anwendet[,] kann man jeden beliebigen Text als Plagiat identifizieren.“ 19. Februar von IP

Angesichts dieser eklatanten Fehler, die die VroniPlag Mitarbeiter von den GuttenPlag Mitarbeitern übernommen haben und die, da sie durchgehend auftauchen, wohl eher eine generelle Fehlhaltung als nur Einzelfälle darstellen, wundert es doch sehr, wenn ARD-aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke gegenüber meedia (In: Felix Disselhoff: Der Wiki-Club, vor dem Doktoren zittern vom 12. Mai 2011) sagt: “Die Vorgehensweise von GuttenPlag schien mir so professionell und zuverlässig zu sein, dass ich keine Bauchschmerzen hatte, das mit Nennung der Referenz in unseren Sendungen zu verwenden” oder GuttenPlag  sogar zum Grimme Online Award vorgeschlagen wird. Stephan Frey (VroniPlag Wiki – Eine kritische Anmerkung) ist daher eher beizupflichten: „die öffentliche Art der Inquisition sollte jedoch umgehend beendet werden, da es auch zu einer ungerechtfertigten Vorverurteilung kommen kann, insbesondere wenn nicht wissenschaftlich ausgebildete Personen angebliche Plagiate meinen entdeckt zu haben und dies in der Öffentlichkeit kundtun.“ Oliver Trenkamp (Anonyme Plagiatsjäger: Der Schwarm bin ich) schreibt: „Dass sie im Schutz der Anonymität arbeiten, erklären die „VroniPlag“-Leute zum einen damit, dass es in der Wissenschaft egal sein müsse, wer etwas sagt. Es komme nur auf das Gesagte an sich an. Zum anderen fürchten einige Nachteile im Job. So gibt es offenbar die Angst, es schade der Wissenschaftskarriere, wenn man andere als Plagiatoren enttarnt habe.“ Nein, es ist viel banaler: Es würde ihrer Wissenschaftskarriere schaden, wenn bekannt würde, dass die Schreiber des VroniPlag Wiki im großen Stil plagiieren, Plagiate im eigenen Wiki dulden, und ihre Maßstäbe zur Erkennung von Plagiaten keinen durchgehend wissenschaftlich fundierten Hintergrund haben, dass bei einigen von Ihnen also wohl der Zweck die Mittel heiligt.

Nachtrag: Rechtsanwalt Prof. Dr. Johannes Weberling hat bei Presserecht.de analysiert: Was ist eigentlich ein „Plagiat“? geschrieben. Danach ist eigentlich klar, dass das „Verschleierungsplagiat“ nur verschleiert, dass es kein Plagiat im Sinne des Urheberrechtes ist.

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